Mekka macht dicht – zum ersten Mal seit über 150 Jahren

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So sieht es normalerweise zur Pilgerzeit an der Kaaba aus
Menschengedränge um die Kaaba

In Saudi-Arabien beginnt in diesen Tagen der "Haddsch", die traditionelle islamische Pilgerfahrt nach Mekka. Für gewöhnlich finden sich pro Jahr über zwei Millionen Menschen am heiligsten Ort des Islam ein. Dieses Jahr werden es nur wenige Tausend sein, Gläubige aus dem Ausland dürfen überhaupt nicht anreisen. Die coronabedingten Einschränkungen drohen indessen, die lokale Wirtschaft zu zerreiben.

Der Haddsch ist eine der sogenannten Fünf Säulen des Islam: Das Glaubensbekenntnis, die fünf täglichen Gebete, der Zakat (eine Art Almosen für Bedürftige), die Einhaltung der Fastengebote während des Ramadan sowie die Pilgerreise nach Mekka bilden zentrale Elemente muslimischen Lebens.

Die Tradition des Haddsch ist so alt wie der Islam selbst. Muslimische Gelehrte führen die Pilgerfahrt sogar auf Abraham zurück, jenen Stammvater der monotheistischen Religionen, der auf göttliche Weisung hin die Kaaba gebaut haben soll – eben das schwarze, würfelförmige Gebäude, das bis heute den zentralen Platz der wichtigsten Moschee der Welt, der "Masjid al-Haram", dominiert. Historisch gesichert ist, dass der Prophet Mohammed circa 630 unserer Zeitrechnung die Kaaba zu einer zentralen Stelle der islamischen Religionspraxis machte – was sie auch nach 1400 Jahren noch ist.

Dass die für praktizierende Muslime einmal im Leben verpflichtende Pilgerfahrt ausfällt, ist kein historisches Novum, aber doch zutiefst ungewöhnlich: Der indischen Zeitung The Siasat Daily zufolge fiel der Haddsch in 1400 Jahren lediglich 40 mal aus, das letzte Mal Mitte des 19. Jahrhunderts infolge verschiedener Epidemien.

Nicht nur für das religiöse Befinden der Gläubigen ist die jährliche Pilgerreise von immenser Bedeutung, auch die saudische Wirtschaft ist auf die Millionen Besucher*innen angewiesen: Im Jahr 2019 waren von 2,5 Millionen Gläubigen 1,8 Millionen aus dem Ausland angereist, so das saudische Amt für Statistik. Nach einem Report der Association of Chartered Certified Accountants (ACCA), der sich auf Regierungsprognosen bezieht, sollten Haddsch und Umrah – ein nicht an einen speziellen Zeitraum gebundenes Pilgerfahrtskonzept – zwischen 2019 und 2023 etwa 150 Milliarden US-Dollar in die saudische Staatskasse spülen und mehr als 100.000 Arbeitsplätze schaffen. Die Pilgerfahrten sind Saudi-Arabiens zweitgrößte Einnahmequelle nach der Ölförderung.

Doch Covid-19 machte dem saudischen Königshaus einen fetten Strich durch den Businessplan. Wie die BBC berichtet, wird die Zahl der Teilnehmer*innen auf 10.000 begrenzt, zwischenzeitlich sollte sie sogar auf 1.000 reduziert werden. Ausländische Gläubige sind von der Teilnahme vollständig ausgeschlossen.

Während die Imame also vor beinahe leergefegten Plätzen zum Gebet singen, kämpft ein ganzes Land ums Überleben: Egal ob Taxi- und Busunternehmen, Caterer, Bauern oder Reisebüros – hunderttausende Menschen in Saudi-Arabien sind auf den Haddsch angewiesen. BBC hat mit einigen dieser Menschen gesprochen – und diese wissen bisweilen nicht einmal mehr, wie sie ihre Teller füllen sollen, so wenig Arbeit gibt es. Auch ausländische Unternehmen, die Saudi-Arabien während des Haddsch mit Gütern wie Rindfleisch oder Stoffen versorgen, sind durch den Ausfall der Pilgerfahrten ins Straucheln geraten.

Die Regierung ringt noch immer mit der Bekämpfung des Cornavirus – nach offiziellen saudischen Zahlen sind bislang 2.816 Menschen daran verstorben – und die Bevölkerung zehrt an den letzten Reserven.

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