Ahmadiyya-Muslim-Gemeinde

Hinter den Kulissen einer selbsternannten islamischen Reformbewegung

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Bei der "Jalsa Salana", der jährlich stattfindenden dreitägigen Hauptversammlung der Ahmadiyya-Muslim-Jamaat Deutschland
Hauptversammlung der Ahmadiyya-Muslim-Jamaat Deutschland

In der Presse wird von den Ahmadiyya-Muslimen oft als die "Reform-Muslime" berichtet, die den liberalen, friedlichen Islam verkörpern würden. Die Ahmadiyya-Muslim-Gemeinde wird nicht selten sogar als Musterbeispiel für eine gelungene Integration angeführt. Diese Beschreibungen entsprechen der Selbstdarstellung der muslimischen Gemeinde und werden häufig unreflektiert von Journalist*innen übernommen. Eine Aussteigerin schreibt für den hpd aus einer Innenperspektive der Ahmadiyya, von der in der Öffentlichkeit wenig bekannt ist. Gibt es denn tatsächlich Gründe dafür, dass die Ahmadiyya sich als eine muslimische "Reformgemeinde" bezeichnen darf?

Die Ahmadiyya-Gemeinde in Deutschland besteht ungefähr aus 50.000 Anhänger*innen, wozu mehr als 200 deutsche Konvertit*innen zählen. Die Anhänger*innen sind in 225 lokalen Gemeinden organisiert. Die Ahmadiyya hat als einzige muslimische Gemeinde in Deutschland den Körperschaftsstatus in Hessen und Hamburg und ist in Hessen Ansprechpartner für den bekenntnisorientierten Religionsunterricht. Sie versteht sich im Gegensatz zu den 72 weiteren muslimischen Glaubensrichtungen als eine islamische Reformbewegung, da sie an den in Nordindien erschienenen Mirza Ghulam Ahmad als "Verheißenen Messias" glaubt, der den ursprünglichen Islam wiederbelebt habe. Seit dem Tod des Gründers wird ein Khalif als Oberhaupt der Gemeinde gewählt. Der aktuelle Khalif hat seinen Wohnsitz in London, während die vorherigen Khalifen ihren Wohnsitz nach der Unabhängigkeit Pakistans 1947 in Rabwah, Pakistan, hatten. Daher stammen die meisten Mitglieder der Gemeinde aus Pakistan. Die Ahmadiyya-Muslime werden von dem Großteil der Muslime als Nicht-Muslime betrachtet, zumal die meisten Muslime Jesus als den Verheißenen Messias ansehen und noch auf seine Wiederkehr warten. Die Mehrheit der Muslime ist sich auch einig darüber, dass es nach dem Heiligen Propheten Mohammed keinen neuen Propheten geben darf. Die Ablehnung der Ahmadiyya durch andere Muslime führt zur Diskriminierung und Verfolgung ihrer Mitglieder in fast allen islamischen Ländern der Welt. In Pakistan ist die religiöse Verfolgung der Ahmadiyya sogar gesetzlich verankert. So kommt es, dass viele Ahmadiyya-Muslime Asyl in Deutschland bekommen.

In welcher Weise hat der Verheißene Messias nun den Islam reformiert, wie die Ahmadiyya es proklamiert? Er hat den Dschihad mit dem Schwert für überholt erklärt und an dieser Stelle eine wortwörtliche Interpretation des Korans abgelehnt. Allerdings erfolgte bei anderen theologischen Debatten des Islam, beispielsweise Frauenrechte oder Homosexualität, keine kritische Auseinandersetzung mit der Überlieferung des Korans. Jede Frau in der Ahmadiyya ist verpflichtet, sich zu verhüllen, ansonsten drohen Warnungen und soziale Beschämung in der Gemeinde. Eine strikte Geschlechtertrennung soll in allen Lebensbereichen außerhalb der Familie eingehalten werden. So sollen Liebesheiraten verhindert werden, denn Ehen werden innerhalb der Gemeinde stets arrangiert, sonst kann – vor allem für Frauen – ein Ausschluss aus der Gemeinde drohen.

Der Khalif propagiert weiterhin sehr traditionelle Geschlechterverhältnisse und patriarchale Rollenzuordnungen zwischen Mann und Frau. Die Frauen in der Ahmadiyya sind zwar hochgebildet, dennoch sollen sie, laut Empfehlung des Khalifen, sich vor allem bilden, um ihre Kinder gut erziehen zu können. Die höchste Priorität der Frauen sollten der Haushalt und die Kinder sein. Homosexualität ist verboten und wird tabuisiert, da sie als unnatürlich angesehen wird. Der selbstverwendete Begriff "Reformgemeinde" suggeriert dagegen eine Modernisierung des Islams, die in der Ahmadiyya in keiner Weise stattfindet. Stattdessen kann man in dem Wirken der Ahmadiyya eine Rückkehr zum ursprünglichen, konservativen Islam beobachten.

Die religiöse Indoktrination von Kindern sowie die Geschlechtertrennung beginnen früh. Mit sieben Jahren treten alle Ahmadi-Mädchen automatisch in den Mädchenverband der Ahmadiyya Nasirat-ul-Ahmadiyya und die Jungen in den Jungenverband Atfal-ul-Ahmadiyya ein. In diesem jungen Alter werden die Kinder schon über Gottesfurcht, Gehorsamkeit gegenüber dem Khalifen und den absoluten Wahrheitsanspruch der Ahmadiyya unterrichtet. Suren des Korans werden von den Kindern auswendig gelernt, ohne die Übersetzung zu verstehen. Neben der Vermittlung von religiösem Wissen werden die Kinder bei diesen Veranstaltungen dazu erzogen, gemeindekonforme Ahmadi-Muslim*innen zu sein. Ansonsten drohen im Diesseits soziale Ächtung in der Gemeinde und im Jenseits Strafen in der Hölle. Kleine Mädchen sollen sich möglichst früh daran gewöhnen ein Kopftuch zu tragen, damit sie später keine Anpassungsprobleme in der Schule bekommen.

Mindestens einmal im Monat findet eine geschlechtergetrennte Veranstaltung der Ahmadiyya-Unterorganisationen (Männer, Frauen, Jungen, Mädchen) statt. Dabei versprechen die Mitglieder wieder und wieder, von der Kindheit an, sich allen Anweisungen des Khalifen zu unterwerfen und für ihn alle Opfer zu erbringen. Die Stimme Gottes im Koran ist sowieso unantastbar, genauso die Überlieferungen des Propheten Mohammed und die Schriften des Verheißenen Messias. Kritik am Khalifen, an seiner Auslegung des Korans oder seinen Anweisungen sind innerhalb der Gemeinde nicht möglich, da man als abtrünnig dargestellt wird und den Ruf in der eigenen Community verlieren würde.

Gleicht das schon einem Führerkult?

Neben den religiösen Veranstaltungen werden auch Freizeitprogramme wie Koch- und Bastel-Nachmittage, Ausflüge oder Sportwettbewerbe angeboten. Bei diesen internen Freizeitangeboten brauchen die Kinder und ihre Eltern keine Angst zu haben, dass sie von Andersdenkenden zu schlechten Taten oder einer westlichen Lebensweise verführt werden könnten. Durch diese Veranstaltungen werden Kinder von Anfang an an die Ahmadiyya-Gemeinde gebunden. Weiterhin existiert das Projekt Waqf-e-Nau (Die versprochenen Kinder), womit man das eigene Kind der Ahmadiyya widmen kann. Das bedeutet, dass diese Kinder in besonderem Ausmaß religiös ausgebildet werden und der Khalif später über die Berufswahl des Kindes entscheiden kann, je nachdem welche Fachkräfte der Ahmadiyya fehlen.

Die Ahmadiyya-Gemeinde bestimmt so über die Lebensweise und die Freizeit ihrer Anhänger*innen. Daher bergen die oben beschriebenen Veranstaltungen die Gefahr einer Abschottung und Abgrenzung gegenüber der deutschen Mehrheitsgesellschaft in Form einer Parallelgesellschaft. Alles Gute und Richtige findet für Ahmadis nur innerhalb der geschlossenen Ahmadiyya Community statt. Wenn Kontakt zu der deutschen Gesellschaft stattfindet, dann punktuell im Rahmen von sogenannten interreligiösen Dialogen, die vor allem als Plattform zur Missionierung dienen.

Der Khalif gibt als Oberhaupt der Gemeinde Anweisungen über alle Lebensbereiche der Gemeinde-Mitglieder, die von den Mitgliedern streng befolgt werden müssen. Ansonsten können Sanktionen drohen und im schlimmsten Fall eine Exkommunikation aus der Gemeinde erfolgen. Die Einhaltung dieser Gebote wird durch die enge Gemeinschaft in den lokalen Gemeinden sozial kontrolliert, zum Beispiel wird weitererzählt, wenn ein Mädchen ohne Kopftuch gesehen wird. Dies führt zu einem starken Konformitätsdruck und lässt keinen Raum für eine freie persönliche Entwicklung ohne Schuld und Angst.

Außerdem bestehen innerhalb der Gemeinde Gremien, die das religiöse Verhalten der Mitglieder kontrollieren und sie bei Fehltritten verwarnen sollen. Die Ahmadiyya behält sich vor, die religiösen Aktivitäten der Mitglieder abzufragen und zu überwachen. Dazu werden monatlich offizielle Berichte verfasst, in denen Fragen gestellt werden wie: Betest du fünfmal am Tag? Rezitierst du täglich den Koran? Wie viele Freitagsansprachen des Khalifen hast du gehört? Wie viele Briefe mit der Bitte zum Gebet hast du dem Khalifen geschrieben? Wie viele Personen missionierst du zurzeit? Wie viele Bücher/Flyer hast du verteilt?

Neben den vordefinierten Fragen werden regelmäßig Berichte über die Einhaltung der Regeln der Ahmadiyya beziehungsweise deren Übertretung verfasst. Wird das Kopftuch getragen? Wer verpasst die regelmäßigen Veranstaltungen? Wurde die strikte Geschlechtertrennung eingehalten? Das Leben des Einzelnen wird auf die Freizeit und Freunde (beispielsweise Besuch von Kinos oder Diskotheken), Kleidung, Social-Media-Präsenz bei Facebook und Instagram, das Liebesleben (zum Beispiel keine vorehelichen Beziehungen und der Druck, rechtzeitig und innerhalb der Gemeinde zu heiraten) und sogar die Berufswahl kontrolliert. Beispielsweise sollen Frauen keine Berufe wie Juristin oder Politikerin auswählen, bei denen sie öffentlich in Kontakt mit Männern treten.

Die Struktur der Ahmadiyya-Gemeinde ähnelt der einer geschlossenen, kultischen Gruppierung. Der Einfluss auf die alltägliche Lebensgestaltung jedes Mitglieds ist grenzüberschreitend. Sogar bei persönlichen Konflikten wie Studien- und Berufswahl oder Eheproblemen wird empfohlen, dem Khalifen einen Brief zu schreiben und seinem Rat zu folgen. Seine Anweisungen werden bei den regelmäßigen Veranstaltungen vorgelesen und müssen eingehalten werden. Ist das die Aufgabe eines spirituellen Oberhauptes oder gleicht das schon einem Führerkult?

Eine überwachende, streng hierarchisch organisierte und ausbeutende Gruppenstruktur

Weiterhin weist die Ahmadiyya eine überwachende, streng hierarchisch organisierte und ausbeutende Gruppenstruktur auf. Die meisten Gruppenmitglieder müssen eine ehrenamtliche Aufgabe in der lokalen Gemeinde übernehmen, damit das Gemeindeleben funktioniert. Jede lokale Gemeinde besteht aus verschiedenen Abteilungen: Bildung, Erziehung, Kinder/Jugend, Finanzen, Missionierung und Sport. Diese sind auch auf regionaler und nationaler Ebene organisiert. Auch leisten alle Mitglieder neben dem Mitgliedsbeitrag einen finanziellen Beitrag für verschiedene Projekte der Ahmadiyya wie das 100-Moscheen-Projekt, Ausbildung von Imamen und jährliche Versammlungen der Ahmadiyya.

Die Kontakte zur Außenwelt sind vor allem durch manipulative Anwerbemethoden gekennzeichnet, ansonsten findet eine Abkapselung von der Mehrheitsgesellschaft durch eine eigene Parallelwelt statt. Falls jemand sich traut, aus der Konformität dieser Parallelwelt auszubrechen, wird die Person ausgestoßen. Ausgestoßene und Aussteiger*innen werden zudem zu Unpersonen erklärt. In der Moschee wird die betreffende Person öffentlich benannt mit der Anweisung zum Kontaktabbruch. Kritiker*innen innerhalb der Gemeinde werden eingeschüchtert und diffamiert, wobei Kritiker*innen von außen mit Gerichtsprozessen mundtot gemacht werden sollen. Zum Beispiel wurde Necla Kelek 2018 zuletzt wegen der Verwendung des Begriffs "Sekte" im Kontext der Ahmadiyya auf 100.000 Euro verklagt.

Die meisten der aufgeführten Informationen und Erlebnisse bleiben allerdings innerhalb der Ahmadiyya-Gemeinde. Nach außen hin propagiert die Ahmadiyya auf Diskussions-Veranstaltungen, dass es keinen Zwang im Glauben gebe. Mit Mitteln der Öffentlichkeitsarbeit wird ein der Wirklichkeit entgegengesetztes positives Bild der Gemeinde in der Öffentlichkeit gezeichnet. Diese häufig vorkommende Diskrepanz zwischen Selbstdarstellung und Realität bei bestimmten Gruppierungen beschreibt man als "esoterische Kluft" und "kognitive Dissonanz".

Bekannte Slogans der Ahmadiyya sind zum Beispiel "Liebe für alle, Hass für keinen", "Muslime für Frieden" oder "Wir alle sind Deutschland". Dadurch soll der Eindruck einer offenen, toleranten, friedliebenden und loyalen Gemeinde erweckt werden, die sich für den Austausch und Frieden zwischen Religionen einsetzt. Neben den interreligiösen Dialogen organisiert die Ahmadiyya den "Tag der offenen Moschee", Islam-Ausstellungen, Podiumsdiskussionen an Universitäten und vieles mehr, um ständig Präsenz zu zeigen. Dabei wird behauptet, dass diese Veranstaltungen nicht der Missionierung, sondern der Aufklärung über den Islam dienen würden, obwohl das Ziel der Missionierung gleichzeitig intern klar kommuniziert wird.

Bei den Dialogabenden geht es häufig nicht um offenen Austausch oder Aushandlung von Werten, sondern leere Liebes- und Friedensbekundungen sowie schöne Slogans, die nur eingeschränkt der gelebten Realität in der Gemeinde entsprechen. Von Liebe sind alle ausgeschlossen, die nicht die Regeln der Ahmadiyya einhalten, Frieden kann es nicht bei absolutem Wahrheitsanspruch, Kontrolle und sozialem Gossip geben und Treue gegenüber dem Staat hört schon auf, wenn nicht von einer Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern, sondern nur von einer Gleichwertigkeit der Geschlechter vor Gott gepredigt wird.

Während die Frauenorganisation der Ahmadiyya Lajna Imaillah bundesweite Aktionen zum Anlass des Weltfrauentages plant, um Lobesreden auf die Rolle der Frau im Ahmadiyya-Islam zu halten, fühle ich mich als Frau und Mitglied dieser Gemeinde verpflichtet, einen Artikel unter meinem Pseudonym zu schreiben, um auf die besondere Benachteiligung der Frauen in der Ahmadiyya-Gemeinde hinzuweisen.

Bei Reddit gibt es ein Aussteigerforum mit einer großen Wissenssammlung zur Ahmadiyya und weiteren Verweisen.

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