Ein Gelehrter mit bunter Mütze zur Geburtstagsfeier, und dann noch ein Verstorbener? Nein, niemals in Deutschland, ausgeschlossen.
Wer ernsthaft Wissenschaft betreibt, der duldet anscheinend keinen Spaß. Fröhliche Wissenschaft? Nein, bitte nicht - man könnte ja vielleicht nicht ernst genommen werden.
Bei Besuchen im Angelsächsischen war es für mich stets eine besondere Freude, wenn geachtete Akademiker einer Kleinstadt einen Spaß daran hatten, sich in alberne Kostüme zu verkleiden, um beispielsweise mit einem Schnaps- und Bierwettrennen durch die Kneipen der Stadt für das Kinderhospital viele Spenden einzusammeln. Keiner der Einwohner hätte im Traum daran gedacht, den Respekt ihnen gegenüber zu verringern – im Gegenteil, es war eine Frage der Ehre, bei dem Spaß dabei zu sein.
So kann die Idee, einen internationalen Feiertag zu Ehren von Charles Darwin zu etablieren, nicht aus Deutschland stammen.
Das Darwin-Day Project
Das <Darwin Day Project> wurde von der <Freedom From Religion Foundation> Kalifornien / USA begründet. Es hat sich die Aufgabe gestellt, den 12. Februar als jährliche Internationale Säkulare Feier für Wissenschaft und Humanismus bekannt zu machen. Unter anderem sollen alle vereinzelten Aktivitäten, die es teilweise schon seit langem gibt, zusammengefasst und kommuniziert werden. Das Internetportal soll neuen Teilnehmern bei der Planung ihrer Aktivitäten zur Seite stehen. Das langfristige Ziel ist eine weltweite Feier im Jahr 2009, dem 200. Geburtstag Darwins.
Im Jahr 2001 gab es 24 Veranstaltungen, für 2007 braucht es bereits 350 Seiten, um alle Veranstaltungen aufzulisten. Aus der Vielzahl der Veranstaltungen seien zwei als typisch ausgewählt.
Die „Darwin Day Lectures" der <British Humanist Association> die seit 2003 am University College London veranstaltet werden. 2005 sprach <Dr. James Moore> über: „Darwin - a ‚Devil's Chaplain'?" - 2006 <Dr. Susan Blackmore> über das Thema: "Darwin's meme: or the origin of culture by means of natural selection"und 2007 <Matt Ridley> über "‘Francis Crick's place in history"
Das „Institut für Humanist Studies" hat zum Darwin-Tag ein <Audio Podcast Nr. 15> und die auch hier gezeigte Abbildung - in schwarz-weiß - veröffentlicht.
Für die Gründe der deutschen Zurückhaltung, einen derartigen akademischen „Feiertag der Wissenschaft" zu etablieren, gibt es neben der Auskunft von Naturkundemuseen, es sei ja kein runder Geburtstag und „für 2009 haben wir Großes in Vorbereitung", in der Wissenschaft u. a. die irritierte Rückfrage: „Was hat denn so ein Feiertag mit wissenschaftlicher Vermittlung zu tun?" und das Relativieren: „Dann müsste man einige andere Leute auch noch ehren."
Aber dieser Tag ist zumindest für den Generaldirektor des Museums für Naturkunde der Humboldt-Universität zu Berlin, Prof. Reinhold Leinfelder, ein Anlass, in der Berliner Morgenpost auf den Geburtstag Darwins und unbekannte Aspekte seiner Arbeit <hinzuweisen>.
Prof. Ulrich Kutschera, Inhaber des Lehrstuhls für Pflanzenphysiologie und Evolutionsbiologie an der Universität Kassel, sieht zusätzlich tiefer liegende Gründe für die deutsche ‚Zurückhaltung'.
In deutscher Sicht sei der „Darwinismus" zu sehr mit dem Nationalsozialismus verbunden - obwohl es keine einzige Erwähnung Darwins in den Schriften von Hitler und anderer NS-Größen gibt, da sie die Evolutionsbiologie einfach ignoriert hätten. Auch der Begriff des „Sozialdarwinismus" - als rassische ‚Auslese' - sei weder von Darwin geprägt, noch ließe er sich aus der Evolutionsbiologie ableiten. Gegen eine falsche Vereinahmung und Zitierung könne sich keine Wissenschaft schützen.
Zudem sei der Lehrinhalt der Evolutionsbiologie an den deutschen Universitäten immer noch unterrepräsentiert. Von den rund 50 Universitäten, an denen Biologielehrer und Biologen ausgebildet werden, hätten nur etwa fünf Universitäten explizit Evolutionsbiologie als Teilgebiet der Biologie und prüfungsrelevante Kenntnisse. So meint Prof. Kutschera: „Es ist manchmal Haar sträubend, wie selbst gestandene ausgebildete Biologen falsche Vorstellungen von der Evolutionstheorie vertreten."
So gibt es eher Bestrebungen in <Österreich> „(...) Montag erste Darwin-Day-Aktivitäten." In einer Vortragsveranstaltung der Oberösterreichischen Landesmuseen, die gleichzeitig auf die im Herbst 2007 stattfindende Evolutionsausstellung aufmerksam macht, spricht die Biochemikerin Univ. Prof. Dr. Renée Schröder (Forscherin des Jahres 2002 und Wittgensteinpreisträgerin 2003) am Montag, 12. Februar im Festsaal des Schlossmuseums zum Thema "Evolution und moderne Genetik".
Auch in Italien gibt es Aktivitäten, so in <Bozen>, dessen Naturmuseum sich am internationalen „Darwin Day" beteiligt und eine Woche lang Vorträge, Diskussionen und unterhaltsame Annäherung an das Thema Darwin und Evolutionstheorie bietet.
Zumindest: Als „Darwins Schildkröte" Harriet <2005> ihren 175. Geburtstag feierte, wurde relativ groß darüber berichtet. Nun ist auch das Vergangenheit, da sie am 23. Juni 2006 an Herzversagen <verstarb>.
Carsten Frerk