„Lebensschützer“: Die gescheiterte Trauer

BERLIN. (hpd) Am 18. September versammelten sich einige Hundert christliche Fundamentalisten am Alexanderplatz, um in einem Schweigemarsch an die abgetriebenen Föten zu erinnern. Doch von Beginn ihrer Veranstaltung an wurde die heilige Menge aus mehr Alt als Jung immer mehr in die Enge getrieben, von mehr Jungen als Alten. Einige der weißen Kreuze landeten in der Spree.

Laut der Deutschen Presseagentur demonstrierten 200 Christen gegen die Abtreibung, während die Zahl der Gegendemonstranten um die 300 bis 500 betrug. Die Gegendemonstration wurde initiiert vom antifaschistischen Bündnis, der Forschungsgruppe Christlicher Fundamentalismus, zahlreichen feministischen Bündnissen sowie „Pro Familia“. Sie traten für eine Gesellschaft „ohne Homophobie, Rassismus und Nationalismus“, forderten die komplette Aufhebung des Abtreibungsverbots nach Paragraph § 218 und störten erfolgreich die Reden der christlichen Fundamentalisten, die ab 12.30 Uhr auf dem Alexanderplatz gehalten wurden. Dildos und aufgeblasene Penisse, sowie sich küssende Frauen, Transvestiten, Vuvuzuelas , üppig gekleidete Clowns, tanzende Cheerleaders Fahrradklingeln, Pfeifen und Buhrufe, „Go to hell“ Transparente und Ausrufe wie „Eure Kinder werden so wie wir“, störten die Christen bei ihrer Veranstaltung.

Die Polizei versuchte zwar durch starke Präsenz und anfänglicher Umzingelung der Gegendemonstranten die Gruppen getrennt zu halten, doch erfolglos. Allzu motiviert schienen die Polizisten jedoch auch nicht zu sein. Mehrere Male forderten aufgebrachte Christen sie auf, doch etwas gegen die Störer zu unternehmen, „ denn das mit den Trommeln, das wäre doch nun wirklich unverschämt“ und „letztes Jahr hätten sie viel engagierter für Ordnung gesorgt. Dafür wären sie doch da, damit sie dafür sorgen, dass sie ihre Demonstration friedlich abhalten könnten“, ohne Erfolg. Außer einer kleinen Rangelei zwischen Autonomen und Polizisten, den üblichen Personalienkontrollen, an die so manch einer inzwischen aufgrund seines Aussehens gewohnt sein wird, verhielten sich die Polizisten gegenüber den Gegendemonstranten zurückhaltend.

Provokant waren schließlich auch nicht nur die Gegendemonstranten. Eine christliche Mutter mit einem Baby auf dem Arm und zwei kleinen Mädchen an ihrer Seite, zog ihre Runden durch die Menge. Schilder waren den Kindern umgehängt worden mit „ Danke, Mama, dass ich noch lebe“. Sätze wie „ Wir werden den Kampf gewinnen, denn die Wahrheit siegt immer am Ende“ wurden von der Bühne gerufen, unter dem Plakat „ Marsch für das Leben“.

Andererseits fanden sich auch durchaus gesprächige ältere Damen in der Menge, die klingelnde Fahrradfahrerinnen aufforderten, doch wenigstens ihre Veranstaltung in Ruhe zu lassen - schließlich würden sie auch nicht die Gegenveranstaltungen mit Lärm belästigen. Dies sei ein Land der Meinungsfreiheit, und freien Religionsausübung. Argumentationsreich präsentierte sich die Gegenseite dabei nicht immer.

Um 14 Uhr zog der „Schweigemarsch“ mit weißen Kreuzen los und endete in der Hedwigskathedrale, dem Sitz des katholischen Erzbischofs. So manches Kreuz landete dabei in der Spree oder verwandelte sich kurzerhand in ein Protestsymbol, mit dem Oberteil zur Erde.

Theresa Siess