Bischöfe missachten Religionsfreiheit

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Petersplatz / Foto: wikimedia commons

FREIBURG/LEIPZIG (hpd/bfg) Die katholische Kirche hat, eine Woche bevor sich das Bundesverwaltungsgericht mit der Möglichkeit eines teilweisen Kirchenaustritts befassen will, ein Dekret veröffentlicht, in dem bestimmt wird, dass diese Möglichkeit nicht besteht und wer nichts zahle, werde komplett ausgeschlossen. Eine Missachtung des Gerichts und der Religionsfreiheit.

In der kommenden Woche, am 26. September, wird sich das Bundesveraltungsgericht mit der Möglichkeit eines „teilweisen Austritt“ aus der katholischen Kirche befassen. Es geht um die Klage des emeritierten Freiburg Kirchenrechtlers Prof. Hartmut Zapp, der aus der Körperschaft des öffentlichen Rechts ausgetreten war, aber erklärt hatte, dass er sich weiterhin als Mitglied der Glaubensgemeinschaft verstehe. Seinen finanziellen Beitrag zur Kirchenarbeit werde er freiwillig in angemessener Höhe leisten.

Das Erzbistum Freiburg klagte dagegen - es geht um das Geld der Kirchensteuer - verlor in der ersten Instanz, gewann in der zweiten Instanz und Zapp ging vor dem Bundesverwaltungsgericht in Revision, das sich kommende Woche damit befassen will.

Die Richter des Bundesverwaltungsgericht wurden nun von der katholischen Kirche ‚vorgeführt‘, denn gestern veröffentlichte die Deutsche Bischofskonferenz ein, wie es heißt mit der römischen Kurie und dem Papst persönlich abgestimmtes „Allgemeines Dekret“, das verfügt: Der Kirchenaustritt vor einer staatlichen Behörde „stellt als öffentlicher Akt eine willentliche und wissentliche Distanzierung von der Kirche dar und ist eine schwere Verfehlung gegenüber der kirchlichen Gemeinschaft.“ Damit wird der Kirchenaustritt geächtet und es erfolgt der Ausschluss von den Sakramenten, auch wenn das Wort Exkommunikation dabei offiziell vermieden wird.

Abgesehen von dem Vorgriff vor die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, das sich seine Befassung mit der Thematik wohl an den Nagel hängen kann, wird auch die Religionsfreiheit der Katholiken beschädigt.

So hält der Bund für Geistesfreiheit (bfg), als Körperschaft des öffentlichen Rechts den Kirchen rechtlich gleichgestellt und die Interessenvertretung von weltlichen Humanisten in Bayern, die neuen Richtlinien der katholischen Bischofskonferenz für den Umgang mit Menschen, die aus der Kirche austreten, für unvereinbar mit dem Grundsatz der Religionsfreiheit.

Speziell die Praxis, die Ausgetretenen nochmals anzuschreiben und zu einem „Gespräch“ mit dem Pfarrer „einzuladen“, lässt jeden Respekt vermissen vor dem Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Person, die quasi einem Rechtfertigungsdruck unterworfen wird.

Dabei liegen die Gründe für einen Austritt doch in den meisten Fällen ohnehin auf der Hand: Wer als wehrloser Säugling von seinen Eltern in eine Glaubensgemeinschaft hineingezwungen worden ist, wird später in vielen Fällen nicht einverstanden sein mit der Glaubenslehre dieses Bekenntnisses, mit der undemokratischen Struktur dieser Gemeinschaft oder auch nur mit dem unverschämt hohen Mitgliedsbeitrag. (Immerhin summiert sich die Summe der Kirchensteuern bis zum Ruhestand samt Zinsen und Steigerungen minus Inflationsrate auf etwa 150.000 €.)

Pikanterweise widerspricht die jetzige Richtlinie der Bischofskonferenz eklatant dem Rundschreiben des Heiligen Stuhls vom März 2006, wo es u.a. heißt „Der rechtlich-administrative Abfall von der Kirche“ könne aus sich heraus nicht „einen formalen Akt des Glaubensabfalls“ bilden. Fast exakt ein Jahr, am 5.3.07, titelte die Katholische Internationale Presseagentur der Schweiz wörtlich: „Kirchenaustritt ist nicht Austritt aus der katholischen Kirche“. Es handle sich lediglich um einen Austritt aus der Kirchensteuerpflicht. Genau so sieht dies seit einigen Wochen die Schweizer Bischofskonferenz, während es der deutschen offensichtlich ums Geld geht.

Nutzen wird der Kirche diese Richtlinie allerdings wenig. Inzwischen verlieren die Kirchen mehr Menschen durch Überalterung als durch Kirchenaustritte: Von 100 Verstorbenen sind rund 72 katholisch oder evangelisch, aber von 100 Neugeborenen wurden 2010 nur 50,8 katholisch oder evangelisch getauft. Während jede der beiden Kirchen durch Austritte netto (also nach Abzug der Eintritte) nur je etwa 100.000 bis 120.000 Mitglieder jährlich verlieren, summiert sich der Gesamtverlust beider Kirchen seit 1990 auf fast exakt eine halbe Million pro Jahr. Daran wird sich auch nichts ändern, denn 70 Prozent der Austretenden sind jünger als 35 Jahre, und diese Generation entscheidet über die Taufe der Kinder.

Besonders plastisch zeigt sich der Kirchenschwund am Beispiel Münchens: Erst im Jahr 2000 sank der Anteil von Katholiken plus Protestanten unter 60 Prozent, nur elf Jahre später wurde schon die 50-Prozent-Marke unterschritten.

Gerhard Rampp