Urteil des Bundesverwaltungsgerichts

Klage abgewiesen: Kein Natrium-Pentobarbital zur Lebensbeendigung

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Harald Mayer (im Rollstuhl), einer der beiden Kläger, während einer Demonstration vor der Verhandlung am 26.10. vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Harald Mayer, einer der beiden Kläger

Harald Mayer und Hansjürgen Brennecke leiden an schweren Krankheiten und wollen ihr Leben beenden, ohne die Hilfe eines Arztes oder einer Sterbehilfeorganisation. Sie beantragten daher beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Erlaubnis zum Erwerb von Natrium-Pentobarbital. Das BfArM lehnte ihre Anträge unter Berufung auf das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) ab. Dagegen klagten die beiden vor dem Verwaltungsgericht Köln, vor dem Oberverwaltungsgericht NRW und schließlich vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) (der hpd berichtete).

Das BVerwG folgte in seinem Urteil nun den Vorinstanzen und der Argumentation des BfArM und wies die Klage ab. "Medizinische Versorgung im Sinne der Vorschrift [BtMG, Anm. d. A.] meint die Anwendung eines Betäubungsmittels zur Heilung oder Linderung von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden. Eine solche therapeutische Zielrichtung hat die Beendigung des eigenen Lebens grundsätzlich nicht", heißt es in der gestrigen Pressemitteilung des BVerwG zur Urteilsverkündung.

Kein Natrium-Pentobarbital für die Suizidhilfe

Prof. Robert Roßbruch, der Anwalt der beiden Kläger, ist enttäuscht und sagte der Süddeutschen Zeitung: "Das ist ein schwarzer Tag für die beiden Kläger und ein schwarzer Tag für alle suizidwilligen Menschen in Deutschland, die die Hoffnung hatten, sich mit Natrium-Pentobarbital suizidieren zu können, um ihr Leid zu beenden."

Zur Begründung führt das BVerwG aus, dass es für die Kläger andere Möglichkeiten gebe, um ihr Ziel der Lebensbeendigung zu erreichen. Die Versagung der Erlaubnis zum Erwerb von Natrium-Pentobarbital stelle zwar eine Einschränkung des Rechts auf selbstbestimmte Lebensbeendigung dar. Es sei abzuwägen zwischen dem Schutz vor Miss- und Fehlgebrauch und dem Grundrecht der Beschwerdeführer. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass es den Klägern im Hinblick auf das Gemeinwohl zumutbar sei, auf andere bestehende Möglichkeiten der Suizidhilfe zurückzugreifen.

Seit das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Februar 2020 festgestellt hat, dass es ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben gibt, finden in Deutschland Freitodbegleitungen in dem vom BVerfG vorgegebenen Rahmen statt. Zwei Sterbehilfeorganisationen, DIGNITAS Deutschland e. V. und der Verein Sterbehilfe bieten Hilfen an, wenn die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind. Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) vermittelt ihren Mitgliedern die Möglichkeit einer ärztlichen Freitodbegleitung, die an eine Reihe von Sicherheits- und Sorgfaltskriterien gebunden ist. Weiter dürfen alle Ärzt:innen in Deutschland seit 2020 wieder Hilfe beim Suizid leisten, ein entsprechendes Medikament zur Verfügung stellen und bei der Anwendung assistieren. Voraussetzung ist auch hier, dass die Sterbewilligen die Entscheidung zur Lebensbeendigung freiverantwortlich getroffen haben und den letzten Schritt, die Einnahme des tödlich wirkenden Mittels, selbst vornehmen, das heißt eine Infusion selbst in Gang setzen.

Was bedeutet das Urteil des BVerwG vom 7. November für die Suizidhilfe?

Diese Hilfe durch Ärzt:innen und Vereine wollen die Kläger nicht in Anspruch nehmen. Ihr Wunsch ist es, ein sicheres Mittel für einen sanften Tod zu erhalten. Sie wollen ihr Leben zu einem selbst gewählten Zeitpunkt, ohne Anwesenheit Dritter, im vertrauten Kreis von Menschen, die ihnen wichtig sind, beenden. Das dafür am besten geeignete Mittel ist Natrium-Pentobarbital, das ihnen nach wie vor verweigert wird. Hier geht es um ein grundsätzliches Anliegen, das auch andere Menschen haben. Es geht um Personen, die einen assistenzlosen und arztfreien Weg für ihr selbstbestimmtes Lebensende wünschen. Für sie gibt es derzeit keine entsprechende Möglichkeit. Die meisten Freitodbegleitungen werden mit einem Mittel durchgeführt, dass zwar sanft und sicher wirkt, aber nur über eine Infusion angewendet werden kann. Eine assistenzlose Lebensbeendigung ist auf diese Weise nicht möglich. Die orale Methode mit Medikamenten, die nicht dem BtMG unterliegen, wird selten angewandt. Diese Mittel haben einige Nachteile gegenüber dem in der Schweiz seit vielen Jahren verwendeten Natrium-Pentobarbital. Dies kann sowohl oral als auch per Infusion für die Freitodhilfe eingesetzt werden. Der Zugang zu Natrium-Pentobarbital würde die Suizidhilfe sicherer machen.

Ein weiterer Aspekt, der für viele Sterbewillige von Bedeutung ist, ist die Möglichkeit, ein geeignetes Sterbemittel ohne Arzt zum Beispiel über die Erwerbserlaubnis des BfArM zu erhalten. Denn auch wenn alle Ärzt:innen in Deutschland das Recht haben, beim Freitod zu helfen, müssen sie es nicht tun. Jeder darf, aber keiner muss. Wer sich also nicht an einen Verein wenden will, hat das Problem, einen Arzt oder eine Ärztin zu finden, der oder die bereit ist, ein todbringendes Medikament zu verschreiben. Auch wenn Umfragen immer wieder zeigen, dass es in der Ärzteschaft einen Teil gibt, der grundsätzlich zur Freitodhilfe bereit ist, sind diese Personen nicht in jedem Fall zur Hilfe bereit. Das BVerfG hat festgestellt, dass es keine Beschränkung auf bestimmte Gründe, Krankheiten, Krankheitsphasen oder Lebensalter gibt. Diese Entscheidung bindet zwar den Gesetzgeber, der hier keine Einschränkungen per Gesetz vornehmen darf, nicht aber die Ärzteschaft. Ärzt:innen können ihr Recht auf Gewissensfreiheit in Anspruch nehmen und entscheiden, ob und wann sie zur Freitodhilfe bereit sind. Gerade Menschen, die nicht schwer krank sind, deren Tod noch nicht unmittelbar bevorsteht, werden kaum eine Chance haben, ärztliche Hilfe zu finden. Auch für diese Gruppe wäre die Möglichkeit, über eine Erlaubnis des BfArM Natrium-Pentobarbital zu erhalten, in vielen Fällen der einzig mögliche Weg, wenn sie sich nicht an einen Verein wenden wollen.

Ein langer Weg zu Freiheit und Selbstbestimmung am Lebensende

Hauptgrund für die Ablehnung waren Sicherheitsbedenken. Hier müssen nun weitere Überlegungen angestellt werden. Wie kann man nicht nur die Abgabe, sondern auch die Aufbewahrung und Anwendung von Natrium-Pentobarbital so gestalten, dass die Sicherheitsbedenken weitgehend ausgeräumt werden können? Das Sterbeverfügungsgesetz in Österreich sieht vor, dass Menschen nach einem langen und umständlichen Verfahren schließlich Zugang zu Natrium-Pentobarbital zur Eigenanwendung erhalten. Auch im US-Bundesstaat Oregon bekommen terminal Erkrankte mit einer maximalen Lebenserwartung von sechs Monaten entsprechende Mittel zur Selbstverabreichung. In den Niederlanden, wo der Zugang zur Sterbehilfe restriktiv geregelt ist, wird seit Jahren um einen arztunabhängigen Weg für Menschen gerungen, die nach niederländischem Recht keinen Zugang zur Sterbehilfe haben. Kürzlich lehnte die Zweite Kammer des niederländischen Parlaments ein umfangreiches Konzept für einen Modellversuch ab, in dem die Möglichkeiten eines assistenzlosen Suizids erforscht werden sollten.

Wie man sieht, lassen Freiheit und Selbstbestimmung auch hierzulande auf sich warten. Es gibt derzeit noch viele Elemente der Fremdbestimmung in den Zugangsverfahren zur Suizidhilfe. Solange man sich nicht sicher sein kann, den Entschluss, sein Leben zu beenden, auch tatsächlich umsetzen zu können – immer unter der Bedingung, dass die Voraussetzungen erfüllt sind – läuft das Grundrecht in vielen Fällen ins Leere. Rechtsanwalt Roßbruch, der auch Präsident der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben ist, kündigte bereits Verfassungsklage an.

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