Eindrucksvolle Nachahmer unter Wasser

Verbreitung des Mimikry-Kraken

Zur BOOT-Messe Düsseldorf 2010 wandere ich durch die Gänge der Taucherhalle. Verwundert blicke ich am Stand von Scuba-College/Sinai auf ein Video, das einen Mimikry-Kraken mit seinen Aktivitäten zeigt. Ich frage die Inhaberin, warum zur Werbung ihrer Rotmeerbasis ein seltenes Tier aus Südostasien herhalten müsse. Verblüfft registriere ich ihre Antwort, der Krake lebe in 6-7 m Tiefe vor ihrer Tauchbasis in Nuweiba. Sie zeigt mir dazu noch mehrere Bilder eines fotografierenden Kunden ihrer Basis, der das Tier ein paar Wochen zuvor dort entdeckte. Für mich ein wichtiges Dokument für ein Vorkommen im Roten Meer.

Das macht mich neugierig: Ich weiß von seiner Verbreitung im Westpazifik, finde aber keinen Nachweis von Thaumoctopus mimicus aus dem weiten Indischen Ozean dazwischen. Folglich kontaktiere ich den Cephalopoden-Experten Mark Norman in Australien, der mir bestätigt, ein Vorkommen mit solch großen Verbreitungslücken sei selten aber möglich. Er schließe aus, dass der Mimikry-Krake von Nuweiba am Sinai eine Verbreitung durch Ballastwasser von Schiffen sei. Die Weibchen bewachen nämlich die Brut in tiefen Verstecken, bis die Jungen aus den Eiern schlüpfen und eng bodengebunden aufwachsen. Norman sagt voraus, bei der nun wachsenden Zahl digitaler Unterwasserfotografen werde der sehr seltene Mimikry-Krake irgendwann auch im Indik, z.B. bei den Malediven, oder an anderer Stelle im Roten Meer weiter südlich als am Sinai nachgewiesen werden.

Welch großartiges Beispiel für Spezialisierung eines Kraken in seiner evolutionären Entwicklung! Ich gratuliere dem Rotmeer-Fotografen und, begeistert von seiner Entdeckung, gebe ich seinen Nuweiba-Fotos des Mimikry-Kraken Platz in der letzten Edition 2011 meines Buches RIFF-FÜHRER ROTES MEER. Im August 2012 erhalte ich nun neue, eindeutige Fotos von Thaumoctopus mimicus, aufgenommen bei Marsa Alam, weit im Süden Ägyptens gelegen. Es macht Freude, neue Erkenntnisse zur Verbreitung dieses fantastischen Nachahmers zu gewinnen.

Helmut Debelius

 

(Oben) Zwergkrakenweibchen mit Eiern, (unten) Zwergkrakenpaarung