BERLIN. (hpd/idw) Schlechte Nachrichten kurz vor dem 100. Internationalen Frauentag. Denn Frauen mit Hochschulabschluss sind weiterhin doppelt im Nachteil: Sie haben seltener Führungs- und Personalverantwortung als Männer, und sie werden in ihren Führungspositionen auch schlechter bezahlt als ihre männlichen Kollegen.
Zu diesem Ergebnis kommt eine Online-Umfrage, die vom Tarifarchiv des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung betreut wird und an der sich rund 12.000 Akademiker beteiligt haben.
„Unsere Analyse belegt nachdrücklich, dass selbst Frauen mit Führungs- und Personalverantwortung ihren männlichen Kollegen noch keineswegs gleichgestellt sind. Das gilt auch und gerade für das Einkommen“, kommentiert Dr. Reinhard Bispinck, Leiter des Projekts „LohnSpiegel“ am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung die Ergebnisse.
Von den Männern mit Hochschulabschluss haben rund 59 Prozent eine Führungsposition, von den Frauen hingegen nur rund 43 Prozent. In Westdeutschland ist dieser Abstand stärker ausgeprägt als in Ostdeutschland.
Frauen in Führungspositionen verdienen im Durchschnitt knapp 22 Prozent weniger als Männer. Ihr Gehalt beläuft sich ohne Sonderzahlungen auf Basis einer 40-Stunden-Woche durchschnittlich auf 3.710 Euro, während Männer mit 4.742 Euro gut 1.000 Euro mehr erhalten. Der Einkommensabstand fällt in Ostdeutschland mit rund 14 Prozent deutlich geringer aus.
Auf allen Hierarchiestufen bekommen Frauen mit Hochschulabschluss ein deutlich geringeres Gehalt als Männer. Bei der Position der Hauptabteilungsleiter fällt der Einkommensabstand mit 33 Prozent am größten aus: Männer verdienen monatlich im Durchschnitt 5.982 Euro, Frauen dagegen nur 4.514 Euro. Bei Abteilungsleitern beträgt die Einkommenslücke immerhin 30 Prozent, bei Gruppenleitern noch 23 Prozent.
Unterschiedliches Einkommen auch bei gleicher Führungsverantwortung: Gemessen an der Zahl der unterstellten Mitarbeiter erreichen Frauen mit Hochschulabschluss eine geringere Führungsspanne: Im Durchschnitt sind den Frauen 17 Beschäftigte unterstellt, bei den Männern sind es dagegen 43. Aber auch bei zahlenmäßig gleicher Personalverantwortung verdienen Männer mehr als Frauen: Die Einkommensdifferenzen bewegt sich je nach Anzahl der Mitarbeiter zwischen 15 und 21 Prozent.
Die Gehaltsunterschiede zwischen den männlichen und weiblichen Führungskräften spiegeln teilweise die unterschiedlichen Vergütungsniveaus in Abhängigkeit von der Betriebsgröße und zwischen den Branchen wieder.
Frauen arbeiten zu einem größeren Anteil in kleineren und mittleren Betrieben und Branchen mit niedrigeren Gehältern. „Aber vor allem die hohe Differenz auch bei Beschäftigten mit quantitativ gleicher Führungsverantwortung deutet darauf hin, dass auch Diskriminierung eine Rolle spielt" meint WSI-Experte Reinhard Bispinck.
Zahlreiche Faktoren spielten eine Rolle, wenn es um die Ursachenforschung für die klaffenden Lücken geht. Beobachtungen hätten auch gezeigt, dass Frauen durchschnittlich eine andere Werteskala bei der Wahl von Beruf und Arbeitsplatz besitzen: „Die Inhalte der Arbeit, dass eigene Können und Wollen werden höher gewichtet als das konkrete Einkommen“, so Bispinck.
Auch deswegen ist es für ihn nachvollziehbar, wie sich diese eklatanten Unterschiede „quasi durch die Hintertür“ einschleichen. „Trotzdem bleibt am Ende immer ein Erklärungsrest“, hat Bispinck im Laufe seiner langjährigen Arbeit festgestellt.
Er betont: Auch die im Vergleich zu Männern abweichenden Prioritäten von Frauen bei der Wahl von Beruf und Arbeitsplatz sind kein Grund für eine Exkulpation in der Debatte, wenn es um eine Lösung für das offenkundige Problem geht.
Bispinck plädiert deshalb unter anderem für eine konsequente Förderung, damit Frauen in Führungspositionen mit gleicher Bezahlung gelangen können. Das sei eine Forderung, der man sich auch in den Managementebenen von Unternehmen stellen muss. Es ist letztlich auch eine Frage der gesellschaftlichen Erwartungshaltung an eine moderne und aufgeklärte Unternehmenskultur.
Der Grundsatz „Frauen, traut euch“ kann dabei nicht immer greifen. Bispinck stellt heraus, dass eine Mutter mit drei Kindern schlicht im Nachteil ist, wenn es um Personalentscheidungen geht: „So eine Frau kann nicht die gleiche Arbeitszeit bereitstellen, wie ein Mensch ohne diese Bindung an eine Familie.“ Immerhin gibt es für ihn aber auch positive Nachrichten. Er hat festgestellt: „Das Problembewusstsein vieler Frauen wächst.“
Arik Platzek