Richard Dawkins: „Die Schöpfungslüge“

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Vortrag Dawkins / Fotos (c) Matthias Krause

MÜLHEIM. (hpd) Seit knapp zwei Wochen ist Richard Dawkins neuestes Buch, "The Greatest Show on Earth: The Evidence for Evolution" auch auf Deutsch erhältlich: "Die Schöpfungslüge: Warum Darwin recht hat". Aus diesem Anlass stellte der britische Evolutionsbiologe am vergangenen Donnerstagabend in Mühlheim an der Ruhr persönlich sein Buch vor – sein einziger Auftritt in Deutschland in diesem Jahr.

Die Veranstaltung fand im Ringlokschuppen statt, einem Industriedenkmal, das jetzt für kulturelle Veranstaltungen genutzt wird. Veranstalter war das LiteraturBüro Ruhr in Zusammenarbeit mit der Giordano Bruno Stiftung. Die ca. fünfhundert Plätze waren ausverkauft. Im Foyer gab es nicht nur den obligatorischen Büchertisch mit Dawkins' zahlreichen Werken, von "Das egoistische Gen" (1976) bis "Der Gotteswahn" (2006), sondern auch einen Informationstisch des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA).

Dawkins hielt seinen Vortrag auf Englisch, die anwesende Übersetzerin übersetzte im Wesentlichen für ihn. Auch die Fragen des Publikums wurden fast alle auf Englisch gestellt.

In "Die Schöpfungslüge" stellt Dawkins die überwältigenden Belege für die Evolution den absurden Konsequenzen gegenüber, die sich aus der Vorstellung ergeben, ein(göttlicher) Designer hätte alle Lebewesen erschaffen.

Die geniale Erkenntnis von Charles Darwin war, dass die natürliche Selektion den gleichen Effekt auf die Entwicklung von Lebewesen hat wie die bewusste Züchtung durch den Menschen ("künstliche Selektion"). Wenn der Mensch z. B. durch künstliche Selektion innerhalb von wenigen Jahrhunderten aus Wölfen Hunde züchten konnte, dann müsste die natürliche Selektion über Tausende von Jahrhunderten hinweg noch viel größere Änderungen (Anpassungen) bewirkt haben. (Kapitel 2)

Entscheidend für die Selektion ist aber nicht nur die "direkte" Überlebensfähigkeit, sondern auch die "Attraktivität". (Kapitel 3) Insekten suchen sich z.B. große und duftende Blüten aus, weil diese mehr Nektar versprechen. Pfauenweibchen werden durch die bunten Schwanzfedern der Männchen angezogen. Je "attraktiver" der Köder des Anglerfisches auf seine Beute ist, desto größer seine Chancen auf Beute. Dem Auge kommt somit eine wichtige Rolle bei der Selektion (und damit auch bei der Evolution) zu, und Dawkins' weitere Ausführungen zeigten, wie sich dies z.B. in optischen Mustern und sogar "Schönheit" niederschlägt.

In einem eigenen Kapitel (Kapitel 4) zeigt Dawkins, woher man überhaupt weiß, dass die Evolution Millionen Jahre zur Verfügung gehabt hat. Dabei erklärt er auch die Datierungsmethode anhand des radioaktiven Zerfalls in Vulkangestein. Gleich darauf (Kapitel 5) bringt er aber auch Beispiele, wo die Evolution sich quasi vor unseren Augen abspielt, d. h. im Zeitraum von wenigen Jahrzehnten, so dass ein Mensch diese Entwicklung selbst beobachten kann. In den meisten Fällen dauert es allerdings länger, und Dawkins vergleicht dies mit einem Detektiv, der an einen Tatort kommt. Obwohl er die Tat selbst nicht mehr beobachten kann, lässt sich doch oft anhand der Spuren (z. B. Fingerabdrücke, Blutflecken, Fußspuren) der Tathergang "gerichtsfest" rekonstruieren. Dawkins zufolge sind die "Indizien" für die Evolutionstheorie um ein vielfaches überzeugender als die Beweise, die üblicherweise vor Gericht akzeptiert werden. Und er machte sich auch gleich daran, dies zu zeigen.

Zunächst geht Dawkins auf den Fossilienbestand ein. (Kapitel 6) Kritiker der Evolutionstheorie verweisen gerne darauf, dass sich hier keine lückenlose Abfolge von Lebensformen darbietet. Dawkins hält dem entgegen, dass Fossilien keinen "Film" darstellen, sondern naturgemäß lediglich "Standfotos" im Abstand von einigen Millionen Jahren. Entscheidend ist für ihn, dass kein einziges (genau untersuchtes) Fossil am falschen Ort oder zum falschen "Zeitpunkt" (Gesteinsschicht) gefunden wurde. Ein einziger menschlicher Schädel in einer 600 Millionen Jahre alten Gesteinsschicht beispielsweise würde die Evolutionstheorie in sich zusammenbrechen lassen. Doch unter den Millionen bekannter Fossilien fand sich keines, das mit der Evolution nicht in Einklang zu bringen ist.

Während seine Zeitgenossen menschliche Fossilien am ehesten in Asien zu finden glaubten, tippte Darwin ganz richtig auf Afrika. (Kapitel 7) Ihm war nämlich aufgefallen, dass afrikanische Affen dem Menschen ähnlicher sind als asiatische Affen. Während Darwin noch spekulieren musste, haben wir heute gute menschliche Fossilien aus Afrika. Dawkins trug als Beispiel eine Passage aus seinem Buch über das "Taung Kind" vor, von dem man weiß, dass es im Alter von etwa drei Jahren von einem Adler getötet wurde: In seinem Schädel finden sich Beschädigungen der Augenhöhlen, die denen gleichen, die sich bei heutigen Affen finden, denen Adler die Augen ausgehackt haben.

In Kapitel 8 geht Dawkins auf die Entwicklung von Embryos ein. Deren Entwicklung wird zwar nicht als "Evolution" bezeichnet, weil es sich hier um Individuen handelt und nicht um Arten, aber es lassen sich daraus trotzdem interessante Rückschlüsse für die Evolutionstheorie gewinnen. Als Beispiel trug Dawkins aus seinem Buch eine Anekdote von J. B. S. Haldane vor, der einmal gefragt worden sein soll, wie man – selbst über einen Zeitraum von Millionen von Jahren –von einer Zelle zu einem komplexen Körper mit Knochen, Muskeln, Nerven usw. gelangen könne. Darauf soll Haldane geantwortet haben: "Aber Madam, sie haben das selbst fertiggebracht. Und Sie haben dafür nur neun Monate benötigt!"