POLEN. (hpd) Bemerkenswertes aus säkularer Sicht (Zeitraum 18.02. – 03.03.13). Eine Werbekampagne von Schwulen und Lesben, eine Diskussion um genetische Fehler bei der In-vitro-Fertilisation, Homosexualität bei der Ausbildung in polnischen Krankenhäusern und die Reform der Kirchenfinanzierung.
Werbekampagne – Schwule und Lesben gehen in die Offensive
Ende Februar berichteten polnische Medien über eine groß angelegte Werbekampagne, die die Organisation Kampagne gegen Homophobie (kampania przeciw homofobii) durchführen wird. Demnach sollen unter dem Titel „Eltern, traut euch zu sprechen“ in nächster Zeit in fünf polnischen Großstädten auf Werbeflächen große Plakate mit Eltern und deren homo- und bisexuellen Kindern zu sehen sein. Zum Ziel hat diese Aktion, eine höhere Sensibilität in der Öffentlichkeit für das Thema zu schaffen.
Zusätzlich soll die Präsenz von Menschen mit sexuellen Orientierungen, die in konservativ-klerikalen Kreisen nicht positiv bewertet werden, zeigen, dass diese normale und integrale Mitglieder der Gesellschaft sind. Die Eltern müssen sich somit nicht für ihre Kinder schämen. Insgesamt ließen sich drei polnische Familie für diese Aktion ablichten, sie soll auch eine Antwort auf die jüngste Debatte im polnischen Parlament (Sejm) über eingetragene Partnerschaften sein.
Auf Wiederstand trifft die Kampagne bei verschiedenen konservativen Politikern. Krystyna Pawlowicz, eine Abgeordnete der zweitgrößten Partei im Sejm (Recht und Gerechtigkeit, PiS), bezeichnet diese Kampagne als „Belästigung“. Denn nach Meinung der Sejm-Abgeordneten versuche diese sie mit „etwas Unnatürlichem vertraut zu machen“, das „pathologisch ist“ und für „viele Menschen ekelerregend”. Dabei ist Pawlowicz nicht etwa Außenseiter, Mitglied eines radikalen PiS-Flügels – nein, sie ist fester Bestandteil der Partei und wird von Parteikollegen gestützt. Zum Beispiel sagte der PiS-Abgeordnete Joachim Brudzinski in einem Radiointerview, dass es für ihn „ein Unglück wäre“ wenn seine Kinder homosexuell wären. Er hat auch „Mitleid mit diesen Eltern“.
Pawlowicz, die gleichzeitig als Professorin an zwei Universitäten tätig ist, wird in einem offenen Brief in Bezug auf ihre Ansichten über Homosexuelle verteidigt, der von fast 270 polnischen Wissenschaftlern unterschrieben wurde. In diesem ist zu lesen, dass „aus der Sichtweise der Evolution Homosexualität eine Anomalie ist“. Der Brief wurde Anfang Februar veröffentlicht und ist die Antwort auf einen Protestbrief von anderen Wissenschaftlern – Auslöser waren kritische Äußerungen von Pawlowicz im Parlament in Bezug auf die Einführung der Institution der eingetragenen Partnerschaften ins polnische Recht. Pawlowicz ist schon seit mehreren Wochen Protagonistin und Meinungsführerin bestimmter gesellschaftlicher Gruppen, die sich gegen Homosexualität aussprechen. Aufs schärfste kritisierte sie auch die transsexuelle Sejm-Abgeordnete Anna Grodzka.
Ein weiteres Beispiel zeigt, dass eine solche Kampagne gegen Homophobie für die Gesellschaft durchaus angemessen erscheint. Lech Walesa, Ikone der polnischen Freiheitsbewegung Solidarnosc, sagte bei einem Fernsehinterview, dass Homosexuelle nicht in der Innenstadt, sondern höchstens in den Außenbezirken demonstrieren dürfen sollten. Auch sollten homosexuelle Parlamentarier in den letzten Reihen des Parlaments sitzen dürfen, oder aber hinter der Mauer (damit spielte Walesa auf eine Mauer an, die den Plenarsaal von einem Durchgang trennt). Denn Walesa wolle nicht, dass ihm ein Prozent auf der Nase herumtanzt. Zwar lösten diese Äußerungen polenweit und international eine Welle der Empörung aus, doch zeigt das Beispiel, dass Homophobie in Polen in der Mitte der Gesellschaft zu verorten ist. (Quelle 1), (Quelle 2), (Quelle 3), (Quelle 4), (Quelle 5), (Quelle 6) und (Quelle 7). (Alle Polnisch)
In-vitro-Fertilisation – Kampf um die Gene
Die angeführten Äußerungen von Walesa und Pawlowicz fügen sich in einen allgemeinen Trend, der sich auf andere Bereiche ausdehnt. Die In-vitro-Fertilisation ist ein Beispiel dafür– schon seit Jahren wird über eine Refinanzierung debattiert, die jetzt langsam eingeführt wird.
Die öffentliche Diskussion ist geprägt durch die Ansichten der katholischen Kirche, wonach die Methode unter anderem aus moralischen Gründen gänzlich abzulehnen sei.
Nun scheint sich die Diskussion zu verschärfen: In einem Interview für das rechtskonservative Wochenmagazin Uwazam Rze sagte der Priester Prof. Franciszek Longchamps de Berier, dass man In-vitro von der Seite der Kinder und nicht der Eltern sehen sollte, da diese keine Gegenstände sind. Longchamps de Berier fragt sich auch, „mit welchen Kosten und was für ein Kind“ durch die In-vitro-Fertilisation auf die Welt kommt. Denn nach Meinung des Geistlichen könnte ein so gezeugtes Kind ernsthaften genetischen Fehlern ausgesetzt sein. Darüber hinaus sagte Longchamps de Berier, dass es Ärzte gibt, die nach dem ersten Blick in das Gesicht eines Kindes erkennen, dass es durch die In-vitro-Fertilisation gezeugt wurde. Diese Kinder sollen demnach spezielle Furchen im Gesicht haben. Longchamps de Berier ist Professor für Rechtswissenschaften und lehrte bisher unter anderem an der Universität Warschau und an der Jagiellonen-Universität in Krakau. Er ist darüber hinaus Mitglied einer Expertengruppe für Bioethik des polnischen Episkopats.
Das Interview machte den Geistlichen auf einen Schlag in ganz Polen berühmt und löste eine heftige Diskussion aus. Unter anderem äußerte sich der Kinderbeauftragte der Regierung Marek Michalak in einer Erklärung über diese Thematik. In dieser ist zu lesen, dass es keine ernstzunehmenden wissenschaftlichen Belege für die Aussagen des Geistlichen gäbe. Prof. Jan Hartmann, Experte für Bioethik, ist der Meinung, dass die Kirche mit ihrer Haltung „ihre symbolische Überlegenheit zeigen möchte“ und durch das Aufzwingen von Verboten ihre Macht demonstriert. Kirchenbefürworter hingegen bezeichnen die aktuelle Diskussion als Angriff auf die Kirche. (Quelle 1), (Quelle 2), (Quelle 3) und (Quelle 4). (Alle Polnisch)