Gottes Giftzwerg

grosz-giftzwerg.jpg

Gerald Grosz / Foto: parlament.gv.at

WIEN. (hpd) Die katholische Kirche und die „religiösen Gefühle“ ihrer Mitglieder haben in der politischen Auseinandersetzung eine ganzjährige Schonzeit. Das geht auch zu Lasten von Kirchen-Opfern, wie die regelmäßigen Ausfälle eines besonders eifrigen Kirchenschützers zeigen.

Kein Parlamentarier verfolgt oder beschimpft Kirchenkritiker so eifrig wie er: Gerald Grosz, seit 2008 Abgeordneter zum österreichischen Nationalrat für die rechtspopulistische FPÖ-Abspaltung „Bündnis Zukunft Österreich“ (BZÖ).

Wer die katholische Kirche kritisiert, bekommt es mit ihm zu tun. Ohne Rücksicht auf Verluste und vor allem persönliche Befindlichkeiten. Besonders auf Sepp Rothwangl von der Initiative gegen Kirchenprivilegien hat er es abgesehen. Kaum macht der den Mund zu einem Thema auf, das nur entfernt mit dem Bereich Religion zu tun hat, übergießt ihn Grosz mit diffamierenden Presseaussendungen oder Anzeigen. Dass Rothwangl selbst Betroffener kirchlicher Gewalt ist und als Sprecher einer gleichnamigen Plattform Interessenvertreter von Kirchengeschädigten, stört ihn bei seiner Vorgehensweise wenig.

Im Vorjahr etwa versuchte Grosz, Rothwangl wegen Verhetzung dranzukriegen. Er warf ihm sogar NS-Methoden vor. Offenbar in Unkenntnis von Rothwangls Familiengeschichte: Seine Großmutter wurde von den Nazis ermordet, sein Großvater nahm sich aus Trauer das Leben. Rothwangl hatte sein Waldstück für Priester mit unbegleiteten Minderjährigen gesperrt und das mit Verbotstafeln kundgetan. Die Staatsanwaltschaft Leoben legte die Anzeige wegen Substanzlosigkeit zurück. Die StA konnte beim besten Willen nicht sehen, wie die Maßnahme irgendwen verhetzen würde. Für Grosz ein Justizskandal. „Auf Basis dieser Anzeige fanden nicht einmal ordnungsgemäße Ermittlungen statt. Die Staatsanwaltschaft Leoben hat in ihrer Einstellung darauf hingewiesen, dass betroffene Personen diese Anzeige hätten einbringen müssen. Von Substanzlosigkeit zu sprechen ist falsch!“, macht Grosz seinem Ärger in einem Mail an den hpd Luft.

Ob er sich weigert, die damalige Begründung der Staatsanwaltschaft Leoben zur Kenntnis zu nehmen oder ob er sie nicht versteht, geht aus dieser Beantwortung nicht hervor. Seinen Furor gegen Rothwangl dürfte das höchstens angestachelt haben. Als sich Rothwangl für ein Beschneidungsverbot in Österreich stark machte, erblickte Grosz die Möglichkeit, wieder per Presseaussendung auf ihn loszugehen. Wie im Vorjahr schwang der Rechtspopulist eifrig die Nazi-Keule. „Selbstverständlich wird hier von amtsbekannten Kreisen versucht, gegen Religionen im Allgemeinen mobil zu machen. Jene Gruppe, die vor knapp zwei Jahren in NS-Manier Pilgerverbotstafeln in der Obersteiermark aufgestellt hat, ist es nun auch, die gegen die religiöse Beschneidungen im Judentum und dem Islam mobil macht. Waren es vor zwei Jahren christliche Priester, die exakt vom selben Personenkreis pauschal als Kinderschänder dargestellt wurden, sind es heute Juden“.
hpd: „Meinen Sie damit, er (Rothwangl) verstößt gegen das Verbotsgesetz?“
Grosz: „Die Beurteilung überlasse ich der Justiz.“

Was er meint, weiß er offenbar selber nicht so genau

Wie er das meint, weiß er selbst offenbar nicht so genau. Auf Anfrage des hpd konnte oder wollte er nicht schlüssig erklären, warum Rothwangl in „NS-Manier“ agiere: „Diese Beurteilung überlasse ich jedem selbst. Fakt ist, dass der Ursprung solcher Verbotstafel für Vertreter von Religionen in der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten zu finden ist, die Verbotstafel für Wälder aufgestellt haben ‚Juden sind in unseren deutschen Wäldern nicht erwünscht‘.“ Auch eine Nachfrage brachte eher Verworrenes zutage
hpd: „Inwiefern stellt aus Ihrer Sicht Sepp Rothwangl Juden und Muslime pauschal als Kinderschänder hin? Mir sind keine diesbezüglichen Aussagen bekannt.“
Grosz: „Die Beurteilung genannter Person überlasse ich der Justiz und gegebenenfalls den österreichischen Gesundheitsbehörden. Ich verweise auch diesbezüglich auf meine letzte Aussendung zu einem Beschneidungsverbot.“

Immer sollen andere beurteilen, ob seine diffusen Aussagen zutreffen oder nicht oder was er genau meint. Das spricht nicht sonderlich dafür, dass er weiß, was er sagt. Auch sprechen die Diffamierungskampagnen nicht dafür, dass er seine Rolle als Justiz- und Menschenrechtssprecher seiner Partei sonderlich ernst nimmt. Mag sein, dass dahinter auch die Angst steckt, bei einer Klarstellung seiner reichlich schwammigen und beleidigenden Aussagen von den Betroffenen beklagt zu werden. Mancher von Grosz Beschimpfter vermutet Absicht hinter der Strategie: „Er will sich hinter seiner parlamentarischen Immunität verstecken. Das funktioniert aber nur, wenn seine Aussagen so vage bleiben wie bisher“, heißt es hinter vorgehaltener Hand.

Selbst rassistischen Wahlkampf geführt

Die Ironie, dass ausgerechnet er die Nazi-Keule schwingt, scheint Grosz zu entgehen. Er hatte im Grazer Gemeinderatswahlkampf Plakate affichieren lassen, die laut Kritikern im Kern aussagten: „Roma und Afrikaner in Graz unerwünscht“. Grosz, damals auch BZÖ-Spitzenkandidat in Österreichs zweitgrößter Stadt, verwendete selbst die Formulierung „Graz sauber“ machen zu wollen.

Gerald Grosz gebricht es an körperlicher Größe, und nicht nur ein Kritiker attestiert ihm, dass das für seine intellektuellen Kapazitäten genau so gilt. Das mag stimmen oder auch nicht. Mit etwas, das man als rhetorisches Talent bezeichnen könnte, oder einem übermäßigen Hang zur Logik fiel Grosz bislang nicht auf, was er mit hektischer Tätigkeit kompensiert. Kaum ein Nationalratsabgeordneter drängt sich so penetrant ins Rampenlicht wie er (Parteichefs und Klubobleute ausgenommen). Es sagt viel über die Qualität seiner Debattenbeiträge aus, dass er bei praktisch jeder Statistik einer der Abgeordneten ist, die die meisten Ordnungsrufe kassieren. Seine Beschimpfungsorgien gegen Kirchenkritiker gingen bisher nach Kenntnisstand des hpd straffrei aus. Das spricht weniger für Grosz als viel mehr dafür, dass Religionskritiker in Österreich bis heute von vielen Menschen als Freiwild behandelt werden.

Klerikaler Flügel seiner Partei

Schaumgebremster wirkte Grosz bei einer Rede im Nationalrat, wo er sich für den konfessionellen Religionsunterricht stark macht. Wohlgemerkt nur für den katholischen. SPÖ und Grünen wirft er vor, Familien zerschlagen zu wollen und fabuliert etwas davon, dass man „den Glauben“ aushöhlen wolle. NS-Vergleiche brachte er keine. Vielleicht lag es daran, dass sich die beschimpften Abgeordneten auch hätten verbal wehren können.

Unklar bleibt bei Grosz, warum ausgerechnet er die klerikale Flanke seiner Partei abdeckt. Eine sonderliche Nähe zur katholischen Kirche lässt sich aus seinem Leben nicht ableiten. Er bekennt sich zur Mitgliedschaft – aber das hat er mit 64 Prozent der österreichischen Bevölkerung gemein. Mag sein, dass er durch den BZÖ-Vorzeigekatholiken Ewald Stadler in den Kulturkampf hineingerutscht ist. Stadler, nach Eigendefinition „wehrhafter Christ“, hatte gemeinsam mit Grosz die Anzeige gegen Rothwangl erstattet. Dass Stadler die rhetorische und intellektuelle Führung im klerikalen BZÖ-Flügel hatte, ist offensichtlich. Stadler gilt auch bei Kritikern als einer der besten Redner der heimischen Politik – mit ausgeprägtem Hang zur aggressiven Polemik. Das brachte ihm den Spitznamen „Dobermann“ ein. Stadler sitzt mittlerweile im EU-Parlament. Das Fehlen seines Mentors wirkt sich abträglich auf die Aktivitäten von Grosz aus.

Vorgehen gegen Sexualstraftäter – und ihre Opfer

Seine Aussagen wirken zunehmend erratisch. Vor kurzem kritisierte er etwa die seiner Meinung nach zu milden Strafen für Sexualstraftäter in Österreich. Gleichzeitig prügelt er wie kaum ein anderer verbal auf Menschen ein, an denen sich Kirchenvertreter sexuell vergangen haben und die sich gegen neuerliche Übergriffe engagieren. Für einen selbsternannten Schutzpatron von Betroffenen von Sexualdelikten eine seltsam widersprüchliche Haltung. Der Widerspruch scheint ihm nicht groß aufzufallen. Wie so manches andere.

Es mag ihn trösten, dass er mit dieser Eigenschaft nicht allein ist unter den Kampfkatholiken Österreichs.

Christoph Baumgarten