OBERWESEL. (hpd/gbs) In einem Brief an den Bundesminister der Verteidigung, Thomas de Maizière, hat der Vorstand der Giordano-Bruno-Stiftung die jüngsten Äußerungen des katholischen Militärbischofs Franz-Josef Overbeck kritisiert. Overbeck habe nichtreligiösen Menschen das Menschsein abgesprochen und als Soldaten zweiter Klasse abgestempelt. Der Minister dürfe dies nicht unwidersprochen stehenlassen, zumal es in den Streitkräften mehr konfessionsfreie als katholische Soldaten gebe.
Bei der diesjährigen Soldatenwallfahrt nach Lourdes hat Militärbischof Dr. Franz-Josef Overbeck nichtreligiösen Menschen das Menschsein abgesprochen. Unter anderem behauptete er: "Ohne Religion und ohne gelebte Praxis von Religion gibt es kein Menschsein." Zudem meinte Overbeck gegenüber der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA), dass konfessionsfreie Soldaten nicht so gewissenhaft entscheiden könnten wie religiöse: "Oberste Priorität hat, dass Soldaten Gewalt nur im äußersten Notfall und vor allem verantwortungsvoll einsetzen. Mit einem festen Glauben lassen sich solche Entscheidungen gewissenhafter treffen."
Im Brief an den Verteidigungsminister schreibt der Vorstand der Giordano-Bruno-Stiftung: " (…) es erfüllt uns mit Sorge, wenn ein Bischof vor Soldaten Ungläubigen das Menschsein abspricht. Und wir fragen uns: Wenn der Leiter der katholischen Militärseelsorge schon gegenüber der Öffentlichkeit solche Äußerungen abgibt, welche Botschaft vermitteln er und seine Militärgeistlichen den katholischen Soldaten dann, wenn "keiner zuschaut"?! Wir sind der Meinung, dass der Bundesminister der Verteidigung hier nicht untätig bleiben kann. Immerhin stehen Sie auch gegenüber den konfessionsfreien Soldatinnen und Soldaten in der Pflicht, die mittlerweile etwa die Hälfte (!) der Streitkräfte stellen. Wie wird es bei diesen Menschen ankommen, wenn der katholische Militärbischof sie unwidersprochen diskriminieren darf? Wir wissen von einem Reserveoffizier, der wegen Overbecks Äußerungen jetzt nachträglich den Wehrdienst verweigert hat. Seine Begründung: 'Unter solchen Bedingungen empfinde ich es als nichtreligiöser Mensch als unwürdig, Mitglied der Bundeswehr zu sein.' Er dürfte nicht der Einzige sein, der so denkt."
Das Bundesministerium der Verteidigung fördert die Seelsorge für evangelische und katholische Christen mit rund 30 Millionen Euro pro Jahr. Militärbischof Overbeck ist allerdings nicht nur für die christliche Seelsorge, sondern auch für die Organisation und die Themen des sogenannten "Lebenskundlichen Unterrichts" der Bundeswehr mitverantwortlich. Hierbei handelt es sich keineswegs um Religionsunterricht, sondern um eine "berufsethische Qualifizierungsmaßnahme", wie es in der Zentralen Dienstverordnung 10/4 heißt.
Genau an diesem Punkt setzt die Kritik des gbs-Vorstands an. Stiftungsgründer Herbert Steffen und Stiftungssprecher Michael Schmidt-Salomon halten es "nicht für akzeptabel, dass jemand, der Ungläubigen das Menschsein abspricht und sie zu Soldaten zweiter Klasse abstempelt, weiterhin mit Verantwortung für den Lebenskundlichen Unterricht betraut bleibt." Von den Verantwortlichen für den Lebenskundlichen Unterricht müsse erwartet werden, "dass sie keinen Zweifel an ihrer Übereinstimmung mit den Werten der freiheitlich-demokratischen Grundordnung aufkommen lassen. Äußerungen wie jene von Bischof Overbeck unterminieren daher die Glaubwürdigkeit des Lebenskundlichen Unterrichts."
Von Thomas de Maizière fordert die gbs nun eine öffentliche Stellungnahme. Er solle klarmachen, "dass 'Menschsein' bzw. Menschenrechte und Menschenwürde selbstverständlich nicht von der Religiosität eines Menschen abhängen und die Qualifikation und Gewissenhaftigkeit der Soldaten von ganz anderen Eigenschaften bestimmt werden als vom persönlichen Glauben." Diesen Standpunkt müsse der Verteidigungsminister auch gegenüber Bischof Overbeck verdeutlichen.
Mit der staatlich garantierten Religionsfreiheit könnten die Entgleisungen des Militärbischofs in seinem öffentlichen Amt jedenfalls nicht legitimiert werden, meinen Steffen und Schmidt-Salomon: "Religionsfreiheit kann und darf kein Freibrief dafür sein, nichtgläubige Menschen unwidersprochen diskreditieren zu dürfen. Sollte Dr. Overbeck dies nicht einsehen wollen, ist er denkbar ungeeignet, Verantwortung für 'berufsethische Qualifizierungsmaßnahmen' der Bundeswehr zu tragen."
Man darf gespannt sein, ob und wie der Bundesminister auf das Schreiben der gbs reagieren wird.