Veranstaltungsbericht

Es gibt eine Menge Säkulares zu tun für die SPD

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Einige Teilnehmer der Veranstaltung und der Referent (oben rechts)
Einige Teilnehmer der Veranstaltung und der Referent

Nach einem ersten Themenabend Ende April hatte der Arbeitskreis der säkularen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Unterbezirk Düsseldorf zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen Düsseldorf – (AsJ) Mettmann-Neuss erneut zu einer Online-Konferenz geladen: Unter dem Titel "Blick nach Berlin – Säkulare Themen des 20. Deutschen Bundestags" berichtete Rolf Schwanitz über die derzeitige politische Lage aus säkularer Perspektive.

Dem AK Säkulare der SPD Düsseldorf ist es gelungen, Rolf Schwanitz als Referenten zu gewinnen. Schwanitz, von 1990 bis 2013 Abgeordneter im Deutschen Bundestag, war in mehreren Bundesregierungen tätig. Er gehört zu jenen Sozialdemokraten, die vor über zwölf Jahren das Netzwerk der Säkularen Sozis mitbegründet haben. Über viele Jahre gehörte er dort zum Sprecherkreis. Heute engagiert er sich für säkulare Interessen im Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) und in der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs).

Der im Jahr 2021 gewählte Bundestag hat 38 Prozent neue Mitglieder. Berücksichtigt man auch die in 2017 neu gewählten Abgeordneten, sind fast zwei Drittel noch keine zwei Legislaturperioden im Bundestag. Noch interessanter sind die Angaben zur Religionszugehörigkeit: Mehr als die Hälfte der Abgeordneten hat es abgelehnt, auf diese Frage der Bundestagsverwaltung zu antworten. Sie betrachten dies als eine rein private Angelegenheit und weigern sich, ihre Arbeit als Abgeordnete mit ihrer Religion oder Weltanschauung zu verknüpfen. Neben dieser im Grunde positiven Entwicklung gibt es jedoch auch die Interessenvertretungen der Kirchen und Dachverbände anderer Religionsgemeinschaften mit weitreichenden Zugangsberechtigungen zu den Räumen des Parlaments.

Die Regierung Scholz habe mit dem Antrag zur Streichung des Paragrafen 219a aus dem Strafgesetzbuch einen guten Schritt gemacht, eine Forderung der Säkularen zu erfüllen. Die erste Lesung dazu fand am 13. Mai dieses Jahres statt.

Bei der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs von Kindern in Kirchen müsse sich die Trennung von Staat und Kirchen erst noch beweisen. Viele Missbrauchsopfer berichten, dass sie von Polizei und Staatsanwaltschaft Desinteresse und Ablehnung statt Hilfsbereitschaft und Empathie erfahren. Neben der strafrechtlichen Aufarbeitung ist aus säkularer Sicht die Vernetzung zwischen Ermittlungsbehörden und Kirchen aufzudecken und zu unterbinden.

Einen gewichtigen Teil der Diskussion nahm die Abschaffung der besonderen Staatsleistungen an die Kirchen in Anspruch. Der Koalitionsvertrag sieht die Erarbeitung eines Grundsätzegesetzes in einem "fairen Dialog" mit den Kirchen vor. Der Referent äußerte die Befürchtung, dass ein Gesetzentwurf der Kirchensprecher von FDP, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke wieder reaktiviert wird. Der Kern des Entwurfes ist der Leitgedanke des Äquivalenzprinzips. Der Referent dazu:

"Das bedeutet, die Entschädigung an die Kirchen muss so hoch sein, dass sie kapitalisiert einen dauerhaften Ertrag in der Höhe der heutigen Staatsleistungen erbringen kann, also immerwährende Leistungen. Abweichungen davon sind nur einvernehmlich möglich. Die Entschädigungshöhe ist das 18,6-fache von 2020, bei einer Zahlung über 20 Jahre. Das ist keine Ablösung, sondern faktische Umwandlung und Verewigung!"

Ein weiteres der säkularen Themen für die laufende Legislaturperiode ist die Abschaffung von Sonderbestimmungen für Arbeitnehmerrechte und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (Antidiskriminierungsgesetz). Alle nicht glaubensbezogenen Tätigkeiten seien den allgemein gültigen Gesetzen (Betriebsverfassungsgesetz und Tarifrecht) zu unterwerfen.

Ein eher der Religionsfolklore zuzuordnendes Gesetz ist der Paragraph 166 Strafgesetzbuch – der sogenannte "Blasphemie-Paragraph", der immer noch Geld- oder Freiheitsstrafe vorsieht. Es sei zu hoffen, dass im Zuge der Vereinfachung des Strafrechts dieser Straftatbestand ersatzlos gestrichen wird.

Ein immer wieder auf der Tagesordnung auftauchendes Thema ist das Inkasso der Steuerbehörden für die Kirchen und der Kirchenaustritt als eine vor dem Amtsgericht vorzunehmende Handlung. Es sei ein Verstoß gegen die "Informationelle Selbstbestimmung" und gegen ein Grundrecht, wenn durch den Eintrag in der Lohnsteuerkarte der Arbeitnehmer seine Zugehörigkeit beziehungsweise seine Nichtzugehörigkeit zu einer Kirche offenlegen müsse.

Der Referent berichtete außerdem über "Re-Christianisierungsbestrebungen" in den aus der DDR entstandenen Bundesländern. Für westdeutsche Ohren mag es wie eine amüsante Anekdote klingen, für die Betroffenen sei es aber eine ernste Angelegenheit. In manchen Regionen zählten kirchliche Sozialbetriebe oder Wohlfahrtsorganisationen zu den größten Arbeitgebern. Bei Bewerbungen werde dezent darauf hingewiesen, dass ein Kircheneintritt hilfreich sein könnte.

Auch im politischen Berlin hätten in den letzten Jahren – ab circa 2008 – Aktivitäten im Rahmen dieser Re-Christianisierung zugenommen, wie zum Beispiel die Sternsinger im Bundestag, Einsegnungen von Ministerien etc. So etwas habe es früher nicht gegeben, nicht in Berlin und schon gar nicht in Bonn.

Für eine sozialdemokratische Partei in der Bundestagsfraktion gebe es in der laufenden Legislaturperiode eine Menge von zu bearbeitenden Aufgaben. Einige der Probleme mögen nur ärgerlich sein, die Beseitigung anderer ist wesentlich für das Funktionieren eines demokratischen Staates.

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