Das ewige Leben oder Ich bin dann mal weg

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Matthias Grünewald: Auferstehung Christi

OSTERN. (hpd) Ich möchte hier auf ein Element religiöser Überzeugungen hinweisen, zu dem bei diesem argumentativen Kampf um Rationalität und religionsfreien Humanismus nach meiner Beobachtung wenig gesagt wird: die Erwartung eines Lebens nach dem Tod. Frei nach bekannten Büchern formuliert wäre die Frage nach dem Tod: „Wer bin ich dann - und, wenn ja, wie wenig?“ oder noch besser: „Ich bin dann mal weg!“

Viele meiner Freunde, die sich zu den Zielen der Giordano Bruno-Stiftung bekennen, argumentieren immer wieder mit den Widersprüchen zwischen den religiösen Weltdeutungen und den gut bewährten Erkenntnissen der Physik. Da wird die Urknalltheorie gegen die Schöpfungsgeschichte ausgespielt, naturwissenschaftliche Kosmologie gegen den religiösen Geozentrismus und die Nicht-Existenz von „Wundern“ konstatiert sowie auf die fehlenden Gottesbeweise hingewiesen. Ganz wichtig ist uns allen, die Evolution des Lebens zu verstehen und zu erklären, um pseudowissenschaftlichen Lehren der religiösen Apologetik wie Kreationismus und „Intelligent Design“ entgegenzutreten.

Sicher gibt es zumindest in Europa nicht mehr viele Menschen, die an eine fleischliche Wiederauferstehung glauben; darüber muss man nicht einmal mehr spotten. Andererseits gehen auch unter den Menschen, die sich als religiös oder gar christlich empfinden, ja sogar unter Geistlichen, viele davon aus, dass der Tod das endgültige Ende der Existenz ist, es also kein Fortleben nach dem Tod in welcher Form auch immer gibt.

Die meisten Gläubigen retten sich allerdings immer noch in die Idee einer unsterblichen Seele; beerdigt würden nur die „sterblichen Überreste“, wie die Pfarrer, Priester und Nachrichtensprecher zu sagen pflegen. Dabei bleibt bei Christen und Moslems unklar, ob das Fortleben unmittelbar nach dem Tode beginnt oder erst Äonen später beim „Jüngsten Gericht“.

Solange der uralte Körper-Seele-Dualismus unangefochten dominierte, war dieser Ausweg ein scheinbar eleganter Rettungsweg für das religiös verheißene „ewige Leben“. Heute müsste man schon eine erdrückende wissenschaftliche Beweislast ignorieren, wenn man diese Vorstellung von einer die Individualität, also das „Ich“ bewahrenden Seele beibehalten wollte.

Unsere Individualität, unsere Persönlichkeit ist nämlich ohne die Funktionen unseres Körpers nicht vorstellbar: es ist unser materielles Hirn, dass unser Verhalten steuert, es ist das ganz körperliche, physikalisch-chemische Steuerungssystem aus Hormonen, Neurotransmittern und vielen anderen biochemischen Reaktionen, das unsere Persönlichkeit ausmacht. Wir können diese Persönlichkeit durch physikalische Eingriffe ins Hirn (z.B. Sektionen, elektrische Stimulation) oder durch Pharmaka (Medikamente, Gifte, Drogen) gezielt oder psychisch Kranke von Persönlichkeitsstörungen befreien, also heilend verändern. Und wir kennen Verletzungen von bestimmten Hirnregionen oder Schädigungen (z.B. durch einen Tumor), die etwa unsere moralische Urteilsfähigkeit, Empathie oder unser soziales Verhalten grundlegend und dauerhaft, also unseren Charakter selbst verändern. Aus all dem folgt, dass es keine vom Körper unabhängige Persönlichkeit gibt – von altersabhängigen Veränderungen ganz zu schweigen.

Was ich also mit diesem kleinen Beitrag deutlich machen will, ist die Absurdität der Vorstellung eines Fortlebens immaterieller Individualität nach dem Tode, die jedem ohne große Vorkenntnisse einleuchten dürfte, der willens ist, diesem einfachen Gedankengang zu folgen.

Es bleiben dann ja nur zwei Auswege, wenn man den Tod nicht als endgültig akzeptieren will:

  • der religiöse Ausweg zu einer die menschliche Vernunft übersteigenden Allmacht und Güte eines Gottes, der auch das Widersprüchliche tun kann.
  • der philosophische Ausweg zu einem Fortleben ohne Individualität, bei dem die „Seele“, was immer das dann ist, in eine anonyme Welt-Seelen-Gemeinschaft aufgeht, die man z.B. „Nirvana“ nennen könnte.

Da wäre man dann in der Nähe indischer Religionen. Es ist ja ein von schwärmerischen Eu-ropäer(innen) gepflegtes Missverständnis, die hinduistischen, sikhistischen oder buddhistischen Vorstellungen würden eine Wiedergeburt der Individualität verheißen. Es ist aber gerade eine von der Persönlichkeit befreite Lebenskraft (Karma), die nach dortiger Lehre in neuem Leben fortwirkt. Niemand behauptet dort ernsthaft, dass eine menschliche Individualität die Wiedergeburt etwa als Tier „überlebt“. Ausnahmen finden sich etwa im Lamaismus, einem stark von älteren zentralasiatischen Vorstellungen beeinflussten tantrischen Zweig des Buddhismus, wo man in bestimmten Fällen die Wiedergeburt als Mensch erwartet, insbesondere bei hohen Geistlichen wie z.B. der Bodhisattwa-Inkarnation des Dalai Lama.

Es wäre vielleicht ein gutes Thema für den Verbraucherschutz, jene leichtgläubigen Esoteriker des Westens, die alles Alte oder „Asiatische“ für große Weisheit halten, vor den gut verdienenden Neo- und Euro-Schamanen zu warnen und zu beschützen, die asiatische Traditionen als Vorwand für teilweise frei erfundene, aber marktgerechte „Lehren“ nutzen.

In der Auseinandersetzung mit den Religionen und ihren Anhängern ist die Absurdität des religiösen Glaubens an ein Fortleben der Individualität nach dem Tode für diejenigen, die weder Physik noch Biologie studiert haben, wohl leichter nachzuweisen und nachzuvollziehen, als wenn man ihnen Naturgesetze oder die Evolution erklärt.

Gerd Eisenbeiß
(auch ein Physiker)