Es bewegt sich manches. Weiß man wohin?

 

Heißt reisen auch suchen?

Tja, ich weiß es nicht, eigentlich Nein. Im Grunde bin ich ein recht zufriedener Mensch. Ich suche nicht etwas, was mir fehlt, sondern ich denke, nun habe ich das gesehen und die Welt ist so groß und so interessant, dass ich vielleicht noch etwas anderes anschauen sollte. Nicht, dass ich unzufrieden werde. Höchstens unruhig. Ich bin noch nie unzufrieden von irgendwo weggezogen ... Mit Ausnahme von Deutschland, als die Feministinnen hinter mir her waren, da war das natürlich anders.

Es gibt das berühmte Lied von Janis Joplin „Me an Bobby McGee“ in dem es heißt: „Freedom's just another word for nothing left to lose...“ (Dt.: „Freiheit ist nur ein anderes Wort dafür, dass man nichts mehr zu verlieren hat“). Das ist nicht dein Freiheitsbegriff?

Es klingt so traurig. Und das ist es natürlich auch. Wenn ich irgendwo weggezogen bin, dann gab es eigentlich nichts zu verlieren. Es gibt Leute, die diesen Satz so positiv auslegen, dass ich die Welt nicht mehr verstehe. Da sie aber diesen positiven Freiheitsbegriff haben, geht das gar nicht so nah an sie heran. Ich sehe Freiheit eher als etwas Beängstigendes, weil jede frei getroffene Entscheidung immer so vielfältige Folgen hat. Da kann man dann zu niemandem sagen: Das hast du mir eingebrockt. Du selbst warst der Schwachkopf.

Wenn ich es richtig verstehe, dann sagst du: Es gibt ein Kontinuum, auf dessen einem Ende sich die totale Freiheit befindet und auf dem anderen Ende die totale Bindung und da ist jetzt die Frage ...

Ja, wieweit geht man, in welche Richtung? Die absolute Freiheit, die mag niemand. Sobald sie da ist, rennen wir von ihr davon. Nehmen wir die Liebe: Kaum sind wir frei, verlieben wir uns in die nächste Person und nutzen unsere viel gelobte Freiheit einfach nur für eine Entscheidung zur nächsten Unfreiheit. Wir bleiben nicht frei. In totaler Freiheit zu leben ist etwas ganz schwer Erträgliches. Ich bin es auch nicht, aber bis zu einem gewissen Grad schon. Insofern bin ich eine Expertin und kann sagen: Es ist nicht so leicht. Wir kämpfen für die Freiheit, wir töten oder sterben für sie. Aber mit ihr leben, das kann keiner. Wir nutzen unsere Freiheit zur Unfreiheit

Wenn du nicht schreiben würdest, könntest du dann so leben?

Nein! Nein. Meine Ungebundenheit hängt sehr mit diesem Beruf zusammen. Diese Privilegien haben nur Wohlsituierte oder Schriftsteller bzw. Künstler. Die anderen Leute sind ja an eine Stelle, eine Ausbildung, ein Diplom gebunden und die können nicht einfach immer wieder weit weg. Schon allein ein Schauspieler, der muss ja in seinem Sprachraum bleiben, wenn er als Schauspieler arbeiten will ...

Ich meine noch eine andere Facette. Erika Pluhar hat einmal geschrieben, dass ein Schauspieler immer eine Öffentlichkeit, eine Bühne, ein Publikum braucht, um seine Kunst zu zeigen. Wenn er zu Hause spielen würde, nützt das nichts für seine Profession, wenn niemand dort ist. Ein Schriftsteller kann allein arbeiten, ...

Ja, er muss es sogar, ...

... die Frage, ob es viele Leute lesen werden, ist dann eine andere. Das ist aber nicht das Primäre, wenn man daran arbeitet. Man ist als Schriftsteller ja nicht allein. Bereits die Figuren, mit denen man sich beschäftigt, sind ja Wahlverwandtschaften, mit denen man sich geistig austauscht.

Ja, aber auch die sind ja selbst erfunden. Erlogen sozusagen. Das Zuverlässigste sind noch die Leser, denen man das alles sagen möchte. Man hofft, dass es wenigstens einen gibt, den das interessiert.

Hast du schon einmal erlebt - am Flughafen, in der Bahn, wo auch immer -, dass jemand ein Buch liest und du bemerkst erst dann, es ist ein Buch von dir?

Einmal. Von Argentinien bin ich zurückgeflogen nach Europa und da saß ein Mann vor mir, der den „dressierten Mann“ gelesen hat. Es war ein Nachtflug und er hat immer wieder aufgelacht. Das war ein wunderbares Gefühl. Am nächsten Morgen, ich weiß nicht, man hat dann doch ein bisschen geschlafen und findet dann nicht den Mut, dass man dem sagt: Ach übrigens, das war ein Buch von mir, das Sie da gelesen haben ... Aber es war ein sehr schönes Gefühl.

Bei der Vorbereitung auf dieses Gesprächs haben wir ein paar deiner Bücher gelesen, alle konnten wir leider nicht lesen – es gab sie zum Teil auch gar nicht mehr im Buchhandel -, und bei dem „dressierten Mann“ hatten wir den Eindruck: Was für eine wunderbare Parodie.

Parodie? (Allgemeines Lachen)

Du beschreibst dort die Männer mit der schwarzen Kleidung, die doch soviel kleckern und deshalb muss die Kleidung dunkel sein, damit man die Flecken nicht so sehen kann, ... (Lachen) Das war vor vierzig Jahren. 1971 ist „Der dressierte Mann“ zum ersten Mal erschienen. Und wenn ich in dein Werkverzeichnis schaue: Das erste Buch 1969 in Deutschland war: „Mann und Puppe. Ein Comic-Roman.“ Danach kam dann „Der Sommer nach dem Tod von Picasso. Ein Spiel.“ und anschließend bereits das Freiheitsthema mit „Die Lust an der Unfreiheit“. Alle beim Caann Verlag in München erschienen.

Ja, ich habe damals in München gelebt.

Auf dem „dressierten Mann“, folgte dann „Das polygame Geschlecht. Das Recht des Mannes auf zwei Frauen“, 1974, und „Das Ende der Dressur. Modell für eine neue Männlichkeit“, 1977.

Das ist eine Trilogie. Sie ist vor einiger Zeit auch neu in einem Band erschienen.

Die nächsten Bücher sind dann: „Die Fünf-Stunden-Gesellschaft. Argumente für eine Utopie“, 1978, und „Alt. Manifest gegen die Herrschaft der Jungen“, 1980.

Das sind Folgethemen. Im „dressierten Mann“ ging es ja auch um Problemlösungen und dazu zählte auch die Regelung der Arbeitszeiten.