WIEN. (hpd) Die österreichische Partei BZÖ fordert ein Aus für manche religiöse Steuerprivilegien. Die katholische Kirche fühlt sich bemüßigt, die Forderung sofort abzuschmettern. Was ihr das BZÖ mit schweren Fehlern leicht gemacht hat. Die Diskussion scheint beendet, bevor sie überhaupt begonnen hat.
Dass er mit einer inhaltlichen Forderung Schlagzeilen machen könnte statt mit der Selbstauflösung seiner Partei, hätte sich Josef Bucher, Obmann des BZÖ und dessen Klubobmann (Fraktionsvorsitzender) im Nationalrat, vermutlich auch nicht gedacht. Es sind wenige Sätze in einem Interview mit dem Radiosender Ö1, die die Aufmerksamkeit der heimischen Medien auf sich ziehen. Bucher fordert, dass Steuerprivilegien abgeschafft werden. Zuerst nennt er die Banken. Und: „Zum anderen gibt es große Organisationen, die Kirche beispielsweise, die keine Grundsteuer bezahlt, aber der zweitgrößte Immobilienbesitzer des Landes ist mit 250.000 Hektar Grund“
Frage: „Grundsteuer also für die Kirche?“
„Das muss sich einmal überlegen, ob es fair ist in einem Land, wo der Steuerzahler bluten muss, wo der Mittelstand sehr viel bezahlen muss, und jeder Häuslbauer und Wohnungsbesitzer alles bezahlen muss, und das bis zur Exekution geht, und große Organisationen sich die Rosinen herauspicken.“
Frage: „Haben Sie keine Religiösen, keine Christen unter ihren Wählern?“
„Doch, aber mir geht’s in erster Linie um Fairness und Gleichberechtigung in Österreich und da haben wir großen Aufholbedarf in Österreich.“
Für den Chef einer Kleinpartei, deren Abgeordnete sonst eher mit christlichen Umtrieben auffallen eine bemerkenswerte Aussage.
Was er sonst sagt, interessiert keinen der Journalisten, die über das Interview berichten. Das mag auch an der Reaktion der katholischen Kirche liegen, die nach einer Schrecksekunde den beliebten Probst des Stifts Herzogenburg, Maximilian Fürnsinn, zur medialen Abwehr der Bucherschen Forderung ausschickte. Womit die erste Debatte um kirchliche Steuerprivilegien seit längerem auch wieder beendet war. Alles Unsinn, meint Fürnsinn in einer Aussendung, die breite Aufmerksamkeit in den Medien bekam. Tenor: Bucher redet Unsinn, außerdem sind die tatsächlichen Steuerprivilegien eher Ausdruck einer Last als ein Privileg. Überhaupt ist man mehr Opfer der Umständ als Profiteur. So weit, so halb wahr, wie auch Buchers Forderung.
Dass Buchers Forderung „die Kirche“ solle endlich Grundsteuer bezahlen, so einfach abgeschmettert werden konnte, hat sich der BZÖ-Obmann selbst zuzuschreiben. Wie Fürnsinn feststellt, werden für die 250.000 Hektar Grund sehr wohl Steuern fällig. Grundsteuerbefreit sind „nur“ Kirchen, religiöse Verwaltungsgebäude, konfessionelle Privatschulen und Altersheime sowie Seelsorgestellen. Und die Befreiung gilt für alle vierzehn anerkannten Religionsgemeinschaften, nicht nur für die katholische Kirche. Da half es wenig, dass der „Bündniskoordinator“ des BZÖ, der Nationalratsabgeordnete Markus Fauland, seinerseits einige der inhaltlichen Fehler Fürnsinns zu korrigieren versuchte.
Inhaltlich liegen alle drei daneben. Fürnsinn verschweigt etwa, dass nur ein kleiner Klub von de facto Staatsreligionen vom Privileg Grundsteuerbefreiung profitiert. Das sind die vierzehn so genannten anerkannten Religionsgemeinschaften. Die so genannten „Bekenntnisgemeinschaften“, kleinere Religionsgemeinschaften, haben nichts davon. Das entzieht seiner Argumentation die Grundlage, der Gesetzgeber betrachte „Seelsorge“ bekenntnisneutral als „öffentliche Leistung“. Das fällt Fauland nicht groß auf. Die Behauptung Fürnsinns, die katholische Kirche besitze 65 Prozent aller Gebäude unter Denkmalschutz, ist ebenfalls falsch. Laut Bundesdenkmalbericht aus dem Jahr 2002, dem aktuellsten, der verfügbar ist, gehören den Religionsgemeinschaften gerade mal 3,6 Prozent aller denkmalgeschützten Gebäude in Österreich. Das steht in keinem der Medien, die die Aussagen Fürnsinns weitgehend ungeprüft übernahmen.
Was nicht die einzigen Unschärfen sind, worauf das Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien hinweist. In einer Presseaussendung kritisiert es, dass sich die Debatte nur um die Grundsteuerbefreiung drehe. Diese sei nur die „Spitze des Eisbergs“ der Steuer- und Abgabenbefreiungen für Religionsgemeinschaften. Allein, dass Mitglieder der katholischen, evangelischen und altkatholischen Kirche ihren Kirchenbeitrag absetzen dürfen, würde den Staat 120 Millionen Euro kosten. „Das ist eine staatliche Hilfeleistung, mit dem Ziel, den Menschen ihr Verbleiben innerhalb der Kirchenorganisation schmackhaft zu machen, daher ein ganz klares Religionsprivileg“, erklärt Niko Alm, Sprecher des Volksbegehrens. Er nennt eine Reihe weiterer Steuer- und Abgabenbefreiungen zugunsten der anerkannten Religionsgemeinschaften. Etwa die Befreiung von der Tourismusabgabe in manchen Bundesländern.
Dass die Debatte keine zwei Monate nach der Veröffentlichung des Buchs „Gottes Werk und unser Beitrag“ ausbrach, dürfte kein Zufall sein. Es war und ist die erste systematische Untersuchung religiöser Steuerprivilegien und der Finanzierung von Religionsgemeinschaften durch die Republik Österreich. Die Zahlen, die das BZÖ nennt, stammen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus dem Buch. Darauf weist das BZÖ nicht hin. Die einzigen, die die Quelle nennen, sind die Aktivisten des Volksbegehrens gegen Kirchenprivilegien. Die haben sich augenscheinlich auch am gründlichsten mit dem Thema auseinandergesetzt.
Christoph Baumgarten