Das JPPI (Jewish People Policy Institute) hat ein vierzehnseitiges Strategiepapier mit dem Titel: „The Circumcision Crisis: Challenge for European and World Jewry“ (Die Beschneidungskrise: Herausforderungen für die jüdische Lebensweise in Europa und der Welt) veröffentlicht.
Der Name ist Programm. Die Autoren der Studie werten das Kölner Gerichtsurteil sowie die zurzeit in Deutschland geführte Debatte zur Beschneidung als eine Bedrohung der Jüdischen Lebensweise, einer Bedrohung, der entgegen getreten werden müsse, damit sie nicht zu einem Präzedenzfall für Europa oder gar die ganze Welt werde.
Drei Hauptmotivationen, so kann man in der Studie lesen, gäbe es für die Forderung nach einem Beschneidungsverbot: Ein Neu-Aufleben des europäischen Antisemitismus, eine abwehrende Haltung gegenüber der wachsenden muslimischen Bevölkerung und deren kulturellen Praktiken sowie eine neue Form säkularen Glaubens: der „Glaube“ an die Menschenrechte.
Menschenrechtsbefürworter unterscheiden sich für die Autoren somit nicht von Missionaren anderer Religionen: In der Beschneidungsfrage stünde ihr Glaube an die Menschenrechte in direkter Konkurrenz mit dem jüdischen Glauben, den sie zu unterdrücken suchten.
Die in der Studie vorgelegte Situationsanalyse ist äußert scharfsinnig. Deutlich arbeiten die Autoren die Dilemma und Widersprüche heraus, die mit einem Beschneidungsverbot verbunden sind, wie z.B. den Widerspruch zwischen dem Recht auf Religionsfreiheit und auf körperliche Unversehrtheit, den Widerspruch zwischen der staatlichen Verantwortung für seine Bürger und der elterlichen Verantwortung und Entscheidungsbefugnis über ihre Kinder. Sehr genau werden diese Spannungsfelder darauf untersucht, wie man sie zur Verteidigung des Beschneidungsrituals nützen könnte. An einer Stelle wird auch die Möglichkeit abgewogen, am europäischen Gerichtshof gegen das Kölner Beschneidungsurteil vorzugehen. Ein Schritt, den man vorher aber gründlich prüfen sollte, wie die Autoren anmerken.
Was man in dem Bericht jedoch an keiner Stelle zu leisten versucht, ist die Praxis der Beschneidung zu hinterfragen, oder überhaupt Gründe, die für eine Verteidigung dieses Rituals sprächen, zu benennen. In den Köpfen der Autoren scheint das Ritual von vornherein unhinterfragbar und jeder Kritik entzogen zu sein. Es ist Teil jüdischen Lebens und damit Basta. Jeder Versuch etwas an diesem Ritual zu ändern oder es gar zu verbieten, muss somit Form von Antisemitismus sein und das selbst dann, wenn - wie in dem Bericht richtig bemerkt wird - viele der gläubigen Juden heutzutage nicht mehr hinter dem Beschneidungsritual stehen, geschweige denn, bereit sind es zu praktizieren.