Österreich: Die Millionen der Heiden

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Heidentürme des Stephansdoms in Wien / Foto: stadt-wien.at

WIEN. (hpd) In Österreich zahlen auch zehntausende Konfessionsfreie Beiträge an die katholische Kirche. Nicht ganz freiwillig. Die katholische Kirche versucht mehr schlecht als recht, das weg zu argumentieren.

Ein Bericht von Christoph Baumgarten

Wenn es ums Geld geht, war die römisch-katholische Kirche selten wählerisch. In Österreich müssen auch Exkommunizierte wie wiederverheiratete Geschiedene den Kirchenbeitrag, das alpenländische Pendant zur deutschen Kirchensteuer bezahlen. Auch von Ungläubigen nimmt man mal Geld an, ob die wollen oder nicht. Wer als Konfessionsfreie/r einen katholischen Ehepartner ohne eigenes Einkommen hat, ist in Österreich kirchenbeitragspflichtig. Laut gültiger Kirchenbeitragsordnung wird ein Drittel des Haushaltseinkommens als steuerpflichtig herangezogen. „Hat ein Katholik, welcher mit einer Person verheiratet ist, die nach staatlichem Recht nicht der Katholischen Kirche angehört, kein oder ein zur Bestreitung des angemessenen Lebensunterhaltes nicht ausreichendes Einkommen oder Vermögen bzw. fehlt beides, so ist Beitragsgrundlage der vom anderen Ehegatten gesetzlich zu gewährende angemessene Lebensunterhalt“, heißt es etwa in Paragraf 114 der Beitragsordnung der Diözese Linz. Analoge Bestimmungen finden sich in den anderen Diözesen.

Bis zu 40.000 Betroffene

Wie viele Konfessionsfreie mit katholischem Ehepartner Kirchenbeitrag zahlen müssen, lässt sich nur schätzen. In der Erzdiözese Wien sind es laut Kirchenbeitragsstelle etwa 1,4 Prozent der Kirchenbeitragszahlenden. Aus Linz, der mitgliedermäßig zweitgrößten Diözese gibt es „keine statistischen Daten“. Die Diözese Innsbruck hat die Recherchefragen des hpd bislang nicht beantwortet.

Legt man Wiener Zahlen zugrunde und rechnet man die unterschiedliche Struktur in den Diözesen mit ein, dürfte etwa ein Prozent der Kirchenbeitragszahler konfessionsfrei mit katholischem Ehepartner sein. Mit allen Unsicherheiten, die mit so einer Annäherung verbunden sind, würde das etwa 30- bis 40.000 Betroffene österreichweit ergeben. Insgesamt zahlen nach Angaben der katholischen Kirche etwa 3,7 Millionen Menschen Kirchensteuer.

Das macht in Summe einiges Geld aus. Wie die Erzdiözese Wien im Februar auf einer Pressekonferenz bekannt gab, zahlt jeder Kirchenbeitragszahler durchschnittlich 104 Euro im Jahr – mit großen Schwankungsbreiten zwischen den Diözesen. Umgelegt auf die Konfessionsfreien ergibt das eine Summe von drei bis vier Millionen Euro, die die Kirche von aus ihrer Sicht Ungläubigen kassiert. Angesichts von knapp 80.000 Austritten im vergangenen Jahr eine Summe, auf die man eher ungern verzichten würde.

Haarspaltereien

Hans Neubauer von der Linzer Kirchenbeitragsstelle argumentiert das gegenüber dem hpd so: „Das heißt, nicht der "Nicht-Katholik" bezahlt einen Kirchenbeitrag sondern der/die katholische Partner/Partnerin entsprechend dem Ihr zustehenden Lebensunterhalt. Als Beitragsgrundlage wird ein Drittel des Einkommens des nicht katholischen Partners herangezogen, dies ist rechtlich gedeckt.“

Juristisch eine korrekte Erklärung. Praktisch gesehen Haarspalterei. Von wessen Gehalt wird der Kirchenbeitrag bestritten? Von dem des verdienenden Ehepartners. Man darf auch davon ausgehen, dass die Ehepartner ein gemeinsames Konto haben – das wird, von Sozialleistungen wie dem Kindergeld vielleicht abgesehen, nur mit dem Einkommen des oder der Verdienenden gefüllt. Gegen die These, dass eigentlich nur der katholische Ehepartner zahlen würde, spricht auch die Regelung für Ehepartner verschiedener Religionszugehörigkeit, die den gleichen Grundlagen folgt: „Ihr Gatte zahlt Beiträge an eine andere anerkannte Religionsgemeinschaft: Ihr Beitrag wird wie im vorigen Absatz berechnet. Ihr Gatte kann Ihre Beitragsleistung aber bei seiner Beitragsvorschreibung abrechnen lassen. Dazu gibt es eine Vereinbarung zwischen den in Österreich anerkannten Religionsgemeinschaften.“

Auch Josef Weiss, Leiter der Kirchenbeitragstelle der Wiener Erzdiözese argumentiert gegenüber dem hpd nicht so sophistisch wie sein Linzer Pendant: „In der Praxis haben wir damit kaum Probleme, da der Nicht-Katholische Ehepartner die Zahlungen steuerlich geltend machen kann und die Beiträge in der Regel sehr gering sind.“ Heißt auch: Gepfändet werden Konfessionsfreie, die den Beitrag nicht bezahlen, äußerst selten. Wohl auch aufgrund einer unklaren Rechtslage. Schon ein Urteil des Obersten Gerichtshofs aus den 1960ern untersagt der Kirche, in einem solchen Fall zur Gehaltspfändung zu schreiten.

Die Zahl der Betroffenen dürfte in nächster Zeit etwas steigen. Fast 90.000 Menschen sind 2010 aus der katholischen Kirche ausgetreten. Nicht alle werden verheiratet gewesen sein – gleichzeitig werden nicht alle Ehepaare gemeinsam ausgetreten sein. Langfristig dürfte die Regelung, die auch Konfessionsfreie zum Zahlen verdonnert, die Austrittswilligkeit fördern. Wie bei der Mutter von Wolfgang Huber, dem Vorsitzenden der Allianz für Humanismus und Atheismus. Sie war katholische Hausfrau, Hubers Vater ausgetreten. Was die Kirchenbeitragsstelle nicht davon abhielt, ihren Kirchenbeitrag anhand des Einkommens ihres Mannes zu berechnen. 1990 wurde es ihr zu blöd und sie folgte ihrem Mann in die Konfessionsfreiheit.