Drei Fragen an... Fathiyeh Naghibzadeh

(hpd) In Köln findet vom 31. Mai bis 1. Juni unter dem Motto „Aufklären statt verschleiern!" die Kritische Islamkonferenz statt. Im Vorfeld

stellt der hpd einige der Referenten und ihre zentralen Thesen in Kurzinterviews vor.

 

hpd:Sie werden auf der Kritischen Islamkonferenz Ihren Dokumentarfilm „Kopftuch als System oder: Machen Haare verrückt?" zeigen. Worum geht es in Ihrem Film?

Fathiyeh Naghibzadeh:Ich habe den Film nicht alleine, sondern zusammen mit drei anderen Studentinnen gedreht. Wir interviewen darin vier iranische Frauen, die in Deutschland im Exil leben. Ihnen haben wir vier Fragen gestellt, die alle eine Bezug zu dem Oberbegriff „Fremdkörper" aufweisen. Es geht darum, was Heimat ist, und was Exil bedeutet. Wir fragten danach, welche Einstellung zum Kopftuch die Frauen im Iran einnahmen und wie sie die Debatte hier in Deutschland einschätzen. Und wir wollten wissen, wie sie sich als Frauen hier im Exil fühlen. Aus den Gesprächen haben wir unseren Film zusammengestellt.

hpd:In einem Klassiker der feministischen Literatur aus den 1980er Jahren, „Der Mann auf der Straße" von Cheryl Bernard und Edit Schlaffer, gibt es einen Abschnitt, in dem in Europa lebende Muslimas berichten, dass sie sich durch das Kopftuch sicherer vor dummer Anmache fühlen. Es gibt die Situationen, in denen Männer ihre Grenzen nicht kennen, also offenbar durchaus...

Fathiyeh Naghibzadeh: Natürlich gibt es solche Situationen - nicht zuletzt deshalb gab es ja die Frauenbewegung. Ein Ziel der Frauenbewegung war es, Frauen stark zu machen gegen die Übergriffe von Männern. Das Kopftuch führt aber ganz bestimmt nicht dazu, dass Männer ihre Grenzen erkennen, das anzunehmen, wäre naiv. Während des ersten Golfkrieges sind viele irakische Frauen von iranischen Soldaten vergewaltigt worden - obwohl sie ein Kopftuch getragen haben. Und gerade im Iran liegt die Zahl der Vergewaltigungen hoch; häusliche Gewalt erleben dort 80% aller Frauen...
Natürlich soll jede Frau anziehen dürfen, was sie mag. Das gilt für die Frau, die ein Kopftuch tragen will, das gilt aber erst recht für die Frau, die sich keins umbinden möchte. Es ist jedenfalls eine absurde Vorstellung, dass die Frau sich bedecken muss, wenn Männer sich nicht zivilisiert verhalten.

hpd:Wie schätzen Sie das Kopftuchverbot in öffentlichen Einrichtungen, wie es in Frankreich praktiziert wird, ein - unterstützt es Emanzipation oder bewirkt es eher das Gegenteil?

Fathiyeh Naghibzadeh: Das laizistische Modell in Frankreich finde ich auf alle Fälle viel besser als die Situation hier. Dass einige Bundesländer mittlerweile ein Kopftuchverbot erlassen haben, begrüße ich, denn ein solcher Schritt unterstützt tatsächlich die Emanzipation. Statistisch gesehen werde auch ich zu Musliminnen gerechnet, obwohl ich keine praktizierende Muslima bin. Und so ist es bei vielen hier lebenden Menschen, die aus islamischen Staaten kommen: nur ein geringer Teil von ihnen praktiziert seinen Glauben. Ich kenne viele Lehrer, die in Neukölln und Kreuzberg leben, die mir berichten, dass Eltern ihnen gegenüber sagen, dass sie eigentlich möchten, dass ihre Tochter am Schwimmunterricht teilnimmt und so weiter, aber der Druck aus der muslimischen Gemeinde ist groß. Diesen Menschen muss der Staat helfen, sie dürfen nicht den fundamentalistischen Kräften ausgeliefert werden. Ein Verbot des Kopftuches in der Schule, so wie es in Frankreichgehandhabt wird, wäre für diese Mensche ein Schutz.

 

Fathiyeh Naghibzadeh studiert Gender Studies und Erziehungswissenschaften an der Humboldt-Universität Berlin; im Rahmen dieser Studien entstand auch ihr Film. Vor über 20 Jahren verließ sie den Iran und lebt seither in Deutschland.

Die Fragen stellte Martin Bauer.

 

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