Es werde Licht: Elektrifizierung in Afrika

hpd: Wie weit können sie Mathematik?

Schopp: Funktionsgleichungen mit zwei Unbekannten und trigonometrische Funktionen sind überhaupt kein Problem. Mathematik ist also ein Schwerpunkt. Geschichte, Geographie sind auch Schwerpunkte.

Jetzt fängt ein kleines Problem an, wenn die Jugendlichen mit ihrer Schule fertig sind. Was machen sie? Wo gehen sie hin? Mit ihrer Schulausbildung könnten sie in die nächstgrößere Stadt ziehen. Dort gibt es aber schon viele Leute. Und dann könnten sie in die nächste noch größere Stadt ziehen. Bis zum Indischen Ozean, Daressalam oder andere Städte. Mit der Ausbildung, die sie ein paar Hundert Kilometer im Hinterland des Landes genossen haben, landen sie in der Stadt, haben aber keine Berufsausbildung. Jetzt könnten sie das Glück haben, eine Berufsausbildung zu bekommen, weil sie ja etwas gelernt haben. Aber wirklich nur ein Bruchteil dieser Kinder und Jugendlichen wird das Glück haben, aufgrund der schulischen Leistungen eine Ausbildung in der Stadt zu bekommen.

Die meisten dieser Kinder bleiben auf dem Land und betreiben dort Viehwirtschaft und Landwirtschaft bei ihren Eltern, bei Verwandten, und versuchen, ihre Existenz aufzubauen. Mit einer hohen Schulbildung.

 

hpd: Aber als Viehzüchter?

Schopp: Als Viehzüchter.

 

hpd: Was bringt das dann? Müssen sie dann versuchen, sich andere berufliche Bereiche aufzubauen?

Schopp: Genau, und da ist wieder etwas von Außen nötig. Und an der Stelle setzt Energieversorgung ein. Das ist ein Element von vielen. Wenn in einem Dorf wie Nyacaiga elektrischer Strom zur Verfügung steht, was vorher nicht war, dann besteht – so sagen mir das die Leute – ein höherer Anreiz, dort zu bleiben, weil dann dort mit einer höheren Schulbildung als die Eltern genossen haben, etwas aufgebaut werden kann. Aufgrund der Infrastruktur, die zum Beispiel aus elektrischem Strom besteht. Elektrischer Strom ist eine Edelenergieform, mit der es möglich ist, viele Dinge zu tun.

 

hpd: Eine Edelenergieform. An dieser Stelle möchte ich noch einmal nachfragen: Die Dieselgeneratoren wurden irgendwann abgestellt, wegen der Kosten nicht mehr in Betrieb genommen. Aber die mit Solarstrom betriebenen Generatoren können rund um die Uhr laufen? Es gibt Akkumulatoren, die die Energie speichern, die abgerufen werden kann, wenn sie gebraucht wird, ansonsten bleibt die Energie in den Akkus quasi „stecken“?

Schopp: Genau, als Vorrat.

 

hpd: Und diese Energie ist günstiger als diejenige, die über Dieselgeneratoren gewonnen wird?

Schopp: Wenn ich das auf die Kilowattstunde beziehe, wird der Strom sogar dreißigmal günstiger sein.

 

hpd: Er kostet demnach 50 Cent die Kilowattstunde.

Schopp: Genau. Die Kilowattstunde photovoltaisch zur Verfügung gestellter Strom, mit diesem Konzept, das ich erarbeitet habe, wird etwa 50 Cent kosten. Aber der Strom steht Tag und Nacht zur Verfügung, 365 Tage im Jahr. Und dieser Strom verursacht keine Betriebskosten.

Das Konzept verursacht erst einmal Investition. Aber die Investition hatte ich auch beim Dieselgenerator. Die Investition ist beim Dieselgenerator deutlich preiswerter, aber der Betrieb, der ist enorm teuer. Und ein autarkes Containerkonzept, das IPS (Independent Power System – Unabhängiges Stromsystem), lässt sich in drei Jahren amortisieren. Wenn man nur mit einem Dieselgenerator vergleicht.

 

hpd: Jetzt gibt es zwei Richtungen, in die ich gerne gehen würde. Als einen der Punkte könnten wir nehmen: Welche Berufe lassen sich dadurch aufbauen? Wichtiger ist jedoch die Frage: Was macht jeder Haushalt und wie kann man erfassen, wie viel die Haushalte verbrauchen und ob die Leute dafür bezahlen? Und wie viel bezahlen sie dafür? Das sind etwa 50 Cent pro Kilowattstunde. Welche Auswirkungen hat das denn? Die Leute müssen das Geld ja irgendwoher bekommen, sie müssen es also haben. Inwieweit ist dort eine Geldwirtschaft überhaupt möglich? Was für Geräte werden angeschlossen? Es gibt ja Geräte, die mehr Strom verbrauchen und Geräte, die weniger Strom verbrauchen. Vielleicht kannst du darüber etwas erzählen, wie es in den individuellen Haushalten aussieht.

Schopp: Wenn in einem Dorf elektrischer Strom zur Verfügung steht und dort Menschen sind, die in der Schule etwas gelernt haben, können sie mithilfe des elektrischen Stromes einen Teil ihrer Existenz aufbauen. Also ein Handwerk lernen und ausüben. Schneidern, Schreinern, Unterrichten – elektrische Energie ist ein Entwicklungsmotor.

Der andere Aspekt ist, dass ein gewisser Komfort entsteht. Das Wichtigste ist Licht. In Afrika ist es manchmal sehr schnell sehr dunkel. Wenn elektrischer Strom zur Verfügung steht, um damit Licht zu machen, steigen die Lebensqualität, das Wohlbefinden und zum Teil auch die Sicherheitextrem.
Von der GTZ (Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit) gibt es verschiedene Studien. Dann gibt es noch eine weitere Institution, die GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit).

Auf den Webseiten dieser Organisationen gibt es Informationen über ländliche Elektrifizierung. Dort habe ich eine Studie entdeckt, in der analysiert wird, welche typischen afrikanischen Haushalte existieren und in welcher Art diese Haushalte mit Elektrogeräten ausgestattet sind.

 

hpd: Wobei das sicher von Land zu Land unterschiedlich sein wird.

Schopp: Ja, sehr. Aber die Struktur ist ähnlich.

 

hpd: Für ganz Afrika, von Marokko bis Südafrika?

Schopp: Ja. In den ländlichen Gegenden. Es gibt strukturell vier Haustypen, Typ 1 bis 4.

Typ 1 ist ein fest gebautes Haus, dort können ohne weiteres sechs, sieben, acht, bis zu zehn Menschen leben und die Familie verfügt über ein gewisses Einkommen. In meinem Beispiel eines Dorfes mit 162 Haushalten, würden 28 Prozent der Haushalte, mehr als ein Viertel, Typ 1 entsprechen.

Typ 2: 31 Prozent, Typ 3: 26 Prozent und Typ 4, die größeren Häuser, also mehr Vermögen: 12 Prozent.

 

hpd: Das heißt, die reichsten Leute sind diese 12 Prozent.

Schopp: Ja.

 

hpd: Das sind mehr Leute als hier in Deutschland. Hier sind anteilig weniger Menschen sehr reich. Die Einkommensunterschiede sind dort nicht so groß?

Schopp: Speziell gesehen nicht. Es gibt zwar einen Unterschied, aber der ist unter Umständen nicht so gravierend. In den Dörfern. In den Städten sieht das vollkommen anders aus.


hpd: Wie hoch ist das Pro-Kopf-Einkommen? Es gibt ja das Armutsmaß von unter einem Dollar am Tag.

Schopp: In Nyacaiga liegt das Tageseinkommen bei etwa vier bis sechs Euro. Das ist relativ viel. Weil dieses Dorf im Hochland liegt, das ist sehr grün, dort wird sehr viel angebaut: Bohnen, Mais, Kaffee, Bananen. Die Landwirtschaft ist dort sehr stark. Es gibt Niederschläge, die Gegend ist eine sehr fruchtbare. Sie liegt 1700 Meter hoch und ist dementsprechend feucht. Aus diesen Gründen ist das Einkommen in der Gegend doch recht hoch.