Keltische Philosophie bot erstaunliche Einsichten

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Thore Hansen. Foto: privat

(hpd) Thore D. Hansen ist der Autor von „Die Hand Gottes“. Der spannende und interessante Thriller spielt in der heutigen Zeit und handelt von der Niederschlagung der keltischen Kultur durch die Kirche. Im Interview erläutert der 42jährige, was ihn zum Schreiben bewegte und wie sich die Recherche für das Buch zu einer echten Leidenschaft entwickelte.

hpd: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, einen kirchenkritischen Roman zu schreiben, der sich zudem mit den Kelten beschäftigt?

Thore Hansen: Der entscheidende Impuls war ein Traum, der mich in die Zeit des 4. Jahrhunderts führte. Ich sah die Vernichtung eines keltischen Dorfes durch römische, christliche Legionäre. Ich hatte das Gefühl, zu erkennen, welche kulturhistorische Dimension, welche Wende die Vernichtung der heidnischen Kelten in Europa nach sich zog. Als jemand, der sich vor allem zur rationalen Erkenntnis und der Wissenschaft verpflichtet fühlt, war das der Auftakt einer spannenden Recherche.

Die Grundmotivation war es, kirchenhistorische Analysen, die nicht immer für jeden attraktiv zu lesen sind, in eine spannende Geschichte zu packen – mit Figuren, die man greifen, fühlen und erfassen kann, die unsere 1700 Jahre währende Kulturgeschichte lebendig werden lassen und zudem das Ganze aus einem neuen Blickwinkel beleuchten.

Sie weisen der katholischen Kirche eine hohe soziokulturelle Verantwortung für das Verschwinden der europäischen Heiden und in der Folge der weltweiten Zwangschristianisierung zu. Wie fundiert sind die Recherchen in „Die Hand Gottes“?

Die Recherche begann zunächst bei den besten Kirchenkritikern und Theologen, die sich insbesondere mit der Machtergreifung der katholischen Kirche, den vermeintlichen Bibelfälschungen, den kaiserlichen Interessen der Antike und anderen Fragen der Auswirkungen des christlichen Monotheismus beschäftigen.

Hervorzuheben sind Karl-Heinz Deschner, Hans Albert, Alan Posener, Michael Hebeis, Hans Küng und viele andere mehr. Sämtliche kirchenhistorischen Fakten sind also sorgfältig recherchiert.

Auf der anderen Seite wurde die Recherche über das keltische Druidentum zu einer echten Leidenschaft. Dabei darf man nicht vergessen, dass noch heute rund zwei Millionen Kelten um ihr kulturelles Überleben kämpfen. Ich musste erkennen, wie folgenschwer das Verschwinden der keltischen Druiden für den weiteren Verlauf unserer gesamten Geschichte ist. Die Philosophen der keltischen Kultur, und sie waren noch viel mehr, standen – anders als es das ebenfalls von der katholischen Kirche propagierte Zerrbild der Barbaren vermittelt – auf Augenhöhe mit griechischen und römischen Philosophen.

Wie würden Sie das Ergebnis Ihrer Recherche zusammenfassen?

Als ein Ergebnis meiner Recherchen dienen die heidnischen Kelten nun in dem Roman als Projektionsfläche für die Verbrechen, die die junge Kirche seit ihrer Gründung fast allen heidnischen Kulturen nicht nur Europas, sondern in der Folge auch den afrikanischen und arabischen Stämmen, den nord- und südamerikanischen Indianern und den Aborigines angetan haben. Auch das ist historisch belegt und wir müssen uns bewusst sein, wie gegenwärtig die Auswirkungen immer noch sind.

Schließlich folgte dem europäischen Militärimperialismus immer gleich der religiöse, sogar als Rechtfertigung mit fatalen Folgen. Der damit einhergehende Verlust des Respekts vor Mensch, Tier und Natur wird hier zum Thema gemacht.

Die monistische Weltanschauung der Druiden und Kelten stand diametral entgegengesetzt zum Dualismus des Christentums von Gut und Böse, von Sühne und Schuld. Sie wurden wie alle anderen Heiden, als Bedrohung aufgefasst, zwangschristianisiert oder kulturell vernichtet. Dabei verdanken wir viele unserer Werte genau diesen mystischen Männern und Frauen, auch darauf wollte ich aufmerksam machen. So wie ethnische Minderheiten heute in Australien, Südamerika oder anderswo noch die mystischen Wurzeln ihrer Vorfahren kennen, kannten auch wir Europäer mit der Lehre der Druiden vor der Christianisierung eine andere Philosophie.

Aber dient das Druidentum nicht oftmals als Ersatzreligion? Wie passt das mit der Kritik gegen die katholische Kirche zusammen?

Der Esoterikmarkt, die esoterische Verklärung des Druidentums hilft jedenfalls kaum, das wahre historische Erbe der Kelten zu erkennen, das ist richtig. So mancher Neodruide verhält sich heute teilweise nicht besser als die Bibelfälscher ihrer Zeit. Die Wirklichkeit fordert hingegen mehr Verantwortung als Rituale, ob druidisch oder christlich. Aus meinen Recherchen kann ich beim Druidentum keine Religion erkennen, sondern eher einen sakralen Humanismus, dessen Werte einen völlig anderen Lebensentwurf widerspiegelten. Dem Leser wird klar, dass unsere Welt heute anders aussehen würde, wenn in Europa mit diesem Bewusstsein gehandelt worden wäre. Was man dabei nicht vergessen darf, ist, dass auch das politische Rom ein großes Interesse daran hatte, die Druiden zu verdrängen. Aber erst der Pakt zwischen Macht und Glauben besiegelte das Schicksal der Kelten wie auch den Verrat fast aller christlichen Werte. Dieser historischen Wahrheit muss sich die Kirche endlich stellen.

Was ich bedauerlich finde, ist die Anerkennung der Neodruiden als Staatsreligion in England, damit nehmen sie eine Form an, die für das antike Druidentum die Vernichtung bedeutete.

Welche Rolle spielen die keltischen Druiden, die Zeugen der Machtergreifung der katholischen Kirche, und inwieweit gehen Sie auch auf die aktuellen Kirchenskandale ein?

Da will ich nicht zu viel verraten, aber die Kelten und die Geheimnisse der Druiden dienen, wie es bei einem Roman üblich ist, als Matrix für die Erzählung, die aber wiederum auf in der Fachwelt bekannten historischen Umständen der Gründungszeit der Kirche beruht. Dass auch die Druiden von dem Treiben wussten, das unter Kaiser Konstantin begann, ist anzunehmen. Und um schließlich auch der aktuellen Kritik am Vatikan Rechnung zu tragen, vollzieht der Roman ein quasi realistisches völkerrechtliches Szenario, indem Verbrechen und Verdächtigungen wie Kindesmissbrauch und Verstrickungen in die organisierte Kriminalität thematisiert werden, aber auch der Anspruch auf historische Wahrheit. Die aktuellen juristischen Verfahren in den Vereinigten Staaten und Europa halfen mir als Politikwissenschaftler zudem, den Ausgang des Romans zwischen Fiktion und Wirklichkeit zu platzieren.

Es fällt auf, dass Sie in Ihren Roman kaum von „den Christen“ sprechen, sondern fast ausschließlich vom Vatikan. Hat das einen besonderen Hintergrund?

Ja, in der Tat. Der Vatikan, seine Geschichte und seine Verbrechen sind nicht mit dem Christentum gleichzusetzen und auch nicht mit den christlichen Mystikern. Diese setzten oft genug gegen die Amtskirche bei der Verwirklichung christlicher Werte oder der Botschaft ihres Propheten ihr Leben aufs Spiel und riskieren heute ihre Existenz, wie die derzeit weltweit gegen das Zölibat rebellierenden Priester, die offen zum Widerstand gegen Rom aufrufen. Ich habe kein Interesse daran, Christen zu verletzen, sondern historische Fakten und aktuelle Verbrechen in eine spannende Geschichte zu verpacken, die, so brisant das Thema auch sein mag, Unterhaltung bietet und gerne auch die Debatte um die Rolle des Vatikans weiter vertieft.

Wie stehen Sie selber zu Religion, Gott und Spiritualität?

Als Rationalist und Atheist muss ich gerade in der Philosophie der weisen Druiden und ihrer Weltanschauung erkennen, dass die Welt jede Menge mystische Erkenntnisse zur Verfügung stellt, die mich davor bewahren, nur auf die empirische Wissenschaft zu setzen. Ich gehöre wohl zur Gattung Atheist mit agnostischen Tendenzen. Ich würde meine eigenen Erfahrungen leugnen, in denen ich zwar keinen Gott, durchaus aber Erlebnisse mit Menschen teile, die mich an die Grenzen des Erkennbaren bringen. Eines ist gewiss, es wird immer etwas ungewiss bleiben. Der Wiener Physiker Anton Zeilinger brachte es einmal so auf den Punkt. Zwei Fragen könne die Wissenschaft wohl kaum beantworten. „Woher kommen die Naturgesetze und wer schuf die Anfangsbedingungen, die alles erschaffen haben.“
Die Wissenschaft, wie wir sie heute kennen, ist streng genommen das Ergebnis einer Dualität, die erst die katholische Kirche erschaffen hat. Religion und Wissenschaft sind dual. Wissenschaft und Spiritualität hingegen ergänzen sich.

Können Sie das näher erläutern?

Es ist zum Beispiel wissenschaftlich erwiesen, dass Meditation eine beruhigende, heilende und mitunter sehr inspirierende Wirkung hat, aber deswegen muss ich mich nicht als Buddhist definieren. Genauso wenig kann ich die ambivalenten Wirkungen unseres wissenschaftlichen Weltbildes ausblenden. Eines ist gewiss, Religion in Form von Indoktrination und Anspruch auf Allwissenheit steht meinem humanistischen Weltbild entgegen und verhindert es, dass wir selbstständig und selbstbewusst denken sowie die Verantwortung für uns und unseren Planeten übernehmen, anstatt diese Verantwortung an eine äußere Instanz abzugeben.

Auch hier bot die keltische Philosophie erstaunliche Einsichten und ein Bewusstsein, das dem Menschen ein sehr hohes Potenzial innerer Einsicht zutraute und vor allem auf dieses vertraute – und zwar frei von jedweder Indoktrination oder Determination.

Wird es eine Fortsetzung von „Die Hand Gottes“ geben?

Ich schreibe derzeit an einem Fortsetzungsroman, in dem einige Figuren an weiteren Machtzentren in unserer globaliserten Welt rütteln. Die Kirche wird hier keine oder nur eine nebensächliche Rolle spielen. Mehr verrate ich noch nicht.
 

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Fiona Lorenz

 

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Wer Thore D. Hansen bei einer Lesung seines Thrillers “Die Hand Gottes” live erleben möchte, hat dazu am Mittwoch 21.09.2011, in Berlin Gelegenheit. Doch nicht nur dies, auch Stefan Bonner und Anne Weiss werden aus ihrem Buch “Heilige Scheiße” lesen. Die Veranstaltung wird von Michael Schmidt-Salomon moderiert. Veranstaltungsort: Umspannwerk Kreuzberg, Ohlauer Straße 43, 10999 Berlin, Einlass: 18:30 Uhr, Beginn: 19:00 Uhr.

Darüber hinaus ist Thore Hansen vom 30. September bis 16. Oktober 2011 auf einer bundesweiten multimedialen Lese- und Vortragstournee, zu Tickets und Vorverkauf geht es hier.

 

Spannend: Die Hand Gottes (1. September 2011)