Debatte

Was meint ihr denn mit "Humanismus"? Sieben Sätze könnten Klarheit schaffen (Teil 3)

saeulen.jpg

MARBURG. (hpd) Der "Humanismus" scheint Konjunktur zu haben. So könnte es scheinen, wenn man sich anschaut, wo, von wem und wie dieser Begriff heute verwendet wird. Christian Walther hat genauer hingeschaut und sieben Vorschläge erarbeitet, wie man Humanismus definieren könnte.

Viertens: Das Streben nach Anstand und Gerechtigkeit – ohne Erwartung eines Lohns oder Angst vor Strafe in einem "Jenseits" - beinhaltet die Überzeugung, dass dieses Streben auch für einen selbst gut ist.

Mancher reflektiert das wohl gar nicht, aber anders ist die Motivation, nach Gutem zu streben, philosophisch (also nicht: psychologisch) kaum zu begründen. Man kann einen Schritt weiter gehen und als Konsequenz zur Aussage kommen: Es gibt zwar kein "jüngstes Gericht" o.ä., aber jeder weiß von der Unumkehrbarkeit der Zeit; folglich bleiben alle schlechten Taten, die man begeht, als negative Bilanzposten für das eigene Leben bis zu dessen Ende bestehen. In Umkehrung der christlichen Heilsbotschaft ("Vergebung") könnte man hinzufügen, dass es nach dem Tode zwar keinen Lohn für gutes, aber eben auch keine Strafe für schlechtes Handeln gibt. Die vierte Aussage läuft letztlich darauf hinaus, dass ein gutes Leben sich nicht erschöpft in dem, was sich angenehm anfühlt, etwa in materiellem Wohlstand, Gesundheit etc.. Wenn man dies betont, riskiert man allerdings, von anderen als ein "Moralist" (Nietzsche z.B. spottete über Schiller als den "Moraltrompeter von Säckingen") bewertet zu werden, der entweder den Freuden des Lebens wenig zugewandt oder ein Heuchler ist...

Wenn man nicht an eine spätere ausgleichende Gerechtigkeit glaubt (also an ein Gericht im "Jenseits" oder am "jüngsten Tage"), dann führt dies geradewegs zur Frage, ob und wie wir fertig werden mit dem, was wir ganz allgemein als "die Ungerechtigkeit dieser Welt" bezeichnen. Für jeden, der sich um Anstand und Gerechtigkeit bemüht, ist es doch provozierend , dass andere unter Missachtung dieser Prinzipien ein "gutes" Leben genießen. Es geht aber auch darum, dass "das Schicksal" den Menschen gewaltige Unterschiede beschert. Wie soll man z.B. damit umgehen, wenn einem ein Kind oder eine andere geliebte Person durch eine Krankheit geraubt wird, wo doch anderen solch ein Schicksal erspart wird? Unser Verstand kann zwar den behaupteten Trost anderer Weltanschauungen oder Religionen als Täuschung entlarven, aber er kann uns nichts Tröstliches sagen. Uns bleibt nur die Erfahrung, dass es Mitleid, Solidarität und Hilfsbereitschaft gibt und dass man dadurch Trost empfangen bzw. gewähren kann. Anzumerken wäre hier noch, dass für einen Humanisten die Antwort auf die – intellektuell sinnlose – Frage nach dem "Sinn des Lebens" nur darin bestehen kann, dem Leben selber Sinn zu geben, also "sinnvoll" zu leben statt sein Leben womöglich zu verpfuschen.

Fünftens: Die ethischen Massstäbe unseres Verhaltens sollen gegenüber allen Menschen gelten, d.h. nicht davon abhängen, ob jemand zur eigenen Gruppe (Familie, "Clan" , Volk) gehört oder sich von uns teilweise unterscheidet, z.B. durch seine Hautfarbe oder Religion.

Eine frühe, noch nicht so umfassende Aufforderung dieser Art ist in dem Gleichnis vom Barmherzigen Samariter (im Neuen Testament, Lukas, 10,25-37) enthalten, der einem Verletzten, den er auf seinem Wege fand, half, obwohl er nicht zur eigenen (ethnischen / religiösen) Gruppe gehörte. Diese Forderung ist z.B. auch eine klare Absage an Nationalismus oder Herrenmenschentum. Man soll die Augen nicht davor verschliessen, dass frühere Denker des Humanismus – aber auch die Anhänger von Religionen – immer in historisch überkommenem Denken befangen waren. Sklaven wurden in der Antike nicht als Problem gesehen, Naturvölker in der Neuzeit als minder bewertet, Frauen erst in jüngerer Zeit als den Männern ebenbürtig anerkannt, um nur die vielleicht wichtigsten Beispiele zu nennen. In hundert Jahren wird man sicher auch wieder irgend eine Befangenheit unseres heutigen Humanismus feststellen können. Ein wesentlicher Punkt wird dann vielleicht unsere Vorstellung vom richtigen Umgang mit Tieren sein sowie unser Engagement für Verbesserungen auf diesem Gebiet.

Sechstens: Das Streben nach einem umfassend guten Leben beinhaltet ein echtes Interesse an Fragen von Erziehung und Bildung.

Heute weiss man, dass wichtige Voraussetzungen für ein im weitesten Sinne gutes Leben in der Kindheit und Jugend geschaffen werden. Die Geschichte der Pädagogik darf man durchaus als ein Ringen um bessere Konzepte im Sinne humanistischer Ideale lesen. Dies sollte nicht als Einengung auf die Entwicklung zum Humanistischen Gymnasium im 19. Jahrhundert (z.B. W. von Humboldt, F.I. Niethammer) missverstanden werden, welches aus einer "neuhumanistischen" Gegenbewegung zum "Philanthropismus" (z.B. J.B. Basedow , Joachim Heinrich Campe) der Aufklärungszeit entstand.

Ob man sich heutzutage wirklich für das interessiert, was in Kitas und an Schulen passiert, hängt nicht nur davon ab, ob man selber gerade Kinder im entsprechenden Alter hat, sondern ganz allgemein von den kulturellen Prioritäten, die man als Erwachsener entwickelt hat. Manch einer wäre wohl erstaunt, wenn er gefragt würde, ob er sich z.B. schon einmal einen Lehrplan für Ethik oder Geschichte angeschaut hat und ob ihm so etwas wichtig erscheint für unsere Gesellschaft. Das könnte sich aber schnell ändern, wenn jemand anderes Kritik und Vorschläge zu gegenwärtigen Lehrinhalten und Lernmethoden äußert. Kommt dabei dann explizit humanistisches Gedankengut ins Spiel, dann bewirkt dies womöglich, dass auch eine anfängliche Indifferenz gegenüber dem heutigen Humanismus in kritisches Interesse umschlägt...

Wenn vom heutigen Humanismus irgendwelche "Botschaften" an die Gesellschaft ausgehen sollen, dann wohl am ehesten im Erziehungsbereich. Wir sollten nicht müde werden, die Forderung nach einem Schulfach, das Ethik und Religionskunde enthält zu stellen in Anlehnung an das Beispiel Berlin-Brandenburg, wo die Welt nach Einführung von "LER" (Lebensgestaltung - Ethik – Religion) bekanntlich nicht untergegangen ist. Man sollte sich dabei auch immer wieder durch konkrete Erfolge im bescheideneren Rahmen ermutigen lassen, z.B. die Humanistische Lebenskunde, die der HVD schon länger (bislang nur regional) anbietet, sowie die vor kurzen bei der GBS entwickelten Lehrmaterialien zum Thema Evolution an Grundschulen. Wenn auch künftig, womöglich vermehrt, humanistische Kritik – z.B. an den Waldorfschulen und den seltsamen Ideen der anthroposophischen Gesellschaft - sowie Themen und Projekte in den Bildungssektor hineingetragen werden, dann bedeutet das immer auch, dass der Humanismus "Flagge zeigt" (natürlich eignen sich dafür auch noch andere Bereiche, etwa die Sterbehilfe). Humanistische Bildungsexperten werden jedoch zur Bewältigung der zahlreichen Probleme bei Jugendlichen auch immer wieder mit weltanschaulich anders orientierten Kollegen zusammenarbeiten. Man denke z.B. an den heutigen Medienkonsum, - wobei man fragen könnte, ob die von manchen Anhängern der GBS vertretene Forderung nach "Religions-freien Zonen" nicht besser in "Fernseh-freie Zonen" verwandelt werden sollte...

wird fortgesetzt

Teil 1 der Serie
Teil 2 der Serie