„Angriff von Rechtsaußen."

(hpd) Der Journalist Ronny Blaschke präsentiert in seinem Buch 24 Interviews und Reportagen, die den Einfluss von Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus im Fußball veranschaulichen. Der Autor dokumentiert damit dieses Phänomen in anschaulicher Weise, Analysen und Erklärungen findet man in dem journalistisch geprägten Werk dafür weniger.

Rechtsextremismus artikuliert sich nicht nur in Form von Agitation und Demonstrationen, Gewalttaten und Wahlerfolgen. Es gibt auch eine alltagskulturelle Dimension des Phänomens, versuchen doch die Anhänger dieses politischen Lagers auch in unpolitischen Kontexten für ihre Positionen zu werben. Zu solchen Lebensbereichen gehört auch der Sport und hierbei insbesondere der Fußball. Durch eine Reihe von Ereignissen, weniger in der Bundesliga, mehr in den Regionalligen, ist dieses Thema auch Gegenstand größeren öffentlichen Interesses geworden. Ronny Blaschke, der als freier Journalist vor allem zu den gesellschaftspolitischen Hintergründen des Sports für die „Süddeutsche Zeitung“ oder „Die Zeit“ arbeitet, hatte bereits 2007 mit „Im Schatten des Spiels. Rassismus & Randale im Fußball“ dazu ein Buch vorgelegt. Jetzt folgt „Angriff von Rechtsaußen. Wie Neonazis den Fußball missbrauchen“, worin „die Auswirkungen von rechtsextremistischen Einstellungen auf den Fußball, vor allem auf Amateurebene“ (S. 11) breiter untersucht werden sollen.

Die 24 Kapitel dieses Buchs bilden aber kein einheitliches Werk, können sie doch jeweils für sich allein gelesen werden und vermitteln in der Kombination miteinander ein vielschichtiges Bild. Sie enthalten Interviews mit dem Fußballprofi Halil Altintop und dem NPD-Geschäftsführer Klaus Beier, dem ehemaligen Profispieler Yves Eigenrauch und dem Präsidenten des Zentralrats der Juden Dieter Graumann, dem Gewaltforscher Wilhelm Heitmeyer und dem DFB-Präsidenten Theo Zwanziger. Im Zentrum stehen allerdings Reportagen, die sich mit bestimmten Ereignissen oder Personen beschäftigen. Da geht es etwa um die Unterwanderung der Fanszene des 1. FC Lokomotive Leipzig durch Neonazis, einen NPD-Funktionär als Schiedsrichter in der Kreisliga C, den rechtsextremistischen Fußballverein SG Germania, die rechtsextremistische Unterwanderung der Fanszene im Internet, den weit verbreiteten Antisemitismus im Amateurfußball, die Aufarbeitung der NS-Geschichte von Vereinen und das Engagement von Sozialarbeitern gegen Rechtsextremismus.

Blaschke schreibt über die Absichten seines Werks: „Dieses Buchs beschreibt an ausgewählten Orten, wie sich die NPD den Fußball zunutze macht. Wie sie an Einstellungen, Meinungen, Aussagen von Fans und Spielern anknüpft, diese weiterentwickelt und für ihre parteipolitische Arbeit umdeutet“ (S. 12). Dabei soll kein dramatisierendes Bild gezeichnet werden, geht es doch auch um erfolgreiche Gegenmaßnahmen durch die DFB-Spitze oder das Scheitern von Fanclub-Gründungen. Gleichwohl veranschaulichen die Reportagen auch immer wieder Erfolge von Rechtsextremisten. In den Text integrierte Fotos von Fans im Stadion mit antisemitischen oder fremdenfeindlichen Transparenten veranschaulichen darüber hinaus eine Dimension des Problems, die den Nicht-Fußball-Kennern möglicherweise gar nicht bewusst ist. Weiter bemerkt Blaschke: „Dieses Buch begreift den Fußball als eine von vielen Landschaften einer rechten Erlebniswelt. Der Fußball darf nicht isoliert betrachtet werden von anderen Landschaften“ (S. 13).

Angesichts der geschilderten Struktur der Kapitel und des journalistischen Hintergrund des Buchs darf man hier kein geschlossenes Werk erwarten. Blaschke reiht Momentaufnahmen unterschiedlichster Art aneinander, welche das geschilderte Phänomen in all seinen Facetten an konkreten Beispielen veranschaulichen. Dabei bleiben analytische Fragen häufig unbeantwortet wie etwa: Nutzen Fußballfans etwa fremdenfeindliche Parolen immer aufgrund ihrer rechtsextremistischen Einstellung oder geht es primär um die unmoralische Demütigung der Fans einer gegnerischen Mannschaft? Solche Phänomene kennt man auch aus dem Ausland: Wenn die Spieler von „Ajax Amsterdam“, einem angeblich als jüdisch geltenden Club, im Stadium einer gegnerischen Mannschaft auflaufen, ahmen die gegnerischen Fans mit Zischlauten das Einströmen von Gas in den Kammern der Konzentrationslager nach. Wie muss man solches Agieren bewerten, wie kann man es erklären? Blaschkes Buch wirft wohlmöglich mehr Fragen auf als es Antworten gibt – aber Fragen sind auch wichtig!

Armin Pfahl-Traughber

Ronny Blaschke, Angriff von Rechtsaußen. Wie Neonazis den Fußball missbrauchen, Göttingen 2011 (Verlag Die Werkstatt), 223 S., 16,90 €