Der Streit um Datenschutz und Kirchenaustritt in Belgien

"Europa hat Google in die Knie gezwungen, jetzt ist die Kirche dran"

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Die Kathedrale St. Michael und St. Gudula, Hauptkirche von Brüssel, während einer Bierweihe im Jahr 2018.

Das Recht auf Vergessen ist ein bedeutender Grundsatz im Datenschutz. Trotzdem will die katholische Kirche in Belgien die Ausgetretenen nicht aus dem Taufregister löschen.

Die katholische Kirche in Belgien erlebt derzeit eine Austrittswelle. Immer mehr Katholikinnen und Katholiken kehren ihr den Rücken, nachdem im September die TV-Reportagenreihe "Godvergeten" (dt.: "Gottvergessen") Betroffene von Missbrauch durch Kirchenleute zu Wort kommen ließ.

Anders als in Deutschland genügt in Belgien ein Brief ans Bistum für den Austritt. Mehr als eine Begründung und die Angabe der jeweiligen Pfarrgemeinde braucht es nicht. Nachdem das Bistum die Gemeinde informiert hat, vermerkt man im dortigen Taufbuch handschriftlich das Ausscheiden aus der Kirche. Taufbücher oder Taufregister sind Verzeichnisse, in denen die Kirchengemeinden alle dort getauften Personen erfassen. Auch die Namen der Ausgetretenen bleiben dort vermerkt und werden nicht etwa gelöscht. Einige Betroffene haben dagegen Beschwerde eingelegt, die Fälle werden derzeit von der Datenschutzaufsicht untersucht.

Ein klarer Verstoß gegen den Datenschutz, urteilt derweil der belgische Datenschutzexperte Bart van Buitenen. Das Taufregister als schriftliches Dokument unterliege der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Also müssten personenbezogene Daten wie die Kirchenzugehörigkeit nach dem Austritt gelöscht werden.

Dieselbe Kritik äußerte Jan de Zutter, Pressesprecher der sozialdemokratischen S&D-Fraktion im Europaparlament. In einem Meinungsbeitrag in der belgischen Tageszeitung De Standaard vertrat er die Position, dass das weltliche Recht über dem Kirchenrecht stehe. "Die Kirche fürchtet es wie der Teufel das Weihwasser, wenn sie mit der DSGVO konfrontiert wird. Sie benutzt dafür alle möglichen theologischen und kirchlichen Argumente und beruft sich auf die Religionsfreiheit", heißt es dort. De Zutter hofft auf ein Machtwort der EU: "Europa hat Google in die Knie gezwungen, jetzt ist die Kirche dran."

Unterstützung erhält er von seiner Parteikollegin Kathleen Van Brempt. In einer parlamentarischen Anfrage fordert die Europaabgeordnete Auskunft darüber, welche Schritte die EU gegen Religionsgemeinschaften unternehmen werde, die gegen den Datenschutz verstoßen.

Dagegen betrachtet der Datenschutzbeauftragte der Belgischen Bischofskonferenz Bruno Spriet die Vorschriften als erfüllt. Die Taufbücher seien nicht öffentlich, sie würden nicht an andere Stellen weitergegeben und Dritten nur dann zugänglich gemacht, wenn die betroffene Person zugestimmt hat. 

Nach kirchlicher Lehre ist die Taufe ein Sakrament, das dem Täufling ein "unauslöschliches Prägemal" verleihe. Nach dieser Lesart lasse sie sich nicht mehr ungeschehen machen, selbst der Kirchenaustritt führe zu keiner "Enttaufung".

Genau diese Argumentation wird interessanterweise auch von der Datenschutzaufsicht in Irland bemüht. Die Datenschutzbeauftragte Helen Dixon wies damit im September den Antrag von ehemaligen Mitgliedern des Erzbistums Dublin ab, ihre Einträge aus dem Taufregister zu tilgen. In einer 183 Seiten langen Erklärung begründete Dixon dies mit dem theologischen und kirchenrechtlichen Selbstverständnis der Glaubensgemeinschaft. Demnach seien die Angaben im Taufregister für die Kirche so lange erforderlich, wie die getaufte Person lebt.

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