Fast nirgendwo gibt es eine so große Rechtsunsicherheit darüber, was am Lebensende wann wem erlaubt oder verboten ist, wie in Deutschland. Das stellt Prof. Gian Domenico Borasio fest, ein renommierter Vertreter der Palliativmedizin. Bei immer dringlicher werdendem Reformbedarf spielt der Staat auf Zeit und bedient sich fragwürdiger Mittel – ein Anlass zur Sorge um unser politisches System.
"Bitte haben Sie Verständnis, dass die Prüfung Ihres Antrags noch dauern wird" so lauten sinngemäß die Bescheide des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) an Schwerstkranke, die einen Antrag zum Erwerb des tödlich wirkenden Natrium-Pentobarbital gestellt haben. Dabei beziehen sie sich auf eine gerichtlich eingeräumte Möglichkeit. Dem Tode nahe, leidende Menschen sind darunter. Manche sind bereits vor einem Jahr vorstellig geworden, einige inzwischen verstorben.
Die Zahl der Antragsteller_innen ist laut Spiegel aktuell auf gut einhundert Personen angewachsen. Einer davon ist Hans-Jürgen Brennecke. Er hat kein Verständnis und auch keine Geduld mehr. Er leidet unter einem schnell wachsenden Krebstumor, hat vor fünf Monaten ein Kuvert mit seinem Antrag an das BfArM nach Bonn geschickt. Darin begründet der schwerkranke 73-Jährige, warum er, wenn es für ihn unerträglich wird, freiverantwortlich selbst aus dem Leben scheiden will. Nun kämpft Brennecke nicht nur gegen den Krebs, sondern gleichzeitig gegen die Behörde – wobei er das Recht eindeutig auf seiner Seite hat.