Deutschland ist ein säkularer Staat. Also: Er sollte es eigentlich sein. Denn immer wieder versuchen religiöse Partikularinteressen, diesen Grundsatz auszuhebeln und religiöse Vorschriften über das Gemeinwohl zu stellen.
Gestern meldete sich die SPD-Politikerin Sawsan Chebli via Twitter zu Wort und gab bekannt, dass, wer für Tierwohl einstehe, die jüdische und islamische Religion angreife und die im Grundgesetz verankerte Religionsfreiheit verletze.
Sie schreibt: "Schächten gehört zum Judentum und zum Islam. Wer das verbieten will, greift die jüdische und islamische Religion an und verletzt die im Grundgesetz verankerte Religionsfreiheit. […]"
Schächten gehört zum Judentum und zum Islam. Wer das verbieten will, greift die jüdische und islamische Religion an und verletzt die im Grundgesetz verankerte Religionsfreiheit. Auch hier zeigt sich, warum es so wichtig ist, dass Juden&Muslime an einem Strang ziehen. https://t.co/tSuEcF0Our
— Sawsan Chebli (@SawsanChebli) August 15, 2019
Für diesen Tweet hat sie bereits viel berechtigten Widerspruch erhalten. So schreibt beispielsweise Bernhard Janßen: "Religionsfreiheit muss Grenzen haben. Auch Menschenopfer gehörten früher zu einigen Religionen. Seit 2002 steht der Tierschutz im Grundgesetz! Religionsfreiheit des Einzelnen hat mit Töten nichts zu tun und hat in Deutschland keinen Vorrang vor dem Tierschutz!" Ein Nutzer namens Cryptocoinfox(Unrasiert) antwortet: "[…] wenn zu einer Religion etwas gehört, dass [sic] zutiefst unseren Werten und Gesetzen widerspricht, wie das Schächten, kann man das nicht mit Tradition oder sonst was relativieren […]."
Mehrfach wird zu Recht darauf hingewiesen, dass das Tierwohl in Deutschland grundgesetzlich geschützt ist.
Soweit, so gut. Allerdings hat Frau Chebli diese – für eine Staatssekretärin und ehemalige Sprecherin der Bundesregierung erstaunliche – Aussage nicht aus dem Bauch oder einer Laune heraus getätigt. Nein, sie bezieht sich auf einen Artikel in der Jüdischen Allgemeinen. Dort wird darüber berichtet, dass sich der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, in einem Schreiben an die Mitglieder der niedersächsischen CDU‐Landtagsfraktion gewandt hat. Denn diese haben es gewagt, sich für ein Verbot des betäubungslosen Schächtens auszusprechen.
Schuster möchte, dass die Abgeordneten von ihrem Tun ablassen und "sich für die weitere Möglichkeit der Durchführung des betäubungslosen religiösen Schlachtens im Sinne einer grundgesetzlich gewährleisteten ungestörten Religionsausübung" einsetzen. Eine grundgesetzlich gewährleistete ungestörte Religionsausübung? Es ist ja möglich, dass Herr Schuster ein anderes Grundgesetz meint als das, welches ich vorliegen habe.
Denn danach gibt es zwar Religionsfreiheit, was bedeutet, dass man seine Religion ausüben darf; aber eben in den Grenzen des Rechts. Denn schließlich gehören Steinigung, Blutopfer, Verstümmelungen und ähnliche Grausamkeiten ebenfalls zu diversen Religionen. Und aus gutem Grunde sind diese hierzulande verboten.1 Weshalb also sollen im Namen einer Religion Tiere zu Tode gequält werden dürfen? Weil das "Tradition" sei? Also bitte …
- Mit Ausnahme der Genitalbeschneidung von Jungen im Namen von Allah und JAHWE. ↩︎
31 Kommentare
Kommentare
A.S. am Permanenter Link
Es geht schlicht um die Frage, wer as Sagen hat: Der Staat oder die Priester/Imame/Rabbiner.
Die Religionen bestehen aus Sammlungen von Wahnideen (Gotteswahn, Größenwahn, Weltherrschaftswahn,...) und sind hochgefährlich für die Demokratie. Und unser dämlicher Staat fördert die Verbreitung dieser Wahnideen auch noch im Schulunterricht und den Medien.
libertador am Permanenter Link
Der Staat entscheidet sich dafür das Schächten zu erlauben. An der Stelle, dass religiöse Vertreter entscheiden sind wir derzeit nicht. Ich sehe die Gefahr für die Demokratie entsprechend nicht.
Unabhängig davon bin ich aber auch der Meinung, dass das Schächten nicht erlaubt werden sollte und die Religionsfreiheit an dieser Stelle eingeschränkt werden sollte. Kompatibel mit dem Grundgesetz ist das Erlauben des Schächtens aber, da Religionsfreiheit ein Grundrecht ist und gegen das Tierwohl entsprechend abgewogen werden kann.
A.S. am Permanenter Link
Nach dem GG geht alle Staatsgewalt vom Volke aus.
Wurde das Volk bezüglich des Schächtens gefragt?
libertador am Permanenter Link
Auch die Ausnahmen sind positives Recht, dass durch die demokratischen Institutionen legitimiert ist.
Das bedeutet nicht, dass die Ausnahmen gut sind. Ich bis auch dafür, dass man diese abschafft. Ich sehe aber eine Gefährdung der Demokratie.
Bruder Spaghettus am Permanenter Link
Falsch, libertador. Der Staat hat sich entschieden, das Schächten zu verbieten. Er hat auf Druck Religiöser entschieden, für die eine Ausnahme zu gewähren. Je mehr Ausnahmen, um so mehr Gefährdung der Demokratie.
libertador am Permanenter Link
Der Staat hat sich entschieden Ausnahmen zuzulassen. Das bedaure ich, aber das hat er getan.
Eine mögliche Gefährdung könnte man in der vermeintlich fehlenden Gleichbehandlung sehen, da andere Tierquälerei bestraft wird. Wenn ich aber im Vergleich weitere Tierhaltung und Schlachtereien sehe, dann erscheint es mir nicht offensichtlich, dass die Ausnahmen für das Schächten eine in dieser Form bedeutende Ausnahme sind, da Tierquälerei in beiden Fällen toleriert wird. Zum Beispiel werden Ferkel seit Jahren kastriert, auch wenn das Verfahren eigentlich abgelöst werden soll.
Da Ausnahmen in diesem Bereich für viele gemacht werden, gefährdet es nicht das Gebot der Gleichbehandlung aller. Die Ausnahme gefährden natürlich das Wohl der Tiere, aber das ist ein anderer Kritikpunkt.
Bruder Spaghettus am Permanenter Link
libertador schrieb: "An der Stelle, dass religiöse Vertreter entscheiden sind wir derzeit nicht. Ich sehe die Gefahr für die Demokratie entsprechend nicht."
ich antwortete: "Der Staat hat sich entschieden, das Schächten zu verbieten. Er hat auf Druck Religiöser entschieden, für die eine Ausnahme zu gewähren. Je mehr Ausnahmen, um so mehr Gefährdung der Demokratie."
Frage an libertador: Was hat die jetzige Antwort mit dem diskutierten Thema zu tun?
libertador am Permanenter Link
Ich habe dargelegt, dass ich in den Ausnahmen keine Gefahr für die Demokratie sehe.
Frage: Welche Gefährdung der Demokratie entsteht durch das Schächten?
Bruder Spaghettus am Permanenter Link
Wer hat das behauptet?
Die Gefahr für die Demokratie besteht durch die Häufung von Ausnahmen aus religiösen Gründen, von der Schächtung bis zur Beschneidung. Immer mehr solche Ausnahmen sind immer mehr Benachteiligung Nichtreligiöser. Das wäre selbst der Fall, wenn die ähnliche Privilegien hätten. Gleichberechtigung ist halt nicht durch Häufung von Privilegien, sondern nur durch deren Abschaffung zu erreichen. Fehlende Gleichberechtigung ist Demokratiegefährdung.
A.S. am Permanenter Link
@libertador: Mir gefällt nicht, dass Sie den Staat als etwas Abstraktes und Absolutes sehen. Der Staat, dass sind immer handelnde Menschen, Menschen, die aus bestimmten Interessen heraus handeln.
libertador am Permanenter Link
Ich habe in einem anderen Kommentar dargelegt, dass im Bereich des Tierschutzes Ausnahmen aus ökonomischen Erwägungen getroffen werden.
Deswegen gefährden diese meiner Meinung nach nicht die Demokratie.
Bruder Spaghettus am Permanenter Link
Oh, das tut mir sehr leid, dass Ihnen meine Anschauungen, zumindest in Teilen, nicht gefallen.
Ich möchte mich dafür ausdrücklich entschuldigen.
David Z am Permanenter Link
Das ist keine rationale, medizinsche, rechtliche oder ethische Sache, sondern eine rein politische im Kontext unserer Geschichte. Leider.
Emil am Permanenter Link
Die Flucht der Glaubensanhänger in solche ultra-konservativen Tiergräuel zeigen den Wunsch an einer modernen, fortschrittlichen Welt nicht teilhaben zu wollen.
Schade, dass der Staat sich von inhumanen, religiösen Bräuchen so beeindrucken lässt und auf dem Auge des Grundgesetzes blind ist.
Torge Wegner am Permanenter Link
Wenn man die inzwischen von Frau Chebli getwitterte „Rassismuskeulen“-Replik dazuliest, muss man sich leider fragen, ob Frau Chebli möglicherweise unter Verfolgungswahn leidet.
https://twitter.com/SawsanChebli/status/1162262381197553665
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Diese Spezialbehandlung, die Religiöse stets in einem prinzipiell säkularen Staat fordern, hat System - in zwei Richtungen: Zum einen ruft man sich mit den Forderungen ins Gedächtnis zurück - was regelmäßig viel Press
Außerdem können sich religiöse Minderheiten (also gegenüber der relativen säkularen Mehrheit ALLE Religionsgemeinschaften) schön als Opfer gerieren. Zur Not wird mit der angeblich atheistischen Vergangenheit Deutschlands und dessen angeblich gottlosen Verbrechertums argumentiert.
Gäbe es Genitalverstümmelung, Qualtöten, Geschlechterapartheit, Homophobie und andere religiöse Errungenschaften nicht, man würde direkt neue erfinden, um im Gespräch zu bleiben. Irgendwie muss ja begründet werden, warum man nicht in der heutigen Zeit leben will...
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Merken unsere verantwortlichen Politiker immer noch nicht wie Religionen unser Grundgesetz missachten und ihre eigenen Gesetze über das GG stellen wollen.
Roland Fakler am Permanenter Link
Tradition war es auch, Menschen zu opfern und Sklaven zu halten. Tradition ist, wenn man absurde Handlungen für normal hält.
Andrea Diederich am Permanenter Link
Das Problem besteht m.E.auch darin, das Deutschland sich als säkularer Staat bezeichnet, es in Wahrheit dem aber leider nicht so ist.
Kirchensteuer, Religionsunterricht an staatlichen Schulen usw.
A.S. am Permanenter Link
Richtig, Frau Diederich! Uns wird in den Schulen weis gemacht, Staat und Kirche wären getrennt. So indoktriniert erkennen die meisten Menschen den real existierenden Staats-Kirchen-Filz nicht.
Colin am Permanenter Link
Jeder Mensch hat das Recht, seine höchstpersönlichen Glaubensvorstellungen zu kultivieren, selbst wenn sie, von außen besehen, noch so absurd sind.
Bei Tierquälerei, egal ob unter jüdischen, christlichen, muslimischen oder welch sonstigen Vorzeichen immer, hört für mich jede Toleranz auf. Dabei bekümmert es mich nicht, ob das Tieren zugefügte Leid nun von irgendeinem Gott, einer Heiligen Schrift oder irgendwelchen Rabbinern, Priestern oder Imamen angeordnet wurde oder gerechtfertigt wird. Im Übrigen sei den gottesfürchtigen Freunden betäubungslosen Schlachtens - genauer: Durchschneidens der Kehle samt langsamem Ausblutenlassen - die Lektüre von Art 20a des Grundgesetzes anempfohlen.
Thomas R. am Permanenter Link
"Problematisch wird Glaube erst dann, wenn durch seine Prinzipien oder Handlungsanweisungen Mensch, Tier oder Natur beeinträchtigt oder geschädigt werden."
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Hans Trutnau am Permanenter Link
Manche verstehen Religionsfreiheit immer noch als Freibrief zum Tollhaus.
Lächerlich in Zeiten der Aufklärung und Säkularisierung, die solche Tollhäuser schon lange ad absurdum geführt haben.
Period.
Thomas R. am Permanenter Link
Ein weiteres Mal zeigt sich, daß die Religionsfreiheit logische Probleme aufwirft, die nur gelöst werden können, indem man sie, bzw. ihren Gegenstand beseitigt.
A.S. am Permanenter Link
Sehr geehrter Thomas R.,
ich sehe das Problem ein wenig anders gelagert.
"Religionsfreiheit" heißt zunächst, dass niemandem eine bestimmte Religion vorgeschrieben werden darf. In exakt diesem Sinne verstanden ist Religionsfreiheit wirklich elementares Menschenrecht, insbesondere das Recht auf Freiheit von jeglicher Religion.
Uns wird aber seit Jahren eine Gehirnwäsche dahingehend verpasst, dass "Religionsfreiheit" in dem Sinne verstanden werden muss, dass Religion nicht eingeschränkt werden darf. Wir erleben eine Uminterpretation einer ursprünglich sinnvollen Regel in ihr Gegenteil.
Mir unverständlich ist, dass das von den vermeintlich aufgeklärten Links-Grünen forciert mitgetragen wird.
Vorausgegangen ist eine gesellschaftliche Umdefinition dessen, was man unter "Aufklärung" zu verstehen hat. Hieß früher "Aufklärung" einmal: "Es gibt (höchstwahrscheinlich) keinen Gott", so werden wir heute gelehrt: "Aufgeklärt sein heißt, alle Religionen zu akzeptieren".
Wer verschaukelt uns da? Cui bono? Die/Den Berufsreligiösen!
Thomas R. am Permanenter Link
""Religionsfreiheit" heißt zunächst, dass niemandem eine bestimmte Religion vorgeschrieben werden darf."
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"Cui bono? Die/Den Berufsreligiösen!"
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...und auch allen übrigen Religioten, die sich keiner rationalen Prüfung ihrer Überzeugungen stellen wollen, weil sie wohl ahnen, was dabei herauskäme.
Thomas R. am Permanenter Link
Ein weiteres Mal zeigt sich, daß die Religionsfreiheit logische Probleme aufwirft, die nur gelöst werden können, indem man sie, bzw. ihren Gegenstand beseitigt.
G. Hantke am Permanenter Link
Wer Religionsfreiheit pauschal über alle anderen Rechte und Grundrechte stellt, hat offenbar nicht begriffen, dass es im Falle einer Konkurrenz darauf ankommen muß, die einzelnen Rechte gegeneinander abzuwägen.
Diese Dame nimmt für ihre private Religionsausübung wie selbstverständlich in Anspruch, Rechte Anderer, hier also das Tierwohl, verletzen zu dürfen, beruft sich dabei auf ihre privaten Glaubensvorgaben und empört sich darüber hinaus gegenüber denjenigen, die ihre Stimme für diese Tiere, die ja nicht für sich selbst sprechen können, erheben.
Das liegt auf derselben Ebene wie dieser ganze Beschneidungs-Zirkus.
Da wird mir doch übel.
Edgar Schwer am Permanenter Link
Unter Schächten versteht man die Schlachtung eines Tieres ohne vorheriger Betäubung. Beim Schächten wird einem unbetäubten Tier der Hals mit einem Messer durchschnitten.
Eine Kurzzeitbetäubung mit elektrischem Strom tötet ein Tier nicht, sondern betäubt es nur, so dass es die Entblutung nicht spürt. Dem Tier bleiben mit der Elektrokurzzeitbetäubung viele Leiden und Schmerzen erspart. Dem Genuss von geschächtetem Fleisch gemäß den Anforderungen der religiösen Speisevorschriften steht diese Betäubungsmethode damit nicht entgegen. Mit ihr kann den Belangen des Tierschutzes und der Religion gleichermaßen Rechnung getragen werden. In Deutschland verbieten das Tierschutzgesetz sowie die Tierschutzschlachtverordnung grundsätzlich, ein Tier ohne Betäubung zu schlachten.
Wie blutrünstig der angebliche Gott des Alten Testamentes dargestellt wurde zeigt sich bei der Opferung des eigenen Sohnes. Höhepunkt in der Erzählung über den Stammvater von Juden, Christen und Muslimen ist in allen drei Religionen die Aufforderung Gottes, er solle seinen Sohn opfern. Darum geht es auch in Sure 37, genauer in den Versen 99 bis 113, genau wie im Buch Genesis 22, 1-13. Man braucht sich nicht zu wundern, wenn bornierte Religionsfanatiker das Opfermesser als religiöses Instrument anpreisen. Der Gott der Christen wird ja auch als Opferlamm dargestellt. Wo bleibt da die Achtung vor der angeblichen Schöpfung, richtigerweise EVOLUTION? Wenn es ihn denn gäbe, zum Teufel mit allen Religionen und ihren Sonderrechten!
Jörn am Permanenter Link
Dass es hierüber überhaupt eine Diskussion gibt, beweist für mich, dass der Staat den Religionen viel zu weit entgegen kommt und gekommen ist.
Ich verstehe nicht, warum der Staat nicht einfach nach bester Expertise handelt und entsprechende Gesetz schafft. Wenn das irgendwelchen Kulten nicht gefällt, ist das deren Problem. Wir kümmern uns ja auch sonst um nichts, was in der Bibel steht, also warum ausgerechnet hier?
A.S. am Permanenter Link
Ich sehe in der Schächtung wie in der Beschneidung eine religiös verbrämte Erziehung zur Grausamkeit gegenüber den eigenen Kindern und Tieren.