Weshalb mögen Amerikaner keine Atheisten?

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© Bill Mutranowski, atheistcartoons.com

WASHINGTON. (wp/hpd) Lange nachdem Schwarze und Juden große Fortschritte gemacht haben, nachdem sogar Homosexuelle Respekt, Akzeptanz und neue Rechte gewinnen, gibt es immer noch eine Gruppe, die viele Amerikaner einfach nicht mögen: Atheisten.

Ein Kommentar aus der Washington Post.

Von Gregory Paul und Paul Zuckerman 

Diejenigen, die nicht an Gott glauben, werden gemeinhin als amoralisch, boshaft und wütend angesehen. Sie dürfen den Pfadfindern nicht beitreten. Atheistische Soldaten werden als potenziell defizitär eingestuft, wenn sie in militärischen psychologischen Tests nicht als ausreichend „spirituell“ eingestuft werden. Umfragen kommen zum Ergebnis, dass die meisten Amerikaner sich weigern oder zögern, Nicht-Theisten zu heiraten oder sie zu wählen. In anderen Worten: Ungläubige sind eine Minderheit, denen üblicherweise in der Praxis noch immer das Recht verweigert wird, ein Amt zu bekleiden, trotz des verfassungsgemäßen Verbots der Frage nach der Religion.

Selten nur vom Mainstream verurteilt, wird diese frappierende anti-atheistische Diskriminierung von christlichen Konservativen angestachelt, welche selbst scharf – wie unhöflich – verkünden, der Mangel an Gottesglauben sei schädlich für die Gesellschaft, wodurch sie Ungläubige als wesenhaft fragwürdige und zweitklassige Bürger darstellen.

Nicht einmal nah dran

Ist diese reflexhafte Antipathie gegenüber Atheisten berechtigt? Nicht einmal nah dran.
Eine zunehmende Zahl sozialwissenschaftlicher Forschungen enthüllt, dass Atheisten, wie Ungläubige im Allgemeinen, weit davon entfernt sind, jene widerlichen Wesen zu sein, wie man es ihnen unterstellt. Bezüglich grundlegender Fragen – Themen wie der staatlichen Anwendung von Folter, der Todesstrafe, das bestrafende Schlagen von Kindern, Rassismus, Sexismus, Homophobie, Antisemitismus, Umweltschädigung oder Menschenrechte – neigen die Unreligiösen dazu, ethischer zu sein als ihre religiösen Gegenspieler, vor allem verglichen mit denjenigen, die sich als besonders religiös bezeichnen.

Bedenken Sie, dass auf der Gesellschaftsebene die Mordraten in säkularisierten Nationen wie Japan oder Schweden weitaus niedriger sind als in den religiöseren Vereinigten Staaten, wo auch noch ein weitaus größerer Anteil der Bevölkerung sich im Gefängnis befindet. Und selbst innerhalb dieses Landes weisen jene Staaten mit dem höchsten Grad an Kirchgängern, wie Louisiana und Mississippi, signifikant höhere Mordraten auf als die weit weniger religiösen Staaten wie Vermont und Oregon.

Als Individuen schließen Atheisten bei Intelligenztests eher hoch ab, vor allem bei ihren sprachlichen Fähigkeiten und ihrer wissenschaftlichen Bildung. Sie erziehen ihre Kinder eher dazu, Probleme rational zu lösen, sich eine eigene Meinung zu bilden, wenn es um existenzielle Fragen geht, und die Goldene Regel zu befolgen. Sie praktizieren eher Safe Sex als es die streng Religiösen tun und es ist unwahrscheinlicher, dass sie nationalistisch oder ethnozentrisch sind. Sie schätzen die Gedankenfreiheit.

Während etliche Studien zeigen, dass säkulare Amerikaner nicht so gut abschneiden wie die religiösen, wenn es um bestimmten Indikatoren mentaler Gesundheit oder subjektiven Wohlbefindens geht, zeigen neuere Forschungen, dass die Beziehungen zwischen Atheismus, Theismus und mentaler Gesundheit und Wohlbefinden komplex sind. Schließlich punktet Dänemark, welches zu den am wenigsten religiösen Ländern in der Geschichte der Welt zählt, durchgängig als die glücklichste Nation. Und in Untersuchungen berichten Apostaten – Menschen, die religiös waren, aber später ihre Religion ablehnten –, sie fühlten sich in ihrem post-religiösen Leben glücklicher, besser und freier.

Irrige Umfragen, klebrige Ettikettierungen

Nicht-Theismus besteht jedoch nicht nur aus Ballons und Eiskrem. Einige Studien legen die Vermutung nah, dass bei den Nichtreligiösen die Suizidraten höher sind. Aber Umfragen, die angeben, dass religiöse Amerikaner besser dran sind, können in die Irre führen, weil sie unentschlossene Nichtreligiöse einschließen, die auch an Gott glauben können, wohingegen überzeugte Atheisten ebenso gut abschließen wie fromme Gläubige. In zahlreichen angesehenen Messungen gesellschaftlichen Erfolges – Armutsanteil, Teenagerschwangerschaften, Abtreibung, Geschlechtskrankheiten, Fettsucht, Drogennutzung und -kriminalität sowie Ökonomie – korrelieren hohe Säkularitätslevels in Nationen der ersten Welt durchgängig mit positiven Ergebnissen. Keine der säkular fortgeschrittenen Demokratien leidet unter den kombinierten gesellschaftlichen Missständen wie das christliche Amerika.

Vor mehr als 2000 Jahren behauptete, wer auch immer Psalm 14 schrieb, Atheisten begingen verderbliche und greuliche Handlungen; sie seien alle abgewichen und allesamt verdorben, unfähig, irgendetwas Gutes zu tun. Diese Etikettierungen haben klebrige Eigenschaften. Negative Stereotypen zu Atheisten sind lebendig und gesund. Sie sind jedoch wie alle Stereotypen nicht wahr – und erzählen vielleicht mehr über jene, die sie nähren als über die, welche durch sie verleumdet werden. (...)

Wie auch bei anderen nationalen Minderheiten, erfreut sich der Atheismus eines schnellen Wachstums. Trotz der Bigotterie hat sich die Anzahl der amerikanischen Nicht-Theisten proportional zur Allgemeinbevölkerung seit den 1960ern verdreifacht. Die Toleranz jüngerer Generationen gegenüber endloser religiöser Querelen schwindet schnell. Umfragen, welche zum Ziel hatten, das verständliche Zögern zu überwinden, sich zum Atheismus zu bekennen, haben herausgefunden, dass immerhin 60 Millionen Amerikaner – ein Fünftel der Bevölkerung – keine Gläubigen sind. Den unreligiösen Mitbürgern sollte derselbe Respekt gezollt werden wie anderen Minderheiten.

 

Gregory Paul ist unabhängiger Forscher in den Bereichen Soziologie und Evolution, Phil Zuckerman ist Professor für Soziologie am Pitzer College und Autor von „Society Without God“ (Gesellschaft ohne Gott).

Übersetzung: Fiona Lorenz