Staatsleistungen sind abzuschaffen

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Deckblatt des Koalitionsvertrags

FREIBURG/STUTTGART. (hpd) Der Koordinationskreis Laizismus Baden-Württemberg - SPD-Mitglieder für die Trennung von Staat und Religion – hat sich die Koalitionsvereinbarung der neuen Landesregierung in Baden-Württemberg angesehen und betrachtet das Festhalten an den Staatsverträgen als "unselige Fehlentscheidung".

Bündnis/Grüne und SPD in Baden-Württemberg haben in ihrem Koalitionsvertrag auch das Verhältnis zu Kirchen und Weltanschauungsgemeinschaften beschrieben. Dort heißt es (auf Seite 71) unter der Überschrift „Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften“: „Wir verteidigen die Freiheit des Denkens, des Gewissens, des Glaubens und der Verkündigung. Grundlage und Maßstab dafür ist unsere Verfassung. Für uns ist das Wirken der Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften wertvoll, insbesondere wo sie zur Verantwortung für Mitmenschen und das Gemeinwohl ermutigen und damit Tugenden vermitteln, von denen unsere Demokratie lebt. Wir suchen das Gespräch mit ihnen und, wo wir gemeinsame Aufgaben sehen, die Zusammenarbeit. Wir stehen zu den geltenden Staatsverträgen.“

Bereits diese Formulierungen, die zwischen Kirchen und Religionsgemeinschaften unterscheiden zeigen die amtskirchliche Handschrift, bei der die beiden großen Amtskirchen immer Wert darauf legen, sich von den anderen Religionsgemeinschaften zu separieren. Insofern entspricht es auch nicht dem Grundgesetz, das nur Religionsgesellschaften und Weltanschauungsgemeinschaften kennt. Und Staatsverträge gibt es auch nur für die katholische, evangelische Kirche und die jüdischen Gemeinden. Den Humanisten Württembergs wurde bisher ein Staatsvertrag verweigert.

SPD-Laizisten fordern: Staatsleistungen an die Kirchen abschaffen

Der Koordinationskreis Laizismus Baden-Württemberg - SPD-Mitglieder für die Trennung von Staat und Religion - hat das Festhalten der grün-roten Koalition an den Staatsverträgen mit den Kirchen als „unselige Fehlentscheidung“ kritisiert. Mit dem Bekenntnis zu den Staatsverträgen setze die neue Koalition die „völlig überzogene finanzielle Privilegierung“ einzelner Religionsgemeinschaften fort und missachte den Auftrag des Grundgesetzes: „Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst.“ So bestimmt es Artikel 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 138 Abs. 1 der Weimarer Reichsverfassung.

Alle Steuerzahler werden zur Kasse gebeten

Das Land Baden-Württemberg zahlte auf Grundlage der 2007 mit den beiden Großkirchen abgeschlossenen Staatskirchenverträge allein „für kirchenregimentliche Zwecke, für Zwecke der Pfarrbesoldung und -versorgung und für andere besondere Rechtstitel“ im Jahr 2010
- 13.786.900 Euro Staatsleistungen an die Evangelische Landeskirche Baden;
- 37.680.900 Euro Staatsleistungen an die Evangelische Landeskirche Württemberg;
sowie „anstelle früher geleisteter Zahlungen für Zwecke des Kirchenregiments, der Pfarrbesoldung und -versorgung sowie anstelle anderer, früher auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhender Zahlungen einen Gesamtzuschuss“ in Höhe von
- 25.527.600 Euro an die Erzdiözese Freiburg,
- 25.629.000 Euro an die die Diözese Rottenburg-Stuttgart.

Zusammen waren das im Jahr 2010 fast 103 Millionen Euro Staatsgeld an die beiden Großkirchen, vorrangig für die Besoldung der amtierenden und der zur Ruhe gesetzten Kirchenbeamten vom Erzbischof bis zum kleinen Ortspfarrer. Diese Zahlungen werden in den folgenden Jahren entsprechend der Beamtenbesoldung angepasst. Alle Steuerzahler, auch alle ohne Religion, werden hierfür zur Kasse gebeten.

Auf die Frage, ob das denn bei einem katholischen Ministerpräsidenten, nicht zu erwarten gewesen sei, antwortet Michael Rux vom Koordinationskreis Laizismus: „ Ja und Nein. Herr Kretschmann ist zwar ein ‚schwarzer Grüner’ aber eben kein ‚grüner Schwarzer’. Das ist ein wichtiger Unterschied. Und der Ministerpräsident kann sich auch als gläubiger Katholik für die Trennung von Staat und Kirche entscheiden. Er muss kein treuer Diener der Finanzverwaltung seines Bistums sein.“ Beispiele dafür seien pietistische Pastoren, die im Glauben stark seien und keinen Wert auf die Verbindung zum Staat legen würden.

C.F.