WIEN. (hpd/pur) Nun ist es amtlich: die katholische „Opferschutzkommission“, die stets auf die eigene Unabhängigkeit gepocht hat und kirchliche Missbrauchsverbrechen aufklären sollte, ist in Wahrheit ein Teil der Erzdiözese Wien und somit in keiner Weise ,unabhängig'. Damit hat die Kirche vollen Zugriff auf sensible Opfer-Daten.
In einem aktuellen Bescheid der Datenschutzkommission der Republik Österreich, der nach der Anfrage eines Missbrauchsopfers erfolgte, heißt es:
1. Die sogenannte "Unabhängige Opferschutzkommission" ist organisatorischer Teil der Erzdiözese Wien und muss deswegen selbst keine Datenschutzgesetze einhalten.
2. Die österreichische Bischofskonferenz unterliegt ebenso wie alle anderen Organisationen dem Datenschutzrecht und muss per Bescheid, entgegen ihrer bisherigen Weigerung, allen Betroffenen Auskunft über Art und Inhalt der gespeicherten Daten erteilen.
Grundrechte von Opfern massiv verletzt
Die Klasnic-Kommission hatte bisher die Aushändigung von Daten an Missbrauchsopfer u.a. mit dem Argument der kirchenrechtlichen "geistlichen Verschwiegenheitspflicht" verweigert. „Der Bescheid der Datenschutzkommission offenbart schwere Mängel in der Umsetzung des Datenschutzgesetzes durch die katholische Kirche", kritisiert Hans Zeger, Obmann der Österreichische Gesellschaft für Datenschutz (ARGE Daten). „Mit der Konstruktion einer 'innerkirchlichen Datenschutzkommission' wurde versucht, Grundrechte von Betroffenen unzulässig zu beschränken. Im Ergebnis werden kirchliche Missbrauchsopfer zum zweiten Mal Opfer der Kirche. Auch im Bereich Grundrechte und Achtung der Privatsphäre besteht für die Kirche höchster Erneuerungsbedarf."
Opfer und Medien bewusst getäuscht
Auch für Sepp Rothwangl, Obmann der Plattform betroffener kirchlicher Gewalt, enthüllt dieser Bescheid einen ungeheuren Skandal: „Alle Betroffenen, die sich gutgläubig an die Klasnic-Kommission gewendet haben und intimste Details aus ihrem Leben preisgeben mussten, sind nun der Gefahr des Datenmissbrauchs ausgesetzt. Das kann eine zusätzliche Traumatisierung darstellen. Auch einige prominente Mitglieder der Klasnic-Kommission wären wohl nicht beigetreten, hätten sie gewusst, dass diese eindeutig der Kirche und damit den Tätern zurechenbar ist." In diesem neuen Licht muss diese Kommission wohl als PR-Trick von Kardinal Schönborn bezeichnet werden. Besonders heikel ist, dass etwa auch Brigitte Bierlein, Vize-Chefin des VfGH sowie Caroline List, Richterin des OLG Graz Mitglieder der Klasnic Kommission sind. „Das ist völlig inakzeptabel in einem demokratischen Land. Die Richterinnen sollen sich jetzt entscheiden, ob sie für die unabhängige Justiz oder für eine Schadensstelle der Kirche tätig sein möchten" so Rothwangl.
Löschung der Daten gefordert
Rechtsanwalt Dr. Heinrich Vana - er vertrat den Antragsteller vor der Datenschutzkommission - empfiehlt die Löschung der sensiblen Daten. „Wenn es in ein paar Monaten die unabhängige Opferschutzkommission der Erzdiözese Wien nicht mehr gibt, hat die katholische Kirche weiterhin Zugriff auf die hochsensiblen Daten der Betroffenen. Diese können innerhalb der kirchlichen Strukturen - bis hin zum Vatikan - von allen eingesehen und verwendet werden" so Vana.
Kirche einer der größten privaten Datensammler der Republik
Im Rahmen der Beschwerde bei der Datenschutzkommission wurde offenbar, dass die katholische Kirche vollkommen unkontrolliert auf Datenbestände zugreift. „Über das Melderegister weiß sie über den Wohnort sowie allfällige Umzüge Bescheid, über die Kirchenbeiträge bekommt sie genaue Informationen über die Einkünfte der Beitragszahler und deren Familien. Und über die Klasnic-Kommission bekommt sie Zugang zu intimsten Details von Missbrauchsopfern", zeigt sich Niko Alm, Sprecher des Volksbegehrens gegen Kirchenprivilegien, entsetzt.
Historische Abstimmung
Erstmals in der Geschichte des Landes gibt es eine demokratische Möglichkeit, gegen feudale Religionsprivilegien, Subventionen und Begünstigungen in der Höhe von 3,8 Mrd EUR jährlich zu stimmen. Die Eintragungswoche zum Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien findet von 15.4-22.4 in ganz Österreich statt.
Jakob Purkathofer
für Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien