In eigenen Zooführungen wird Kindern die "Schöpfungsgeschichte" nahegebracht

Tiere der Bibel

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Die "böse" Schlange aus dem Paradies wird hier offensichtlich "bestraft"
Die "böse" Schlange aus dem Paradies

BERLIN. (hpd) Im Hamburger Tierpark Hagenbeck wurden am vergangenen Freitag Kinder missioniert. Ihnen wurden von der katholischen Kirche die "Tiere der Bibel" nahegebracht. Dabei wurde auch ein Walross gesegnet.

Ein "außergewöhnlicher Aktionstag", so die online-Plattform glaubeaktuell.net, fand am 1. Juli 2016 im Hamburger Tierpark Hagenbeck statt: "Insgesamt 600 Viertklässler der katholischen Grundschulen in Hamburg haben zusammen mit Erzbischof Dr. Stefan Heße, und dem Generalsekretär des Bonifatiuswerkes, Monsignore Georg Austen, den Tierpark mit allen seinen Tierarten erkundet."1

Erzbischof segnet Walross (Fotomontage C.Goldner)

Erzbischof segnet Walross (Fotomontage C.Goldner)

Ziel des Aktionstages sei es gewesen, "Kinder auf die vielen kleinen und großen Wunder der Natur aufmerksam zu machen, Tiere als Mitgeschöpfe neu in den Mittelpunkt zu stellen und über sie einen neuen und spannenden Zugang zur Bibel zu bekommen." Organisiert wurde das Ganze vom Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken in Kooperation mit dem Erzbistum Hamburg, dem Katholischen Schulverband Hamburg und dem Tierpark Hagenbeck selbst. Selbstredend gab es einen von Erzbischof Heße höchstpersönlich zelebrierten Kindergottesdienst und als Höhepunkt die Segnung eines Walrosses. O-Ton Schuldezernent Erhard Porten: "Gott hat den Tieren einen ganz besonderen Platz in seiner Schöpfung gegeben. Und genau das wollen wir den Kindern mit diesem Tag ins Gedächtnis rufen – und sie zum Nachdenken animieren."2

Kreationistische Vorzeichen

Schon 2010 hatte das Bonifatiuswerk in Zusammenarbeit mit den Direktoren der Zoos in Dortmund, Köln und Berlin ein Kinderbuch herausgebracht, das als Handreichung dienen sollte für biblisch inspirierte Zoobesuche. In dem Buch werden die rund 130 Tierarten, die an irgendeiner Stelle in der Bibel vorkommen - Kamele, Esel, Schafe, Pelikane, Eidechsen, Affen, Schlangen, Leoparden, Heuschrecken usw. -, in Wort und Bild vorgestellt. Dagegen wäre nun weiter nichts einzuwenden, stünde das von den Zoos mitverantwortete Projekt "Tiere der Bibel" nicht unter ausdrücklich kreationistischen Vorzeichen und damit in offenem Widerspruch zum Bildungsauftrag, den staatlich subventionierte und daher der Wissenschaft verpflichtete Zoos wie die von Dortmund, Köln und Berlin haben. 

Interessanterweise gibt es unter den Zoodirektoren hierzulande eine Vielzahl gläubiger Christen, die dem Schöpfungsgedanken im Zweifel näher stehen als der Evolutionslehre. Der Direktor des Dortmunder Zoos etwa, der studierte Biologe Frank Brandstätter, wartet mit der Erkenntnis auf, die biblische Schöpfungsgeschichte stimme "in ihrem groben Verlauf" mit der Evolutionstheorie überein: "sie widersprechen sich nicht, sie ergänzen sich".3 Das von ihm federführend herausgegebene Buch solle, so Brandstätter, Kinder an die "Schönheit der Schöpfung heranzuführen", in ihnen "Sinn und Geschmack an Gottes Natur auszubilden".4 Im Eingangskapitel wird dargestellt, wie "Gott die Menschen und Tiere erschaffen hat", im Folgekapitel, wie sehr er sie doch liebt. Groteskerweise dreht sich dieses Kapitel um die Sintflut, in der Gott bekanntlich alle Menschen und Tiere umbringt bis auf jene – zwei von jeder Art –, die er in Noahs Arche überleben lässt. Anstatt die Vernichtung allen Lebens durch einen pathologisch strafwütigen Gott kritisch zu hinterfragen, preist Brandstätter ein eigens für das Buch komponiertes "Noahlied" an, in dem unbedingte Botmäßigkeit ebendiesem Gott gegenüber gefordert wird: "Noah soll die Arche bauen, Noah muss auf Gott vertrauen, Noah tut, was Gott befiehlt…". Das Lied ist auch auf einer begleitenden CD zu hören.

"Danke, lieber Gott"

Dieser Löwe brüllt nicht mehr
Dieser Löwe brüllt nicht mehr (Foto: © Archiv GAP)

Das aufwändig gestaltete Buch dient als Grundlage für mittlerweile in vielen Zoos - Berlin, Hamburg, Köln, Stuttgart, Osnabrück, Wuppertal u.v.a. - stattfindende "Bibelführungen". Entsprechend zusatzqualifiziertes Zoopersonal führt Kindergarten- und Schulgruppen gezielt zu den Käfigen jener Tierarten, von denen in der Bibel die Rede ist. Bei jeder Tierart werden die biblischen Referenzstellen verlesen und exegetisch erläutert, dazu werden religionspädagogisch wertvolle Lieder, Gedichte, Gebete und Meditationstexte vorgetragen.

Vor dem Großkatzenkäfig beispielsweise wird die Geschichte des Propheten Daniel erzählt (6,17-25), den man "zur Strafe in eine Löwengrube den Löwen zum Fraß vorwarf. Sein Gott aber, Jahwe, sandte einen Engel, der ihn beschützte." Auch auf das Brüllen des Löwen "als Symbol für die Auferweckung der Toten durch Christus" kann hingewiesen werden. Vor Aquarien hingegen wird aus dem 1. Buch Mose zitiert: "Gott schuf alle Arten von großen Seetieren und anderen Lebewesen, von denen das Wasser wimmelt…" , dazu aus dem Markus-Evangelium: "Jesus nahm die fünf Brote und die zwei Fische, schaute zum Himmel und sprach: 'Danke, lieber Gott. Du bist groß und mächtig. Du gibst allen Menschen zu essen!'" Ausführlich wird das Fisch-Symbol erörtert, das gläubige Christen gerne auf dem Kofferraumdeckel ihrer Autos spazierenfahren, zudem wird ein (ebenfalls eigens für das Buch komponiertes) "Jonalied" gesungen: "Von dem Fisch verschluckt, was kann jetzt noch Rettung sein?"

Zur Vor- und Nachbereitung des Zoobesuches gibt es verschiedene Spiel- und Quizvorschläge, dazu theoretische Handreichungen etwa über "Tierschutz in der Bibel" sowie ein Gespräch mit dem Tierfilmer Heinz Sielmann, der die mangelnde Ehrfurcht vor Gottes Schöpfung beklagt, die ursächlich sei für die "immer häufigeren Erdbeben und Überschwemmungen": Demut und eine Rückbesinnung auf christliche Werte tue not.

"Lernort des Glaubens"

In einem Geleitwort räsonniert auch der frühere Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) über den Zusammenhang zwischen "Ökokatastrophe und einer wachsenden Distanz vieler Menschen zur Religion", und die seinerzeitige Familien- und heutige Bundeswehrministerin Ursula von der Leyen (CDU), Schirmherrin des gesamten Projekts, steuert die Erkenntnis bei, Tiere seien "besonders gut geeignet, um Kindern die Schöpfung ebenso nahezubringen wie die Bibel". Nicht zuletzt lassen sich Prominente wie Heino oder der Bierzeltentertainer DJ Ötzi zu ihrem jeweiligen "Lieblingstier in Gottes Schöpfung" aus. Der seinerzeitige Bundespräsident und bekennende Katholik Christian Wulff teilte mit, sein Lieblingstier in der Schöpfung sei der Tapir, da "diese Tierfamilie schon etwa 50 Millionen Jahre auf unserer Erde durch die Wälder streift." (Wulffs Begründung ist insofern nicht ohne Witz, als nach christlichem Schöpfungsglauben Gott die Erde erst vor weniger als 10.000 Jahren geschaffen hat. Dass es Tapire tatsächlich erst seit dem mittleren Miozän gibt, also seit 14 Millionen Jahren, ist da nur von nachrangiger Bedeutung.)

eingekerkert
eingekerkert, (Foto: © Archiv GAP)

In einem Gespräch über den "Zoo als Lernort des Glaubens" betont der langjährige (frühere) Berliner Zoodirektor und Mitherausgeber des Kinderbuches, Bernhard Blaszkiewitz: "Mitgeschöpflichkeit zu erfahren, ist für Kinder sehr wichtig. Ob jemand von der Mannigfaltigkeit der Natur redet oder von der Mannigfaltigkeit der Schöpfung, das ist ein qualitativer Unterschied." Bezugnehmend auf sich selbst betont Blaszkiewitz: "Wer mit Naturwissenschaft umgeht und dabei nicht diesen im Hintergrund wirkenden Schöpfergott sieht, ist geistlich arm. Wer vielmehr die Natur betrachtet, wer in der Natur lebt, kann den Schöpfergott erkennen."5 Folgt man den Ausführungen des Heilig-Grab-Ritters Blaszkiewitz, gibt es für derlei gottoffenbarende Naturbetrachtung kaum einen geeigneteren Ort als den Zoo.

In einigen Zoos werden insofern auch ökumenische "Freiluftgottesdienste" veranstaltet (bevorzugt vor den Gehegen heimischer Hirschtiere und untermalt von Jagdhornbläsern, womit an die Hubertuslegende angeknüpft wird, derzufolge ein gewisser Pfalzgraf Hubertus von Lüttich (ca. 655-727) von einem weißen Hirsch mit einem Kruzifix zwischen dem Geweih zum Christentum bekehrt worden sein soll.) In der Vorweihnachtszeit werden gerne auch "Krippen" mit lebenden Tieren (Kamele, Esel, Schafe etc.) aufgestellt, und selbstredend kommt der "Heilige Nikolaus" mit Rentieren zu Besuch.

Christliche Wählerstimmen

Bezeichnenderweise setzen auch und gerade Politiker der christlich-konservativen Ecke sich bevorzugt für Zoos ein: Kanzlerin Angela Merkel beispielsweise macht sich für den Zoo Stralsund stark, Christian Wulff tat dies in seinen Zeiten als Ministerpräsident Niedersachsens für die Zoos in Osnabrück und Hannover. Richard von Weizsäcker engagierte sich als Bundespräsident für den "Hauptstadtzoo" in Berlin, desgleichen sein Nachfolger Horst Köhler. Auch Helmut Kohl, Norbert Blüm, Wolfgang Schäuble, Norbert Röttgen und zahllose andere Unionspolitiker, die ansonsten nicht das Geringste für Tiere übrig haben (außer auf dem Teller), gelten als bekennende Tiergartenfreunde.

Vor allem aber in der Kommunal- und Landespolitik gibt es kaum einen Mandatsträger, der sich nicht danach drängte, eine Tierpatenschaft zu übernehmen und so mit dem örtlichen Zoo assoziiert zu werden: Nicht zuletzt geht es um zigmillionen potentielle Wählerstimmen. Der tiefere Grund für das Faible gerade christlich angehauchter Politiker für den Zoo dürfte indes in ihrer christlich geprägten Sicht auf das Verhältnis Mensch-Tier zu suchen sein, die ihrerseits determiniert ist durch den biblischen Unterjochungsauftrag aus dem 1. Buch Mose, in dem Gott selbst den Menschen befiehlt, zu herrschen "über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht." (1.Mose 1,26) Wo sonst würde dieser Auftrag gottgefälliger ausgeführt als im Zoo, der, um hier nicht missverstanden zu werden, auf Juden, Muslime oder sonstig Gläubige, die dem Wahn verfallen sind, als  Menschen "Krone der Schöpfung" zu sein, die gleiche Anziehungskraft ausübt wie auf gläubige Christen?


  1. www.glaubeaktuell.net/portal/nachrichten/nachricht.php?useSpr&IDD=146720... (04.07.2016) ↩︎
  2. ebd. ↩︎
  3. Brandstätter, Frank: Biblische Tierwelten: Darwin trifft Noah. Dortmund 2010. S. 11. ↩︎
  4. Brandstätter, Frank, et al.: Was für ein Gewimmel: Die Tiere der Bibel für Kinder. Kevelaer 2010. ↩︎
  5. http://www.bonifatiuswerk.de/fileadmin/userupload/bilder/Pressefotos/Kin... (02.04.2012) ↩︎