Erster Einsatz des neuen Luther-Flyers

reformationstag_hannover_20.gif

Informationsstand / Foto: Ingeborg Wirries

HANNOVER. (hpd/ibka) Rechtzeitig zum Reformationstag haben die Regionalgruppen des IBKA und der gbs Niedersachsen/Bremen den Flyer „Luther beim Wort genommen“ fertiggestellt und am Info-Stand zum Reformationstag vor dem Haupteingang der Marktkirche in Hannover eingesetzt.

Fünf Mitglieder der beiden Regionalgruppen und eine gute Auswahl an kirchen- und religionskritischen Büchern sowie Flyer zu den aktuellen Themen (z.B. GerDiA-Thematik, Kinderrechtskampagne) waren am Stand vertreten.

Anfangs kamen nur wenige Passanten vorbei. Während der knapp vierstündigen Anwesenheit änderte sich dies, je näher der Abend und der Beginn der kirchlichen Veranstaltung kam. Es waren überwiegend ältere Leute, die in die Kirche wollten. Ein Blick in das Gebäude, kurz vor Beginn der Veranstaltung zeigte: Es waren noch etliche Sitze frei - und dies, obwohl der Niedersächsische Landesbischof Ralf Meister als „Hauptredner“ angekündigt war.

Das Transparent am Stand „Gott ist Spekulation“ zog die Blicke der meisten Vorübergehenden auf sich. Es gab Schmunzeln, Kopfnicken und überwiegend freundliche Blicke sowie etliche zustimmende Bemerkungen. Einige Passanten waren auch an einem kürzeren oder längeren Gespräch interessiert und nahmen auch den Luther-Flyer gerne mit. Sie waren erstaunt, auch erschreckt über Luthers menschenverachtende Äußerungen, die ihnen bis dahin unbekannt waren.

Der Flyer war in ca. fünf Monaten erarbeitet worden. Ausgangspunkt und Anlass dazu war und ist die Tatsache, dass Martin Luthers Schriften nur sehr selektiv bekannt sind, d.h. nur das zitiert wird, was den Kirchenfunktionären der (beiden!) christlichen Kirchen heutzutage gerade opportun erscheint.

Dass Luther sich umfangreich in menschenverachtendster Art und Weise etwa über die Frauen, die Ehe, Behinderte, sozial Benachteiligte und – natürlich – über die Juden geäußert hat, wird verschwiegen oder – wenn unvermeidbar – heruntergespielt oder als historisch bedingt relativiert. So beispielsweise von der ehemaligen Niedersächsischen Landesbischöfin Margot Käßmann in ihrer Funktion als Botschafterin des Rates der EKD für das Reformationsjubiläum 2017 in ihrer Rede am 22.5.2012 in Wittenberg: „Und auch hinsichtlich der Gewalt macht Luther Bemerkungen, die uns heute verstummen lassen.“ Sie redet es klein, wenn sie von „Bemerkungen“ spricht, was Luther in umfangreichen Schriften ausführlich geschrieben und sicher auch gepredigt hat.

Wegen des begrenzten Platzes konnten aus den gefundenen 69 fragwürdigsten Luther-Aussagen nur 10 davon in den Flyer aufgenommen werden. So musste beispielsweise auf diese Aussagen verzichtet werden: „Und je lieber man sein Kind hat, umso größer ist die Rute.“ Und „So soll auch (heute) noch das weltliche Schwert und die Obrigkeit die Ehebrecher töten.“ Alle Zitate sind nachprüfbar mit Quellenangaben versehen.

Luther hat sich während der Bauernkriege – in klassischer Weise – schnell auf die Seite der Fürsten und Obrigkeiten geschlagen und gegen die Bauern gestellt. Das ist allerdings durchaus keine später beendete Strategie. Wie man beobachten kann, wird sie auch heutzutage praktiziert. In den Flyer haben wir drei Aussagen von evangelischen Kirchenfunktionären aus den Jahren 1938, 1944 und 1999 aufgenommen (im Zusammenhang mit dem Kosovo-Krieg), die die bestehende Aktualität dieser Strategie belegen.

Nunmehr – das ist der Wunsch der Regionalgruppen – kommt es darauf an, diesen Luther-Flyer über den „Luther ohne Mythos“ (Hubertus Mynarek) allgemein bekannt zu machen.

Ingeborg Wirries