Der inkontinente Papst

titanic-papst.jpg

Titanic-Titelbild (Ausschnitt)

FRANKFURT. (hpd) Die meisten hätten es gar nicht bemerkt. Der Papst hat jedoch entscheidend mitgeholfen, die Aufmerksamkeit für die Juli-Ausgabe des Satire-Magazins Titanic zu fördern. Und wer kein Exemplar mehr auftreibt, lacht auch so vor sich hin. Die Wirkung ist verblüffend, und doch war sie zu erwarten.

Ein Kommentar von Horst Herrmann.

Das Magazin hatte den Papst in weißer Soutane mit einem großen gelben Fleck im Schritt auf das Cover gesetzt ("Die undichte Stelle ist gefunden") sowie einem braunen Fleck auf der Rückseite, und dieser hat dagegen eine gerichtliche Einstweilige Verfügung erreicht. Das Blatt darf nur noch ohne die inkriminierten beiden Umschlagseiten ausgeliefert werden. Doch die bereits gelieferten Hefte müssen nicht zurückgeholt werden.

Nebenbei: Die ungeschwärzten Seiten können nach wie vor gerade da im Netz gefunden werden, wo sich das gesunde Volksempfinden der Katholiban austobt.

Für mich ein klarer Fall von Eigentor des Vatikans. Souveräner als ausgerechnet einen Anwalt zu bemühen, der schon in der Causa Wulff nicht eben glänzte, wäre gewesen, Ratzinger hätte amused reagiert - und die Sache ausgesessen wie Helmut Kohl das gemacht hat. Ich erinnere auch an die schlechten Erfahrungen, die in der Weimarer Republik gemacht worden sind: Klagen von Staatsoberhäuptern gegen Medien erzielen allenfalls einen Streisand-Effekt: Wer Informationen unterdrücken will, befördert diese umso mehr. Aber humorige Geduld kann offenbar vom Vatikan und seinem Oberhaupt nicht erwartet werden. Inkontinenz ist nur in Sachen Endlos-Reden erlaubt, und die beherrscht B 16 Woche für Woche zur Genüge.

Noch eins zu denen, die da an einem christlichen Stammtisch sitzen und den Volkszorn pflegen: Gewiss erfahren wir von erschreckenden Vorgängen im Islam (Beschneidungsurteil, Hinrichtung „ehebrecherischer“ junger Frauen, Reaktion auf Mohammed-Karikaturen, "Christenverfolgungen" und, und ...). Doch rege ich an, auf einschlägige Vergleiche zwischen Christentum und Islam zu verzichten. Christen sind keineswegs „besser“ und brauchen sich ihrer Vergangenheit durchaus nicht zu rühmen. Was wir aus dem aktuellen Islam zu hören bekommen, ist hierzulande geübte Praxis gewesen. Und ob beispielsweise die Aufklärung, die den Muslimen angeblich oder tatsächlich versagt geblieben ist, bei den abendländlischen Christen wirklich ein durchschlagender Erfolg war, ist zu bezweifeln.

Das ständige Gegreine bei jedem Witz über die Kirche („Mit Mohammed würden sie das nicht machen…“) ist wahrscheinlich Ausdruck des Frusts, dass Christen überwiegend in Ländern leben, wo sie nicht mehr so wacker zulangen dürfen wie in der guten, alten Zeit. Jedenfalls fordern die Ersten schon Schreibverbote.