WIEN. (hpd) Kreuze in öffentlichen Kindergärten sind keine christlichen Symbole und verstoßen nicht gegen die Religionsfreiheit und die österreichische Bundesverfassung. Dieses Urteil hat gestern der österreichische Verfassungsgerichtshof (VfGH) bekannt gegeben. Die Kläger, Eltern eines konfessionsfreien Mädchens, hoffen auf die europäische Ebene.
Ein Bericht von Max Bitter.
Irgendwie hatten alle Unterstützer der Klage mit diesem Ausgang gerechnet. Und auf einen anderen gehofft. Zumindest ein wenig. „Es wäre schön gewesen, hätte der VfGH schon im ersten Anlauf erklärt, dass verpflichtende Kreuze in öffentlichen Kindergärten unzulässig sind, weil sie gegen die Freiheit von Religion verstoßen“, sagt ein Unterstützer gegenüber dem hpd. „Das hätte ja nicht nur die Kinder von Atheisten und Konfessionfreien betroffen sondern auch die von Reformierten, Muslimen, Juden und anderer gesetzlich anerkannter Religionsgemeinschaften.“
Allein, der VfGH folgte der Rechtsauffassung der Landesregierungen, deren juristische Abteilungen Stellungnahmen abgeschickt hatten. Die Landesregierungen sind in Österreich für Kindergärten zuständig. Kreuze sind kein christliches Symbol, halten die Verfassungsrechtler in ihrem Erkenntnis fest. Und, sagt Christian Neuwirth, Sprecher des VfGH: „Es ist vor dem Hintergrund der strikten Trennung von Kirche und Staat in Österreich so, dass man im Kreuz nicht eine Präferenz des Staates für eine gewisse Religion erblicken kann und deshalb ist es verfassungsrechtlich zulässig wenn das Kindergartengesetz in NÖ vorsieht, dass wenn die Mehrheit im Kindergarten sich zum christlichen Glauben bekennt, ein Kreuz aufgehängt werden kann.“
Was alle Beteiligten etwas anders sehen. Auch der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP), einer der vehementesten Verfechter von Kreuzen in Kindergärten und Schulklassen. Mit dem heutigen Erkenntnis sei klargestellt, „dass in Niederösterreich der christliche Glaube und die christlichen Grundwerte weiter hoch gehalten werden“. Das werde auch symbolisiert durch das Kreuz, „das schon vielen Generationen vor uns Hoffnung gegeben“ habe, ließ Pröll die Öffentlichkeit in einer Presseaussendung wissen. Das Erkenntnis sei „ein Fingerzeig nach vorn“.
Heinz Oberhummer, Vorsitzender des Zentralrats der Konfessionsfreien, zeigt sich gegenüber dem hpd irritiert von der Begründung der Verfassungsrichter: „Wenn ein Kreuz keine Präferenz für eine bestimmte Religion sein soll, frage ich mich, was dann eine Präferenz ist. Eindeutiger geht es ja wohl nicht.“ Ähnlich reagiert Niko Alm, Sprecher der österreichischen Landesgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung: „In diesem Fall kann das Kreuz nur als Ausdruck der Dominanz einer Weltanschauung (der christlichen Religion) gegenüber anderen Weltanschauungen ausgelegt werden. Eine Vormachtstellung, die nun offiziell vom Staat gebilligt wird. Dieser Prozess ist ein Beleg für die politische Verflechtung kirchlicher Privilegien in unserer Real-Verfassung. Das Verhältnis von Staat und Kirche bedarf einer dringenden Neuanpassung an die Gegebenheiten des 21. Jahrhunderts.“
Der Vater, der die Klage eingereicht hatte, wird vorerst keine Stellungnahme abgeben. Auch der Verein „Religion ist Privatsache“, der den Prozess finanziell unterstützt hatte, verweist auf eine spätere Stellungnahme. „Wir warten das Urteil des Europäischen Menschengerichtshofs im Fall Lautsi ab.“ Am Freitag soll die Große Kammer des EGMR bekannt geben, ob Kreuze in italienischen Schulen gegen das Recht auf Freiheit von Religion verstoßen – wie es die Kleine Kammer Ende 2009 festgestellt hatte. Hinter vorgehaltener Hand wird spekuliert, warum das österreichische Gericht sein Urteil so knapp vor der EGMR-Entscheidung fällt. „Entweder wollten sie das noch schnell durchdrücken, nach dem Motto: Sicher ist sicher. Oder sie kennen das Erkenntnis des EGMR schon. Die Chance ist 50:50“, sagt ein Vertreter einer laizistischen Organisation gegenüber dem hpd.
In jedem Fall dürfte aber der EGMR in der österreichischen Causa angerufen werden. Wenn, könne man nur dort etwas bewegen, heißt es. In Österreich sei das bis auf weiteres sinnlos.
Unklar ist, wie sich das Erkenntnis auf das geplante Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien in Österreich auswirkt. Seitdem es bekannt wurde, tauschen in Internetforen immer mehr Aufrufe auf, Unterstützungserklärungen auf Gemeindeämtern abzugeben. Die Organisatoren zeigen sich unsicher, ob es auf der anderen Seite nicht auch dämpfend für laizistische Ambitionen sein könnte. Mitinitiator Niko Alm versucht, es positiv zu sehen: „Es offenbart die Notwendigkeit unseres Volksbegehrens gegen Kirchenprivilegien. Unsere Verfassung gesteht der Kirche Privilegien zu, die aus dem Mittelalter stammen und zur Zeit des Austrofaschismus mit dem Konkordat festgeschrieben wurden. Eine klare Trennung von Staat und Kirche sind unverzichtbar für eine Demokratie, die dieses Namens würdig ist. Wir wollen mit dem Volksbegehren dafür sorgen, dass es dem VfGH in Zukunft leichter fällt, Menschenrechtskonforme Urteile unter Berücksichtigung weltanschaulicher Äquidistanz zu fällen.“
Mitarbeit: Christoph Baumgarten
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