Konkordatslehrstühle vor dem Ende?

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Bayerisches Staatswappen / Foto. Carsten Frerk

MÜNCHEN. (hpd) Völlig überraschend - auch für säkulare Organisationen -, haben die bayerischen Bischöfe vor ein paar Tagen erklärt, dass sie auf ihr im Bayerischen Konkordat zugebilligte Vetorecht bei der Besetzung von 21 Lehrstühlen an den Bayerischen Universitäten zukünftig verzichten wollen. Weitere Erklärung: keine.

In einem Vorbericht zur Tagung der Freisinger Bischofskonferenz war zwar davon die Rede gewesen, dass es „dem Vernehmen nach“ auf der Tagung der bayerischen Bischöfe auch zwei „heiße Eisen“ auf der Tagesordnung stehen würden: „Genannt werden dabei das Problem der Konkordatslehrstühle, deren Abschaffung von Politikern der SPD, Grünen und FDP gefordert wird, sowie die Weiterarbeit in der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals.“ Dann allerdings folgte eine lange Erörterung zum Konflikt der Bischofskonferenz mit dem Kriminologen Christian Pfeiffer, von den Konkordatslehrstühlen nichts weiter.

Für eine Erläuterung der Hintergründe waren „Kirchenvertreter am Montag nicht erreichbar“. Das eröffnet natürlich den Raum für Überlegungen und es zeigt etwas Wichtiges auf.

Von den Initiatoren der Konkordatslehrstuhlklage ist bereits die zweite Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht worden und die Klage bezieht sich u.a. auf Art. 3, 3 GG (Gleichheit und Diskriminierungsverbot) und Art. 5, 3 GG (Freiheit der Kunst und Wissenschaft). Angenommen, das Bundesverfassungsgericht würde bei der Nachprüfung des Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof auf verfassungsrechtliche Verstöße votieren und damit Art. 3 § 5 des Bayerischen Konkordats, in dem diese Konkordatslehrstühle vereinbart sind, als verfassungswidrig erklären, wäre ein Stein aus dem Konkordatsgebäude herausgebrochen, was der Anfang weiterer Klagen sein könnte. Mit derselben Begründung wäre dann auch die Bestimmung des Art 3 § 2 des Konkordats anfechtbar, die für die ProfesorInnen der katholischen Theologie ebenso eine Zustimmung des jeweiligen Diözesanbischofs erfordert. Den Anfängen wehren hieße in diesem Falle, einen politisch mittlerweile umstrittene Passus ‚freiwillig‘ aufzugeben, bevor ein Urteil der Verfassungsgerichts, oder letztendlich des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, die Einmischungsrechte der Bischöfe gänzlich aufhebt.

Zum anderen zeigt sich, wie wichtig ein gemeinsames Handeln mehrerer Organisationen ist, die dadurch in der Lage sind, durch Mobilisierung von Spenden die notwendigen finanziellen Mittel zusammen zu bekommen. Für den Instanzenzug vom Verwaltungsgericht Ansbach über den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof München bis zum Bundesverfassungsgericht sind für Gerichtsgebühren, Gutachten und Anwaltskosten erhebliche Beträge erforderlich. Die Giordano-Bruno-Stiftung schreibt dazu: „Allein vonseiten der Giordano-Bruno-Stiftung waren Spendengelder in Höhe von mehr als 20.000 Euro in das Verfahren geflossen.“ Das kann man nur gemeinsam ‚stemmen‘.

C.F.
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Zu der Bekanntgabe der Freisinger Bischofskonferenz haben die Humanistischen Union (HU), der Bund für Geistesfreiheit Bayern (BfG), die Giordano-Bruno-Stiftung (GBS) und der Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht.

Die katholische Kirche bewegt sich doch – wenn es gar nicht mehr anders geht!

Die katholische Kirche in Bayern will sich offenbar von einem Privileg trennen, das dem weltlichen Verfassungsstaat vollkommen unangemessen ist:  von den Konkordatslehrstühlen. Dabei handelt es sich um Lehrstühle in Fakultäten außerhalb der Theologie, bei denen der örtliche Bischof das Recht hat, einen von der Universität vorgeschlagenen Kandidaten abzulehnen, wenn er keinen „katholisch-kirchlichen Standpunkt“ vertritt. Betroffen sind davon insgesamt 21 Lehrstühle an bayerischen Universitäten aus den Fächern Philosophie, Pädagogik und Gesellschaftswissenschaften.

Bei dem Verfahren zur Besetzung eines Konkordatslehrstuhls für Praktische Philosophie an der Universität Erlangen-Nürnberg war es in den letzten Jahren zu zwei Gerichtsverfahren gekommen, bei denen es einmal um die mangelnde Berücksichtigung einer qualifizierten Professorin für die ausgeschriebene Stelle ging, zum anderen um den Text der Ausschreibung selber. Die beiden Gerichtsverfahren, die beide inzwischen zu einer Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht geführt haben, wurden von mehreren säkularen Verbänden unterstützt: der Humanistischen Union, der Giordano-Bruno-Stiftung, dem Bund für Geistesfreiheit Bayern und dem Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten, durch Spendenaufrufe und durch Beiträge aus dem Vereinsvermögen.

Die Frühjahrskonferenz der bayerischen Bischöfe hat nun am 30./31. Januar 2013 in Waldsassen beschlossen, auf dieses Recht in Zukunft verzichten zu wollen. Dabei mag auch der Umstand eine Rolle gespielt haben, dass eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes in Karlsruhe, die den Beschwerdeführern recht gegeben hätte, für die Kirche doch einigermaßen peinlich gewesen wäre. Dass in einem religionsneutralen Staat wie Deutschland, also auch in Bayern, freie Wissenschaft an staatlichen Hochschulen einerseits und kirchliches (Mit-)Bestimmungsrecht bei Forschung und Lehre  andererseits unvereinbar sind, dürfte eine rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit sein, die nun auch kirchlicherseits nicht mehr bestritten wird.

Die unterstützenden Verbände begrüßen diesen überfälligen Verzicht der Kirche auf ein anachronistisches und verfassungswidriges  Privileg und sie appellieren an die Bayerische Staatsregierung und an den Bayerischen Landtag, es  bei der nunmehr zu erwartenden Änderung des Bayernkonkordats nicht bei der Abschaffung der Konkordatslehrstühle zu belassen, sondern weitere neutralitätswidrige  Privilegien der katholischen Kirche zu beseitigen: den staatlichen Kirchensteuereinzug, die obsolet gewordenen Staatsleistungen, die bevorzugte Präsenz der Kirchen in den Gremien von Rundfunk und Fernsehen, die staatliche Finanzierung der Anstaltsseelsorge.

Die Organisationen danken den zahlreichen Spendern, ohne deren Hilfe die Gerichtsverfahren nicht hätten durch gefochten werden können, und sie danken insbesondere den beiden Klägern, Ulla Wessels und ein weiterer Kläger, ohne deren Klagen die Verfahren gar nicht in Gang gekommen wären.“