Ein kurzer Exkurs in die jüngere Vergangenheit

Sozialchauvinismus und Rassismus im politischen Alltag

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BERLIN. (hpd) Zurzeit könnte man den Eindruck gewinnen, dass sich Spitzenpolitikerinnen und -politiker aller Parteien hinsichtlich ihrer Aussagen zum Flüchtlingsthema auf einem beispiellos hohlen Niveau gegenseitig überbieten wollen. Beispiellos? Weit gefehlt! Mithilfe einer Reihe haarsträubender Zitate soll gezeigt werden, wie seit Jahrzehnten Missgunst und Neid in der Bevölkerung geschürt wurde.

Vorab muss gesagt werden, dass diese Liste beliebig erweitert werden könnte. Die verschiedenen Beiträge wurden aus unterschiedlichen politischen Parteien und sonstigen Akteuren ausgewählt, um zu zeigen wie verbreitet Rassismus und Sozialchauvinismus waren, schon lange vor Gründung der Alternative für Deutschland (AfD) im Jahr 2013. Diese Missstände sind allgegenwärtig in den Köpfen vieler Menschen und wären auch dann nicht gelöst, wenn es keine Parteien mehr geben würde mit einem dezidiert rassistischen Programm.

Wolfgang Clement

Von 2002 bis 2005 Bundesminister für Arbeit unter Gerhard Schröder, war er maßgeblich an der Schaffung und Durchsetzung der umstrittenen Hartz-IV – Gesetze beteiligt. Unter anderem durch abfällige Bemerkungen gegenüber Menschen (“Sozialschmarotzer”), die Transferleistung beziehen, sowie durch seine Befürwortung der Deregulierung des Arbeitsmarktes, machte er sich im sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Milieu alles andere als beliebt. Schließlich wurde dieser aus der SPD ausgeschlossen und ist mittlerweile Mitglied der FDP. Darüber hinaus ist er einflussreicher Lobbyist für das Institut Neue Soziale Marktwirtschaft.

"[…] unnachgiebige Konsequenz gegenüber jenen 'schwarzen Schafen', die sich Leistungen erschleichen wollen, das gehört auch zur Gerechtigkeit im Sozialstaat." [1]

Thilo Sarrazin

Auf einer solchen Liste darf auch Thilo Sarrazin nicht fehlen. Neben seiner rassistischen Aussagen fiel er ebenfalls durch eklatanten Sozialchauvinismus auf. Allerdings hat es die SPD bis heute nicht geschafft, im Gegensatz zu Clement, ihn aus der Partei rauszuwerfen. Das folgende Zitat enthält so viel Kälte, dass sich so manchem die Nackenhaare sträuben werden.

"Wenn man sich das anschaut, ist das kleinste Problem von Hartz-IV-Empfängern das Untergewicht." [2]

Horst Seehofer

Viel muss vermutlich über den bayrischen Ministerpräsidenten und CSU-Chef nicht gesagt werden. Dieser Politiker scheint tatsächlich jedes Maß verloren zu haben und profiliert sich jeden Tag auf’s Neue mit dumpf-rassistischer Rhetorik. Gegenwärtig werden die AfD-Politikerinnen Frauke Petry und Beatrix von Storch wegen ihrer Schießbefehl-Aussagen gegenüber Flüchtlingen (zurecht) heftig kritisiert. Doch bereits einige Jahre vorher durchbrach Seehofer die Hemmschwelle mit gewohnt brutaler Wortwahl:

"Wir werden uns gegen Zuwanderung in deutsche Sozialsysteme wehren - bis zur letzten Patrone" [3]

Erika Steinbach

Die CDU-Politikerin und ehemalige Präsidentin des Vertriebenenbundes schafft es nahezu ständig in die öffentlichen Schlagzeilen. Ihre Aussagen sind häufig erschreckend unreflektiert und man könnte sich fragen, ob sie dies absichtlich betreibt, um zu polemisieren oder "lediglich" verwirrt ist. Nichts desto trotz trägt sie dazu bei, das soziale Klima zu vergiften, indem sie entweder Menschen diffamiert, die nicht heterosexuell orientiert sind, oder offensiven Geschichtsrevisionismus betreibt:

"Ich kann es leider auch nicht ändern, dass Polen bereits im März 1939 mobil gemacht hat." [4]

Jamal Karsli

Im Fall von Karsli handelt es sich um einen früheren Bundestagsabgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen. Er war ein Akteur im Antisemitismus-Streit 2001, in welchem der verstorbene FDP-Politiker Jürgen Möllemann auf Grund antisemitischer Äußerungen gegenüber der Außenpolitik Israels im Nahost-Konflikt herben Gegenwind erntete. Anlass dafür war jedoch Karsli der zuerst Israels Regierung Nazi-Methoden unterstellte und damit die Singularität des Holocausts relativierte. Daraufhin wurde dieser aus der Partei ausgeschlossen, fand aber in der FDP, trotz des Bemühen Möllemanns, dort keine neue politische Heimat, die sich vehement widersetzte. Karsli legte mit wirren Weltverschwörungen nach und scheute auch nicht davor, der rechten Zeitung Junge Freiheit in einem Interview folgenden Beitrag zu liefern.

"Man muss zugestehen, dass der Einfluss der zionistischen Lobby sehr groß ist: Sie hat den größten Teil der Medienmacht in der Welt inne und kann jede auch noch so bedeutende Persönlichkeit 'klein' kriegen. Denken Sie nur an Präsident Clinton und die Monica-Lewinsky-Affäre. Vor dieser Macht haben die Menschen in Deutschland verständlicherweise Angst." [5]

Guido Westerwelle

Der ehemalige Bundesaußenminister und frühere Identifikationsfigur der FDP warb besonders mit Kampagnen zur Steuersenkung, womit er seiner Partei bei den Bundestagswahlen 2009 einen großen Erfolg bescherte. Seitdem nahm seine Popularität kontinuierlich ab, was vermutlich zum einen mit seiner stellenweise überheblichen Ausstrahlung zu tun hatte und zum anderen mit herablassenden Aussagen gegenüber sozial minderprivilegierten. Sein wohl berühmtestes Zitat verursachte große Empörung und ist wohl mitverantwortlich für den Niedergang der FDP. Der Publizist Andreas Kemper bezeichnet dieses als zeitgenössische "Enttabuisierung und Wiederherstellung der sozialeugenischen Ideologie".

"Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein." [6]

Der Spiegel

Der Spiegel ist zwar keine Person, aber dennoch ein bedeutender Akteur der öffentlichen Meinungsbildung in der Bundesrepublik. Dass es dort hochprofessionelle Redakteurinnen und Redakteure gibt, steht außer Frage. Doch hin und wieder verlieren sich einige Artikel und Schlagzeilen in einer Ausdrucksweise, die Angst schüren und Feindbilder konstruieren anstatt souverän mit bestimmten Thematiken umzugehen. Besonders deutlich trat dies Anfang der 1990er-Jahre hervor, kurz nach dem Fall der Berliner Mauer und der darauf folgenden Vereinigung beider deutscher Staaten. Thema? Flüchtlinge – und zwar aus der DDR. Problematisch daran sind weniger die Inhalte, sondern mehr gewisse Reizworte, die beim Lesepublikum beunruhigende Gefühle auslösen können und einer konstruktiven Debatte eher schaden als nutzen. Da ein einziges Zitat in diesem Zusammenhang nicht ausreicht, sollen nun mehrere markante Sätze aus einem früheren Artikeln vorgestellt werden.

  • "Wieso kommen die noch?"
  • "Im Westen wären viele heilfroh, wenn Leute wie Laubsch endlich dahin zurückgingen, woher sie gekommen sind."
  • "Bei den Bundesbürgern macht sich zunehmend Angst breit, daß diejenigen, die nun Woche für Woche zu Tausenden mühelos die Grenzen passieren, das westdeutsche Sozialsystem sprengen und den Wohnungs- und Arbeitsmarkt zum Kollabieren bringen." [7]

Jürgen Rüttgers

CDU-Politiker Rüttgers war Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen von 2005 bis 2010, sowie Bildungsminister unter Helmut Kohl von 1994 bis 1998. Bereits vor seiner Zeit als Ministerpräsident machte er sich in Bezug auf Einwanderungsfragen durch eine unrühmliche Aussage auf sich aufmerksam, die unter dem Slogan "Kinder statt Inder" bekannt wurde. Besonders unangenehm wurde dieser Vorfall als die rechtsradikalen Republikaner diesen als Werbespruch für die Landtagswahlen 2000 verwendeten. Anstatt Lehren daraus zu ziehen, legte Rüttgers im Jahr 2009 nach, indem er rumänische Arbeitnehmer als faul und unzuverlässig bezeichnete. Kaum verwunderlich, dass Rüttgers die darauf folgende Wahl im eher multikulturell geprägten Bundesland gegen Hannelore Kraft verlor.

"Statt Inder an die Computer müssen unsere Kinder an die Computer" [8]

Edmund Stoiber

Zweifelsohne ist der frühere bayrische Ministerpräsident Stoiber berühmt geworden durch seinen ungeschickten Redestil, der ihn in vielen Situationen verwirrt erscheinen ließ. Dazu zählen seine mittlerweile legendäre Transrapid-Rede oder sein Kommentar zu Bruno dem "Problembär". Doch der Vorgänger von Horst Seehofer machte auch mit kritikwürdigen Positionen zum Thema Migration von sich reden. Bereits 1988 warnte Stoiber in einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung vor einer "durchmischten und durchrassten Gesellschaft". Genau wie sein Nachfolger Seehofer schreckte er nicht davor zurück, undifferenzierte und latent rassistische Devisen von sich zu geben, wie das folgende Zitat zeigen wird.

"Wer randaliert, fliegt raus, und wer kein Deutsch kann, kommt gar nicht erst rein." [9]

Natürlich könnte diese Liste noch beliebig erweitert werden. Leider.


  1. http://www.harald-thome.de/media/files/Gesetzestexte%20SGB%20II%20+%20VO... (Abruf: 16.02.2016).  ↩

  2. http://www.ksta.de/koeln/sarrazins-umstrittenste-zitate,15187530,1200528.... (Abruf: 16.02.2016).  ↩

  3. Politischer Aschermittwoch der CSU, März 2011.  ↩

  4. Klausurtagung der CDU-Fraktion, 08. September 2010, dw.com.  ↩

  5. Zionistische Medienmacht: Neue Aufregung um frischgebackenen FDP-Abgeordneten, 06.05.2002, Handelsblatt.  ↩

  6. Hartz-IV-Debatte: Westerwelle warnt vor Vollversorgerstaat, 11.02.2010, Spiegel Online.  ↩

  7. DER SPIEGEL 8/1990.  ↩

  8. Westdeutsche Allgemeine Zeitung 8. März 2000.  ↩

  9. Politischer Aschermittwoch, Passau 2006, Spiegel Online.  ↩