„Always Look on the Bright Side of Life“

sapio_580-0899dan-barker.jpg

Dan Barker am Flügel / Alle Fotos © Evelin Frerk

KÖLN. (hpd) Am vergangenen Wochenende fand in Köln die diesjährige Atheist Convention statt. Im heutigen dritten und letzten Teil berichtet der hpd von der Verleihung des Sapio-Preises 2012, der Kampagne GerDiA, der „Hexenverfolgung“ in Nigeria, einem entlassenen Schweizer Lehrer, den Skepchicks und den Finanzen von Weltanschauungen in Deutschland – immer unter musikalischer Begleitung.

Nachdem einen halben Samstag lang die Autorin Anne Weiss („Heilige Scheiße“, „Generation Doof“) die Moderation souverän gemeistert hatte, übernahm zur 3. Verleihung des IBKA-Preises Sapio 2012 Assunta Tammelleo am Samstagabend die Aufgabe der Laudatorin.

Die Vorsitzende des Bundes für Geistesfreiheit, Beirätin der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) und langjähriges Mitglied des IBKA war eigens aus München angereist.

Umrahmt von einer wahrlich wundersamen Vorstellung von dem Zauberer und Illusionisten Kai Abrell, der mit Seiltricks, zwei bis drei Taschentüchern und chinesischen Ringen das Publikum immer wieder verblüffte, wurde der nicht dotierte IBKA-Preis Sapio 2012 an das „Team Buskampagne 2009“ verliehen.

Zum Einstieg in die Thematik wurde der achtminütige Trailer zum Film gezeigt, den Ricarda Hinz über die Buskampagne gedreht hat. Später wurde die DVD mit dem gesamten Film von den vier anwesenden der sieben Initiatoren der Kampagne signiert.

“Die Buskampagne war im Jahr 2009 ein säkulares Großereignis und hat die politischen Anliegen der nichtreligiösen Bevölkerung in die Öffentlichkeit transportiert“, begründete Rainer Ponitka, Pressesprecher des IBKA, bereits im April 2012 die Entscheidung für die diesjährigen Preisträger.

Die Buskampagne hatte – allen Widerständen zum Trotz – große mediale Aufmerksamkeit erzielt und damit indirekt eine unerwartet intime Verflechtung zwischen zahlreichen städtischen Busbetrieben und religiösen Institutionen aufgedeckt. Binnen kürzester Zeit war die Lösung gefunden, die Kampagne trotz der Ablehnung durch sämtliche städtische Busbetriebe durchzuführen. Unglaublich viele Menschen spendeten in kürzester Zeit ausreichend Geld und es konnte ein Bus gemietet werden, der durch ganz Deutschland fuhr und letztendlich 30 Millionen Menschen mit dem Spruch erreichte. „Es gibt (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) keinen Gott“.

Es geht also. Für das Mutmachen, für das Zeigen, dass es geht, auch mit wenigen Menschen, erhielten Evelin Frerk, Peder Iblher, Philipp Möller und Carsten Frerk stellvertretend für das gesamte siebenköpfige „Team Buskampagne“ den Preis. Dieser Preis, eine Guss-Skulptur, gleicht einem symbolischen Doktorhut mit Schlange (kann allerdings laut Kai Abrell auch umgedreht als Fressnapf für den Hund oder als Müslischale genutzt werden) und wird an Personen und Organisationen verliehen, die sich um Weltanschauungsfreiheit, Selbstbestimmung und Toleranz, die Trennung von Staat und Kirche, die Förderung vernunftgeleiteten Denkens u.ä. verdient gemacht haben.

Peder Iblher übernahm die Dankesrede, danach trugen die Kolleg/innen einige Anekdoten zur Buskampagne bei. Die Kampagne wäre, so das Fazit, nicht möglich gewesen, wenn nicht so viele Leute – auch vor Ort – geholfen hätten.

Musikalisch wurde das Ereignis von Dan Barker von der Freedom From Religion Foundation (FFRF) begleitet, der neben „Over the Rainbow“ auch eigene Kompositionen zum Besten gab, wie „Nothing Fails Like Prayer“ oder „You Will Always be my Natural Selection“.

Am Sonntagvormittag stellte die ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Verwaltungsrichterin Ingrid Matthäus-Maier die Kampagne „GerDiA – Gegen religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz“ vor. Das deutsche kirchliche Arbeitsrecht sei einzigartig in Europa, denn in Deutschland müsse man katholisch operieren und katholisch Fenster putzen, so Matthäus-Maier. Denn alle Arbeitnehmer sollten die Werte ihrer Arbeitgeber teilen, dies ginge aus den Selbstbeschreibungen sowohl der Evangelischen Kirche Deutschlands als auch der Katholischen Kirche hervor (Stand: März 2012). Das bedeute, auch Ärzte und Putzfrauen hätten einen Sendungsauftrag, einen Verkündigungsauftrag, die kirchlichen Werte und Ziele zu vertreten.

In Kirche und Diakonie gilt im Arbeitsrecht der sogenannte Dritte Weg: Löhne und Gehälter werden in mit Arbeitgebern und Arbeitnehmern besetzten Kommissionen ausgehandelt. Die Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände sind mit rund 1,3 Millionen Beschäftigten der größte Arbeitgeber in Deutschland.

Die deutsche Gesetzgebung und Rechtsprechung urteilen höchst kirchenfreundlich, somit gelten für über eine Million Beschäftigte in kirchlichen Unternehmen viele Grundrechte und Menschenrechte nicht. Sie haben kein Recht auf Tarifverträge, keinen Betriebsrat, keine Streiks. In acht Prozent der 28.000 Diakonischen Betriebe litten geschätzte 40.000 Mitarbeiter unter Lohndumping.

Die Referentin erwähnte das Beispiel einer bei Eltern und Kindern beliebten Kindergärtnerin in Königswinter, die entlassen wurde, weil sie sich von ihrem Mann getrennt hatte und zu ihrem neuen Partner gezogen war. Die Eltern protestierten massiv, woraufhin der Jugendhilfeausschuss der Stadt den Vertrag mit der Kirche kündigte.

In verschiedenen Stellenanzeigen, in denen für eine Tätigkeit im Labor, für Drittmittelwerbung, für eine Reinigungskraft mit 1,5 Stunden wöchentlich Mitarbeiter/innen gesucht wurden, wurde jeweils darauf hingewiesen, dass nur Menschen eingestellt würden, welche die Werte der jeweiligen Kirche verträten – dies laufe darauf hinaus, so Matthäus-Maier, dass die genannten Tätigkeiten nicht von Atheisten, Juden oder Muslimen ausgeübt werden dürften.

Die Kirchen, die selbst oftmals Null Prozent zur Finanzierung ihrer Institutionen beitrügen, entschieden über die Lebensführung ihrer Angestellten. Dabei waren 2011 37,6 Prozent der Deutschen konfessionsfrei, jeweils 29 Prozent waren katholisch bzw. evangelisch – somit waren immerhin 30,8 Millionen Menschen in Deutschland konfessionsfrei. Viele Kirchenangestellte müssen jedoch ausschließlich deshalb Mitglied in der Kirche bleiben, um ihre Arbeitsstelle nicht zu verlieren. Der Kirchenaustritt sei zudem neben der Eheschließung und dem Erwerb von Eigentum der einzige Rechtsakt, bei dem man persönlich erscheinen müsse und es seien Kirchenaustrittsgebühren bewusst eingeführt worden, um den Kirchenaustritt zu erschweren.

Die GerDiA-Kampagne, die von der gbs, vom IBKA und vom denkladen unterstützt wird, fordert daher, „die Gültigkeit des Betriebsverfassungsgesetzes auf kirchliche Sozialeinrichtungen auszuweiten, damit die dort Beschäftigten zukünftig ihre private Lebensführung nicht mehr an kirchlichen Vorgaben ausrichten müssen und die üblichen Mitbestimmungsrechte erhalten.“

Entgegen dem Usus in der Weimarer Republik, in der das Betriebsrätegesetz auch in kirchlichen Einrichtungen galt, stammt die politische Entscheidung, dass das Betriebsverfassungsgesetz nicht gilt, aus der Adenauerzeit. Matthäus-Maier verwies allerdings auf zwei Artikel des Grundgesetzes, aus denen hervorgeht, dass in Deutschland keine Staatskirche besteht: Art 4 GG zur Religionsfreiheit und Art 140 GG.

Die Zwangskonfessionalisierten sind selbstredend auch deshalb unfreiwillige Kirchenmitglieder, weil die Zugehörigkeit der Lohnsteuerkarte zu entnehmen ist – aufgrund einer Vereinbarung zwischen Hitler und dem Vatikan im Jahre 1933, dem Reichskonkordat, wurde die Lohnsteuerkarte 1934 um den Eintrag „Konfession“ erweitert. Diese Zwangskonfessionalisierung mache die Kirche als moralische Instanz unbrauchbar. (Weitere Informationen zur Kampagne gibt es hier und hier.)