Ein Geldhahn zu - ein anderer auf

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Tufa-Exponat: Jörg Baltes

TRIER. (hpd) Am 13. April 2012 beginnt in Trier die „Heilig-Rock-Wallfahrt“, zu der 500.000 Pilger erwartet werden. Das Kultur- und Kommunikationszentrum TUFA in Trier veranstaltet parallel zur Präsentation der angeblichen Tunika Christi eine eigene Wallfahrt. Dieser wurden plötzlich Fördergelder gestrichen, das hatte ein Nachspiel.

Von Florian Chefai

Unter dem Titel „Reliquie – Fetisch in Kirche, Kunst & Konsum“ möchte das Kultur- und Kommunikationszentrum Tuchfabrik (TUFA) in Trier eine künstlerische Auseinandersetzung zu Fragen von Konsum, Kommerz und modernen Götzenbildern anstoßen. So sollen mittels moderner Kunst experimentelle Erlebnisräume geschaffen werden, an denen sich circa 60 nationale und internationale KünstlerInnen wie Janosch, Jacques Tilly, Ralf König, Bazon Brock und Liu Guangyun beteiligen. Hintergrund dieser Veranstaltung ist die Trierer „Heilig-Rock-Wallfahrt“, zu der hunderttausende Pilger erwartet werden.

Die Kunstausstellung wird von einem Begleitprogramm „Die TUFA rockt!“ umrahmt, bei dem unter Mitwirkung von bekannten deutschen Denkern, Künstlern und Musikern weitere kritische Beiträge zu erwarten sind. Neben Performances, Trageprozessionen, Segnungen und Filmen findet in Kooperation mit der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) ein alternatives Pilgerprogramm unter dem Motto „Heilig's Röckle!“ statt. In dieser - von der gbs finanzierten - Veranstaltungsreihe werden im April und Mai 2012 hochkarätige Religionskritiker auftreten. Beispielsweise referiert die ehemalige SPD-Spitzenpolitikerin Ingrid Matthäus-Maier über die notwendige Trennung von Kirche und Staat. So gibt es zusätzlich zur großen Bandbreite kreativer und inspirierender Verarbeitung des Themas „Reliquie“ ein wissenschaftliches und provokantes Begleitprogramm, welches die intellektuell-redliche Auseinandersetzung mit zusammenhängenden Themen sucht.

Ob die Ausstellung wie geplant stattfinden kann, ist allerdings fraglich. Wie in einer Pressekonferenz am vergangenen Dienstag mitgeteilt wurde, waren die Kulturstiftung Trier sowie die örtliche Sparkassenstiftung als finanzielle Unterstützer kurz zuvor abgesprungen. Damit gingen der TUFA ungefähr 12.000 Euro fest eingeplante öffentliche Mittel verloren, die rund ein Drittel der Gesamtkosten des zweimonatigen Kunstprojekts abdecken sollten. Eine „Notbremse“ sei nicht eingerichtet worden. Schließlich wurden die Anträge früh genug gestellt.

Als einer der Gründe, warum diese Fördergelder kurz vor Beginn der Ausstellung nicht mehr bewilligt werden, wird auf der Pressekonferenz die Kooperation mit der gbs genannt. Die Stiftung äußert sich als Denkfabrik für Humanismus und Aufklärung, der viele renommierte Wissenschaftler, Philosophen und Künstler angehören, häufiger religionskritisch zu Wort. Auf die Nachfrage des Trierer Nachrichtenmagazins 16vor distanzierten sich jedoch Harry Thiele (Vorsitzender der Kulturstiftung Trier) sowie Willi Weyer (Sparkassenvorstands-Assistent) von dieser Darstellung. Es seien demgegenüber „grundsätzliche Erwägungen“ gewesen, die zur Ablehnung der Anträge geführt hätten. Welche Erwägungen es genau waren, bleibt allerdings unbeantwortet.

Dass dem Trierer Bistum die kritische und teilweise satirische Auseinandersetzung mit dem Heilig-Rock-Spektakel und die Kooperation mit der gbs nicht gefallen dürfte, leuchtet ein. Interessant sind aber diesbezüglich die personalen Verflechtungen, die zwischen dem Bistum und den Stiftungen bestehen. Der ehemalige Kulturdezernent und CDU-Oberbürgermeisterkandidat, Ulrich Holkenbrink, ist Vorstandsmitglied der Kulturstiftung Trier als auch der Sparkassenstiftung. Sein Bruder, Georg Holkenbrink, ist Generalvikar im Bistum Trier.

Laut Bericht des Trierischen Volksfreunds habe niemand die Kulturstiftung darüber informiert, dass die Reliquien-Ausstellung der TUFA in das offizielle Programm der Kirche aufgenommen wurde. Mit diesem Wissen hätte die Entscheidung laut Stiftungs-Vorstand Harry Thiele angeblich auch anders ausfallen können. Daher ist die Frage nicht unberechtigt, ob die Förderinstitutionen hinsichtlich ihres Urteils an die Meinung und Sympathie der Kirche gebunden sind. Dass das „Heilig's Röckle!“-Programm der gbs nicht von der Finanzierung der Reliquien-Ausstellung abhängt, war den Verantwortlichen der Stiftungen anscheinend nicht bewusst. Die Entscheidung hätte nach sorgfältiger Recherche womöglich anders ausgesehen.

In einer Meldung der gbs sprach Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon von einem „Skandal“. Als öffentliche Einrichtungen sollten beide Stiftungen in ihrer Förderpraxis die gesellschaftliche Pluralität berücksichtigen und Meinungsvielfalt garantieren. Hier zeige sich auch, wie wenig die Trennung von Staat und Kirche vorangeschritten sei.

Doch am Mittwoch vergangener Woche kam die Erleichterung. Kulturdezernent Thomas Egger (FDP) erklärte in einer Sitzung der Dezernatsausschüsse III und IV, dass die TUFA-Ausstellung wohl wie geplant stattfinden wird. Laut Meldung des Nachrichtenmagazins 16vor habe er vor kurzem aus Mainz ein Signal erhalten, dass von Seiten des Landes Rheinland-Pfalz mit größerer Unterstützung zu rechnen sei sowie „der städtische Kulturetat noch etwas mehr belastet“ werden dürfe. Die Finanzierungslücke reduziere sich somit vorerst auf rund 5000 Euro. Derweil äußerte sich auch die SPD-Stadtratsfraktion zu den Geschehnissen. Ihr Kulturpolitischer Sprecher, Markus Nöhl verwies auf die Pflicht „auch Projekte zu unterstützen, die einen Widerspruch provozieren.“

Auf Nachfrage am heutigen Dienstag, 27. März, erklärte die TUFA-Geschäftsführerin Teneka Beckers, die endgültige Entscheidung, ob die Ausstellung stattfinden wird, werde heute Abend auf der Vorstandssitzung der TUFA gefällt. Allerdings gab sie sich zuversichtlich: „Wir haben viel Sympathie erfahren, es gab viele positive Äußerungen. Einiges Geld ist schon zusätzlich zusammengekommen.“ 6.000 € Zuschuss kämen im Rahmen des Kultursommers Rheinland-Pfalz vom Land, 2.000 € stelle die Stadt Trier. Das noch fehlende Geld werde sicherlich noch hereinkommen, auch privat sei schon gespendet worden.

Letztlich wird es wohl darauf hinauslaufen, dass die Streichung der Fördergelder der Kulturstiftung Trier und der Sparkassenstiftung dem Interesse an dem Alternativprogramm zur Heilig-Rock-Wallfahrt förderlich sein wird. Schließlich trugen die Verantwortlichen durch ihre ablehnende Haltung dazu bei, dass die Bedeutung der kritischen Auseinandersetzung mit streitbaren Themen in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit rückte. Des Weiteren zeigten die letzten Tage, wie wichtig es ist, eine von Partikularinteressen unabhängige Kunst- und Meinungsfreiheit zu gewährleisten. Es ist zu hoffen, dass sich dieses Bewusstsein in Form von Unterstützung der Ausstellung durch die Bevölkerung manifestiert.

 

Um die Ausstellung „Reliquie: Fetisch in Kirche, Kunst & Konsum“ wie geplant durchführen zu können, ruft die TUFA weiterhin zu Spenden auf. (Kontonummer: 1005859, Sparkasse Trier, BLZ: 58550130, Stichwort: „Reliquie 2012“ – der TUFA e.V. ist als gemeinnützig anerkannt und daher berechtigt, Spendenbescheinigungen auszustellen.)