Beiträge zur Muslimenfeindschaft der Gegenwart

(hpd) Der Historiker Wolfgang Benz legt mit „Die Feinde aus dem Morgenland. Wie die Angst vor den Muslimen unsere Demokratie gefährdet“ einen ebenso informativen wie unsystematischen Band zur Islamfeindschaft in Deutschland vor.

Können die Muslime als neues Feindbild in der deutschen Gesellschaft gelten? Lassen sich Gemeinsamkeiten von Juden- und Muslimenfeindschaft ausmachen? Oder geht es der Rede um eine Islamfeindschaft primär um die Abschottung vor Kritik? Über diese Fragen wird seit einigen Jahren emotional wie sachlich in Öffentlichkeit und Wissenschaft kontrovers diskutiert. An diesen Debatten hatte sich auch der Historiker Wolfgang Benz, langjähriger Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin, beteiligt. Da er für eine vergleichende Vorurteilsforschung eintrat, hatte man sogar ausgerechnet ihm eine Verharmlosung der Judenfeindschaft vorgeworfen. Jetzt legt Benz mit dem Buch „Die Feinde aus dem Morgenland. Wie die Angst vor den Muslimen unsere Demokratie gefährdet“ ein eigenständiges Werk zum Thema vor. Er will damit aus der Perspektive eines Forschers, der sich mit dem Verhältnis von Mehrheit und Minderheit in einer Gesellschaft beschäftigt hat, einen Beitrag zu dem „notwendigen Diskurs über Integration“ (S. 9) leisten.

Zunächst geht es um die allgemeine Wahrnehmung von Muslimenfeindschaft, wozu es auch eine jahrhundertlange Tradition gibt. Einschlägige Auffassungen fänden sich auch in Buchpublikationen bekannter Autoren wie den Büchern von Oriano Fallaci und in Einstellungen in der Gesellschaft wie das Bielefelder Projekt zur „Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ zeige. Danach arbeitet Benz die einschlägigen Merkmale der Stereotype und Vorurteile gegen Muslime heraus und fragt nach der Angemessenheit von Begriffen wie „Islamphobie“, „Islamfeindlichkeit“ und „Muslimenfeindlichkeit“. In der historischen Traditionslinie des Vorurteils könne man auch Gemeinsamkeiten ausmachen: Die Strategie des Diskurses ziele immer dahin, „den Islam als Einheit erscheinen zu lassen“ (S. 50). Der Ideologisierung der Islamfeindschaft wird dem folgend anhand der Buchpublikationen von Autoren wie Necla Kelek und Hans Peter Raddatz, Thilo Sarrazin und Udo Ulfkotte gesonderte Aufmerksamkeit gewidmet.

Welche mitunter von Häme und Hass erfüllten Stellungnahmen muslimenfeindliche Auffassungen annehmen können, veranschaulicht der Autor danach am Beispiel der Internet-Einstellungen, wobei er vor allem die Seite „Politically Incorrect“ und die dort befindlichen Kommentare von Lesern zum Gegenstand der Analyse macht. Und schließlich findet man noch ein Kapitel zur organisierten Islamfeindlichkeit, das sich auf politische Organisationen wie die „Bürgerbewegung Pax Europa“, die „Freiheitliche Partei Österreichs“ oder die „Pro Deutschland“-Parteien bezieht. Islamfeindschaft stehe bei Letzteren für die „Abweisung alles Fremden (Zuwanderer, Asylbewerber, insbesondere Muslime)“ (S. 181).

Unterbrochen werden die Ausführungen in den einzelnen Kapiteln jeweils durch eingestreute Interviews mit dem Dialogbeauftragten der DITIB Bekir Alboga, dem ehemaligen Berliner Innensenator Ehrhard Körting, dem Vorsitzenden des „Zentralrats der Muslime“ Aiman Mazyek und der Koordinatorin des „Netzwerkes gegen die Diskriminierung von Muslimen“ Lydia Nofal.

Die Ausführungen des Buches veranschaulichen die unterschiedlichen Dimensionen und Facetten von Islam- und Muslimenfeindlichkeit in Deutschland, welche eben nicht nur in dubiosen Internet-Seiten oder bei politischen Kleinorganisationen zu finden ist. Aus analytischer Sicht verdienen insbesondere die Ausführungen zu den strukturellen Merkmalen entsprechender Einstellungen und Vorurteilen inhaltliches Interesse. Gleichwohl wirkt das Buch in der Gesamtschau ein wenig fragmentarisch und unsystematisch, springt der Autor doch thematisch häufig hin und her. Auch fehlt es bei ihm an einer differenzierten Unterscheidung von demokratisch-humanistischer Islamkritik und fremdenfeindlich-hetzerischen Muslimenfeindlichkeit. Wenn er etwa in einem Beitrag zur „Ideologisierung der Islamfeindschaft“ sowohl die wissenschaftlich sicherlich kritikwürdigen Bücher von Necla Kelek und die verschwörungsideologischen Phantasien von Udo Ulfkotte in die gleiche Kategorie einordnet, darf dies als sachlich unangemessen kritisiert werden.

Armin Pfahl-Traughber

 

Wolfgang Benz, Die Feinde aus dem Morgenland. Wie die Angst vor den Muslimen unsere Demokratie gefährdet, München 2012 (C. H. Beck-Verlag), 220 S., 12,95 €.