Beiträge zum Zustand der Demokratie

(hpd) Der Politikwissenschaftler Frank Decker legt eine Sammlung früherer Aufsätze, Artikel und Rezensionen vor. Nicht alle Beiträge hätten 2013 nachgedruckt werden müssen, gleichwohl verdienen die Texte insbesondere zum Populismus auch heute noch aufgrund ihrer bleibenden Aktualität inhaltliche Aufmerksamkeit.

Der Blick auf die politische Entwicklung nicht weniger europäischer Länder zeigt, dass ebendort rechtspopulistische Partei zunehmend Erfolge bei Wahlen verbuchen können und in die nationalen Parlamente als Fraktion einziehen. In einigen Fällen beteiligten sie sich sogar zeitweise als kleiner Koalitionspartner an einer Regierung oder unterstützten mit ihren Stimmen eine Minderheitenregierung.

Mit ihrer Agitation gegen Migration, Parteienherrschaft und Wohlfahrtsstaatlichkeit fanden die „Freiheitliche Partei“ in Österreich und der „Front National“ in Frankreich, die Lega Nord in Italien und der „Vlaams Belang“ in Belgien gesellschaftliche und politische Akzeptanz. Vor diesem Hintergrund greift man mit großem Interesse zu dem Band „Wenn die Populisten kommen. Beiträge zum Zustand der Demokratie und des Parteiensystems“, der von dem Bonner Politikwissenschaftler Frank Decker vorgelegt wurde. Der Autor einer bedeutenden Monographie zum Thema „Rechtspopulismus“ scheint hier mit weiteren Analysen und Kommentaren aktuell nachzulegen.

Beim Blick in das Buch muss ebenso gewarnt wie beruhigt worden: Denn es handelt sich keineswegs um ein Werk, das sich nur oder primär mit dem Populismus beschäftigt. Genau genommen enthält „Wenn die Populisten kommen“ eine Sammlung von Artikeln und Rezensionen, die Decker seit Beginn der 2000er Jahre in verschiedenen Zeitschriften und Zeitungen veröffentlichte. Sie stehen entsprechend des Untertitels für „Beiträge zum Zustand der Demokratie und des Parteiensystems“. Eingeteilt sind sie in die Rubriken „Parteien“, „Verfassung“, „Europa“ und „Demokratie“.

Demnach wird in den Texten ein umfassender Themenbereich analysierend und kommentierend behandelt. Er reicht von der Entwicklung der Grünen und der Entstehung eines Fünfparteiensystems über populistische Manöver beim Plebiszit und die Direktwahl vom Ministerpräsidenten sowie die Aufnahme der Türkei in die EU und die Demokratisierungsprobleme der EU bis zu den Herausforderungen der inneren Sicherheit und dem faktischen Multikulturalismus der Gegenwart.

Besondere Aufmerksamkeit verdienen dabei die Beiträge, die sich mit dem Rechtspopulismus beschäftigen. Der erste Artikel, der auch dem Sammelband den Titel gab, stammt zwar von 2000. Er kann inhaltlich aber immer noch Aktualität beanspruchen. Decker behandelt etwa die Frage der sozialen Basis, wobei er den „Modernisierungsopfer“-Ansatz differenziert kommentiert und weiterentwickelt. Der Politikwissenschaftler verdeutlicht auch, dass die Populisten an reale Probleme anknüpfen können. So schreibt er etwa: „Die künftige multikulturelle Gesellschaft wird also das Gegenteil einer Harmonieveranstaltung sein. Verantwortungsbewusste Parteien täten gut daran, die Bevölkerung auf dieses Szenario einzustellen, statt die Probleme wie bisher zu verdrängen“ (S. 21). Decker macht auch deutlich, dass das Motiv für eine Entscheidung zugunsten rechtspopulistischer Parteien nicht in einer bloßen Protesthaltung gesehen werden könne: „Es sind eher gemeinsame Wertorientierungen als harte sozialstrukturelle Merkmale ...“ (S. 302).

Alle Beiträge lassen den Kenner der jeweiligen Materie deutlich werden. Der Autor argumentiert differenziert und polemikfrei, wobei er seine Sympathien für ein sozialdemokratisches Politikmodell nicht verbringt. Gleichwohl führt dies bei ihm nicht zu unkritischer Apologie, Decker schreibt als Politikwissenschaftler, nicht als Politiker. Man kann bei manchen Fragen mit guten Gründen anderer Auffassung sein, so etwa hinsichtlich seines Plädoyers für eine Direktwahl der Ministerpräsidenten. Der Autor trägt aber auch solche Positionen begründet und reflexionswürdig vor.

Kritisch gefragt werden kann, ob man nun wirklich alle Beiträge in den Sammelband hätte aufnehmen müssen. Ist 2013 noch ein Text von 2002 über Edmund Stoiber bedeutsam? Wäre statt des Nachdrucks einer Abhandlung über die Schill-Partei von 2001 nicht eine bilanzierende Einschätzung von 2013 interessanter gewesen? Indessen haben andere Texte auch heute nichts von ihrer grundsätzlichen Aktualität verloren und verdienen inhaltliche Aufmerksamkeit.

Armin Pfahl-Traughber

Frank Decker, Wenn die Populisten kommen. Beiträge zum Zustand der Demokratie und des Parteiensystems, Wiesbaden 2013 (Verlag Springer VS), 354 S., 24,95 Euro.