LONDON. (hpd) Anfang September des letzten Jahres absolvierte Benedikt XVI. in Großbritannien seinen Staatsbesuch. In London gingen damals 20.000 Menschen aus Protest gegen den Papst auf die Straße, 100.000 Gläubige umjubelten ihn. Eine Studie ergab nun, dass bei der Mehrheit der Briten außer Spesen fast nichts vom Papstbesuch hängen geblieben ist. Neun von zehn Befragten meinten, der Besuch habe an ihrer moralischen Haltung nichts geändert.
Neun Prozent der Befragten gaben an, katholisch zu sein. Und nur die knapp Hälfte der befragten Katholiken (48 Prozent) bezeichneten sich als religiös, die anderen als Personen mit einer spirituellen, agnostischen oder atheistischen Haltung. Unter allen 2049 Teilnehmern der Befragung des britischen Meinungsforschungsinstitutes Opinion waren rund jeweils ein Viertel religiöse oder spirituelle Personen, 16 Prozent Agnostiker und 16 Prozent überzeugte Atheisten. Die Untersuchung mit Hilfe von 2049 Umfrageteilnehmern war von der katholischen Kirche selbst in Auftrag gegeben worden.
Obwohl die wie üblich als Staatsbesuch und mit 20 Millionen Pfund aus dem Staatshaushalt inszenierte Promo-Reise für den Katholizismus nach Großbritannien nicht von weniger Medienrummel begleitet wurde als hierzulande, können sich laut Umfrage fast ein Jahr später 29 Prozent nicht daran erinnern, irgendwas vom Papstbesuch gesehen, gehört oder gelesen zu haben. An fast einem Drittel ging das Spektakel offenbar völlig vorbei. Noch weniger blieb von den einzelnen Events, wie dem Treffen mit der Queen oder dem Premierminister, im Gedächtnis hängen. Nur ein bis fünf Prozent gaben an, sich an diese erinnern zu können.
Zur geistigen bzw. spirituellen Erneuerung hat das Ereignis den Zahlen nach auch wenig beigetragen. Denn nur vier Prozent der befragten Briten meinten, dass sie dadurch in einen engeren Kontakt mit ihren persönlichen spirituellen Werten gekommen sind. Für ganze 91 Prozent gab es keinen Effekt, für weitere vier Prozent hat sich die Bindung im Rückblick auf Benedikts XVI. Fahrt über die Insel sogar verringert.
Auch in weiteren Fragen kam die Kirche schlecht weg: Wenig Zufriedenheit gab es mit den Äußerungen des Papstes zu den Missbrauchsskandalen, nur knapp einem Viertel (24 Prozent) genügten die Versuche der Entschuldigung. Noch weniger der Befragten (21 Prozent) befanden die durch die Kirche ergriffenen Maßnahmen als ausreichend. 70 Prozent sagten, die Kirche hat den Bezug zur gesellschaftlichen Realität verloren und obwohl gut die Hälfte (51 Prozent) der Auffassung war, Religion könne prinzipiell als eine Kraft des Guten wirken, attestierten nur weniger als ein Drittel (32 Prozent) der Umfrageteilnehmer dies der Religion in Form der katholischen Kirche – selbst 13 Prozent der Katholiken meinten, ihre Kirche könne keine Kraft des Guten sein.
Arik Platzek