Der Physiker Gerd Ganteför warb in einem Vortrag beim Humanistischen Salon Nürnberg für positive Visionen von Fortschritt. Optimismus ist für ihn nicht gleichbedeutend mit der Verharmlosung von Problemen. Es gäbe keinerlei Grund, den heutigen Stand der Forschung für unveränderlich zu halten und den Glauben an die zukünftige Lösbarkeit von Problemen aufzugeben.
Der Vortrag am Sonntag, den 22. Januar beruhte auf dem gleichnamigen neuen Buch des Referenten "Heute Science Fiction, morgen Realität?" und hat an einem Sonntagmorgen knapp 90 Menschen ins Nürnberger PARKS gelockt. Untertitel: "An den Grenzen des bekannten Wissens und darüber hinaus".
Was aber lässt sich über die Zukunft sagen? Denn mit ihr ist es ja so eine Sache: Sie ist ungewiss. Und je nach Menschen- und Weltbild liegen die Prognosen über das, was vor uns liegen könnte, weit auseinander. Und damit auch die Prioritäten in hoch politischen Fragen.
Bei seinen vorherigen Büchern über den Klimawandel zeigte sich bereits, dass Ganteför mit seinem Zukunftsoptimismus in manchen Kreisen ziemlich aneckt. Daher lief die Veranstaltung im Programm des "Humanistischen Salons Nürnberg" auch in der Rubrik "Podium der brisanten Bücher".
Gleich zu Beginn erzählte der Referent, dass die Empörung über seine Zukunftserwartungen einige Klimaforscher vor zwei Jahren dazu veranlassten, den Wiley-Verlag per Brief zu drängen, die Veröffentlichung von seinen Büchern zu stoppen. "Ich hätte nie gedacht, dass ich als Wissenschaftler mal in die Zone kommen, dass meine Bücher verboten werden sollen", bekennt Ganteför - immer noch hörbar beunruhigt durch diesen Angriff auf Forschungs- und Meinungsfreiheit.
Wer jetzt denkt, dass der Physiker sicher ein ganz schlimmer Klimaleugner sein müsse, der irrt. Wie er auch im Vortrag betonte, akzeptiert er alle wissenschaftlichen Analysen des Weltklimarates. Er ist lediglich anderer Meinung bei den politischen Schlussfolgerungen, also dem, was als einzig mögliche Lösung des Problems präsentiert werde.
Er ist überzeugt: Nicht die Öko-Idylle ist die Lösung, nicht der Weg in Autarkie und Natur-Gesellschaft oder dass alle Veganer werden, sondern die Hochtechnologie-Zivilisation. Ganteförs "Vergehen" besteht also einzig darin, dass er ein Fortschrittsoptimist ist. Voller Vertrauen in die Zukunft, in Wissenschaft und Technologie.
Ihm ist dabei selbst bewusst, dass das heute anachronistich und naiv erscheint, weigert sich aber, sich dem Zeitgeist anzupassen. Im Gegenteil. Buch und Vortrag sind ein einziger großer Versuch, Andere mit diesem Optimismus anzustecken. Sie zu begeistern und zu überzeugen, dass diese Sicht auch gar nicht so irrational ist wie sie ihnen vielleicht erscheint.
"Viele in Deutschland denken, dass wir mit dem auskommen müssen, was wir schon haben, weil es keine neuen, grundsätzlichen Entdeckungen mehr geben wird", sagte er. Doch dass wir am Ende der Wissenschaft sind, ist nicht wahrscheinlich. In vielen Bereichen, wie in seinem eigenen Forschungsgebiet der Nanotechnologie, habe man sogar gerade erst angefangen.
Ganteför lud ein zu hoffnungsvollen Blicken an die Ränder des heutigen Wissens, zu freudiger Erwartung, dass die Neugier der Menschen diese Ränder in der Zukunft ausdehnt und dass wir mit viel Erfindungsreichtum ein schweres Problem nach dem nächsten lösen werden.
Er schwärmte von riesigen Fortschritten in der IT, von Bild- und Spracherkennung und der mehr als exponentiellen Zunahme der Rechenpower unserer Computer. Erzählte von der Suche nach Raumtemperatur-Supraleitern und warum mit ihnen endlich Kernfusions-Reaktoren möglich wären.
Er ließ sein Publikum mit dem Weltraum-Teleskop Hubble bis ans Ende der für uns sichtbaren Welt fliegen, was zugleich eine Zeitreise ist bis an die Anfänge der Welt. Er erklärte, dass wir leistungsstärkere Nachfolger von Hubble brauchen um zu erforschen, ob entfernte Planeten bewohnbar sind oder sogar schon bewohnt werden.
Auch das Publikum war gefragt, über den Stand des Wissens nachzudenken. Um diese Gedanken einzufangen, hatte Ganteför ein Umfragesystem mit kleinen Fernbedienungen für jeden mitgebracht, das er auch in seinen Vorlesungen einsetzt. "Mein Studierenden finden das super gut, weil sie mitmachen, aber sich nicht blamieren können", meinte der Referent lachend.
Und auch seine Nürnberger Zuhörerinnen und Zuhörer ergriffen die Gelegenheit anonym Vermutungen darüber anzustellen, wie lange man mit dem Auto bis zum nächsten Sonnensystem bräuchte (richtige Antwort war: 40 Mio. Jahre) oder welche von mehreren Technologien schon heute realisiert ist (Steuerung von Technik allein durch Gedanken).
Auch trauten sie sich zu spekulieren, über welches Konzept man noch am wenigsten weiß. Wobei sich das als Trickfrage herausstellte, denn tatsächlich weiß die Physik über viel Bescheid, aber über manche fundamentalen Dinge noch so gut wie gar nichts, erklärte Ganteför: Man habe noch keine Erklärung des Urknalls und niemand wüsste, warum z.B. die Gravitation so anders sei als die anderen drei Naturkräfte.
Damit wollte der Physiker natürlich seine Aussage unterstreichen, dass es noch ganz viel zu erforschen gibt. "Die Annahme, dass wir zukünftig keine Entdeckung mehr zu erwarten haben, die so dramatisch wäre, wie die Entwicklungen der letzten 150 Jahre, ist absurd. "
Bei der Frage, welche Zukunft für die Menschheit am wahrscheinlichsten ist, zeigte sich, dass auch das humanistisch interessierte Vortragspublikum in Franken mit mehr Sorge als Hoffnung in die Zukunft schaut. Wobei aber nicht die drohende Klimahölle die größten Ängste auslöste, sondern der Punkt "Überbevölkerung, Armut und Krieg".
"Der Pessimismus ist - sorry - typisch für Deutschland", kommentierte Ganteför, aber auch er denke, dass die Überbevölkerung das drängendere Problem sei. "So lange die Weltbevölkerung so wächst, ist es auch ganz schwierig, das mit dem CO2 in den Griff zu kriegen."
Angesprochen auf die Risiken einer rasanten technologischen Entwicklung, betonte Ganteför, dass diese immer von einer ebenso schnellen gesellschaftlichen Entwicklung begleitet werde. Bildung ist nach seiner Meinung dabei zentral. Und kritisches Denken.
"Ich erlebe in der Schweiz, wo ich wohne, dass aufgrund der Basisdemokratie sehr kritisch diskutiert wird, mit ganz vielen kontroversen Thesen. Diese Kultur hat Deutschland nicht." Hier wolle man - statt zu diskutieren - lieber Bücher verbieten und Meinungen wegdrücken, die nicht dem Mainstream entsprechen. "Das ist das Gegenteil von kritischem Denken!"
Der Humanistische Salon Nürnberg lädt dieses Jahr zu weiteren kontroversen Themen rund um Wissenschaft, Philosophie und säkularen Humanismus. Wer das nächste Mal zur Live-Klaviermusik von Claus Gebert brunchen und plaudern und einem meinungsstarken Vortrag lauschen möchte, sollte sich den 12. Februar, 11 Uhr vormerken. Anton Pototschnik spricht dann über den "Bauplan der Freiheit - Europas Werte und ihre Verankerung". Mehr Informationen gibt es auf der Website des Humanistischen Salons.
6 Kommentare
Kommentare
Horst Groschopp am Permanenter Link
In Deutschland kann man "Bücher verbieten", kann man da mal ein neueres Beispiel haben ...
Frühaufsteher am Permanenter Link
Hallo, es heißt nicht "kann", sondern will. Als Beispiel fällt mir da die Diskussion um das Ferkelbuch ein. Ferkelbuch.de
Viele Grüße
Horst Groschopp am Permanenter Link
Sorry, aber "man" ist ein zu unbestimmtes Subjekt bezogen auf "Deutschland", dem hier etwas vorgeworfen wird.
Brynja Adam-Radmanic am Permanenter Link
Ich kann nicht für den Referenten sprechen, aber ich fühle mich als Autorin des Beitrags durch ihren Kommentar jetzt auch angesprochen.
Aber wenn wir uns nicht so sehr an den Worten aufhängen, sondern stattdessen fragen: Kann es in einem Land auch Unterdrückung von Meinung geben, ohne dass es offizielle, staatliche Zensur gibt? In dem Fall würde ich sagen: Klar, natürlich kann es so was geben.
Es gibt immer wieder Religionen, Unternehmer, ganze Wirtschaftszweige und natürlich auch politische Lagern, die aufgrund ihrer Kontakte und ihres Einflusses in der Lage sind Druck auszuüben, um missliebige Meinungen zu unterdrücken. Oder die es zumindest versuchen.
Wenn diese Leute damit erfolgreich sind, ist das Ergebnis dann ein Verbot? Nicht wirklich. Aber die Frage ist, ob das einen Unterschied macht. Wenn das Ergebnis dasselbe ist als gäbe es ein Verbot?
Jetzt hat es in dem Fall nicht geklappt, den Vertrieb der Bücher zu stoppen. Aber ich bin mit dem Referenten einer Meinung, dass auch der Versuch einen solchen Einfluss auszuüben, beunruhigend ist. Und ich würde jedem sagen: Überleg dir, wie du es fändest, wenn deine politischen Gegner das täten. Und wenn du diese Vorstellung empörend findest, dann kritisiere bitte auch dein eigenes Lager, wenn es so etwas macht.
Ich jedenfalls halte es für essenziell für eine Demokratie, dass der Versuch, die Meinung Andersdenkender zu unterdrücken, ein Tabu bleibt. Egal von welcher Seite.
Horst Groschopp am Permanenter Link
Danke für Ihre Antwort und Meinung. Wenn das mit dem "Verbot" so gemeint ist, wie Sie schreiben, dann haben wir keine Differenzen.
Martin Weidner am Permanenter Link
Man kann nicht von einigen Klimaforschern, die einen Brief schreiben, auf die Kultur in Deutschland insgesamt schließen.