TRIER. (hpd) Die Todesanzeige eines Trierer Atheisten bewegt das Netz. Unkonventionell und ohne Blatt vor dem Mund verabschiedet er sich von seinen Angehörigen.
"Ich melde mich hiermit vom Leben ab" – so beginnt die Todesanzeige, die der Trierer Hubert Martini vor seinem Tod selbst verfasst hat, um sich von seinen Angehörigen zu verabschieden und letzte Wünsche zu äußern. Dabei spart er nicht an offenen Worten.
Liebevoll verabschiedet er sich zunächst von seiner Frau Hiltrud, seinem Sohn Dirk und seinen zwei Enkelkindern. Den fünf Geschwistern samt Partnern und Nachkommen verbietet er dagegen die Teilnahme an seiner Beerdigung: "Ihr seid alle ausgeladen!" schreibt Martini ehrlich und schonungslos.
Eine religiöse Zeremonie lehnt Martini ab. "Ich war überzeugter Atheist, ich bin es geblieben!" Auf der Verabschiedungsfeier solle man daher von Trauerbekleidung, Kreuzen oder sonstigen offenen oder versteckten Symbolen mit religiösem Bezug absehen.
Zuletzt wendet er sich noch einmal mit einer romantischen Liebesbekundung an seine Frau: "Wenn es ein Leben nach dem Leben gäbe, dann würde ich Dich dort wieder um Deine Hand und um Deine Liebe bitten. Ich würde auch warten."
13 Kommentare
Kommentare
Horst Herrmann am Permanenter Link
Zur Ergänzung: Die Familie des verstorbenen Atheisten hat sich in einer weiteren Anzeige an den Vater gewandt: "... du wirst überrascht sein".
Guido W. Reichert am Permanenter Link
Lieber Horst Herrmann,
Die vermeintlich rationale Auffassung von Wissen und Nichtwissen (Agnostizismus) "weiss" auch nicht, dass wir morgen durch Essen satt werden, bloß weil wir es heute schon wurden (Induktion).
Ein Leben nach dem Leben mit der gleichen Persönlichkeit und dem gleichen Wissen erscheint mir angesichts dessen, was wir mit hoher Wahrscheinlichkeit wissen, so wahrscheinlich wie 1000 mal sechs Richtige in diesem Leben vom selben Tipper... ;-)
Aber jeder ist ja Konstrukteur seiner eigenen Rationalität.
Herzlichst Ihr
Guido W. Reichert
David am Permanenter Link
physikalisch stimmt das, aber menschlich möchte man sich wiedersehen, das stimmt zwar physikalisch nicht, aber daran glauben die menschen nunmal.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Bei den gmx-Nachrichten fand ich zwei Statements zur Martini-Anzeige, die vielleicht typisch sind für Menschen, die Trauer immer noch mit tiefer Gläubigkeit verbinden:
Die Überschrift des Berichts sieht die Traueranzeige noch positiv:
>Die wohl ehrlichste Traueranzeige der Welt: "Ich, offen, ehrlich, nachtragend"<
Doch ein befragter Experte hegt Zweifel:
>"Ich weiß nicht, ob das Ehrlichkeit ist", sagt dazu der Psychologe Jorgos Canacakis, Trauerexperte und Verfasser zahlreicher Bücher über das Trauern. "Es hat vermutlich mehr mit seiner Persönlichkeit zu tun. Er will gehört, gesehen und verstanden werden."<
Und weiter:
>"Er will nicht unglamourös sterben", mutmaßt Canacakis über den Verblichenen.<
Was ist an dieser Anzeige glamourös? Auch das befragte Bestattungsinstitut hat seine Probleme mit der Anzeige (vielleicht auch, weil sie keine Kreuze und Kränze losgeworden sind):
>"Wir hatten das in 16 Jahren vielleicht zwei Mal", sagt Martina Schmidt vom Trierer Bestattungshaus Martin Loch. [...] Die Anzeige Martinis finde sie persönlich "nicht in Ordnung": "Er wollte eine Abrechnung. Und die Angehörigen müssen jetzt damit leben."<
Es ist natürlich eine gänzlich unchristliche Anzeige, die von (Eigen-)Lobhudelei absieht und die Dinge auf den Punkt bringt. Das passt nicht in eine Welt, in der Menschen durch den Tod quasi in "Heilige" gewandelt werden, weil man sie ja künftig an der Seite des Schöpfers wähnt. Und wer weiß, ob sie einem nicht als Untote das Leben zur Hölle machen...
Die klare Kante Martinis ist dann "nicht ehrlich" oder "nicht in Ordnung". Ja, die missliebigen Angehörigen "müssen jetzt damit leben" - wie Herr Martini vermutlich eine lange Zeit seines Lebens vorher. Das könnte man auch ausgleichende Gerechtigkeit nennen. Und wenn die Angehörigen zu Unrecht am Pranger stehen, dann können sie genauso ehrlich auf ihren Bruder schimpfen, wie er es tat. Wo ist da das Problem?
Ich finde die Anzeige warmherzig und angemessen. So kann man gehen...
Wolfgang am Permanenter Link
Wenn einer damit anfängt, werden andere folgen. Gut so!
Rainer Bolz am Permanenter Link
Die Todesanzeige ist außergewöhnlich, klar und deutlich.
Ich hoffe, dass noch viele den Mut haben vergleichbare Anzeigen aufzugeben.
Jana am Permanenter Link
Danke Bernd und auf den Punkt gebracht. Der Verstorbene hat seine Geschwister klar aufgezeigt, das sie auf deinem letzten Weg nicht willkommen sind. Er schützte damit deine Frau und seinen Sohn.
Viel Kraft seiner Familie
Thomas Göring am Permanenter Link
"De mortuis nil nisi bene", über Tote nichts außer auf gute bzw. faire Weise sagen.
Paul am Permanenter Link
Eben ein Mann mit Charakter, der die Wahrheit jetzt kennt :-)
Kay Krause am Permanenter Link
Lieber (sehr geehrter?) Paul! "Die Wahrheit", von der Sie sprechen, werden wir Erdenbürger wohl nie (er-) kennen.
Hubert Martini scheint das recht gut gelungen zu sein.
Madoc am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Krause,
dass jeder Mensch seine individuelle Wahrheit hat, ist allein Ihre individuelle Wahrheit. Meine individuelle Wahrheit ist hingegen, dass es eine objektive Wahrheit gibt, an die wir uns annähern können.
Liebe Grüße
Kay Krause am Permanenter Link
Schade, Frau oder Herr Madoc: nix verstanden. Ich würde gerne in eine philosophische Diskussion mit Ihnen treten, aber das würde den Rahmen dieses Forums wohl sprengen. Darum nur kurz:
2.) Im Grund verstehe ich nicht, warum Sie überhaupt persönlich auf meinen Kommentar antworten, denn mit Ihrer eigenen Aussage bestätigen Sie doch nur meinen Gedanken: Sie geben zu, dass Ihre These, es gäbe eine objektive Wahrheit, auch wiederum nur IHRE individuelle Wahrheit ist.
Damit sind wir doch auf einem Nenner?
3.) Meine These rührt aus meiner eigenen Erfahrung, aus vielen philosophisch angehauchten Diskussionen, speziell über den Begriff "Wahrheit". Es ist tatsächlich so, dass jeder Mensch ganz eigene (individuelle!) Auslegungen dieses Wortes hat, und dass man letztlich in der Gemeinschaft ganz gut damit leben kann. Ganz schlimm finde ich allerdings
den Mißbrauch dieses Wortes durch den Klerus, wenn den religiös Gläubigen
die jeweils religiöse Lehre als "endgültige und einzige Wahrheit" verkauft werden soll!
Zwei bis sieben Grüße!
Guido W. Reichert am Permanenter Link
Nein, die Wahrheit "kennt" er jetzt nicht, denn selbst, wenn jemand auf der grünen Wiese im Sonnenschein aufwacht und meint er sei der, der schon einmal war, ist er es wirklich?
Mal wieder Zeit, über Bewusstsein nachzudenken... :-)