DRESDEN. (hpd) David Berger, Autor des Buches „Der heilige Schein” war prominenter Gast der „Mittwochs-Talk-Runde” des Schwulen- und Lesbenverbandes an der Technischen Universität Dresden. In Zusammenarbeit mit der gbs-Gruppe Dresden GefAHR e.V. wurde diese Veranstaltung organisiert und der Autor war der Einladung gefolgt, hier sich und sein Buch vorzustellen.
Trotz „Fußballmittwoch” war der Raum im Hörsaalzentrum der TU Dresden bis auf den letzten Platz gefüllt und die Spätankömmlinge fanden nur noch auf den Fensterbänken und Stufen des kleinen Hörsaales Platz. Vor allem waren Studenten und junge Leute dieser Einladung zur Lesung und Diskussion gefolgt. Gesprächspartner und Moderator dieses Abends war Michael Brade von der gbs Dresden.
David Berger wuchs in einer nichtkatholischen Familie auf. Jedoch in seinem schulischen Umfeld kam er früh mit dem Katholizismus in Berührung, der ihn prägte und sehr zeitig den Wunsch reifen ließ, katholischer Priester zu werden. Er studierte katholische Theologie, Philosophie und Germanistik in Würzburg, Köln und Dortmund und schloss das Studium 1998 mit einer Promotion ab. 2003 wurde er Professor correspondens der Päpstlichen Thomasakademie und habilitierte 200 im Fach Dogmatik an der Katholischen Universität Lublin.
Fast genau vor drei Jahren, am 23. April 2010 „outete” er sich als homosexuell und sagte sich in der Folge von der Katholischen Kirche los, besonders von deren Sexualmoral. Er hatte zuletzt an einem Gymnasium Religion und Deutsch unterrichtet. Das Erzbistum Köln unter Kardinal Meisner entzog ihm im Mai 2011 die Lehrerlaubnis. Bekannt geworden ist Berger auch als Koordinator der Kampagne „stoppt kreuz.net”, um die „homophoben, muslimfeindlichen und antisemitischen Äußerungen“ auf diesem Portal, die besonders nach dem Tod von Dirk Bach unerträglich wurden, zur Anzeige zu bringen. Als die Staatsanwaltschaft Berlin wegen Volksverhetzung ermittelte, wurde das Portal abgeschaltet und die Betreiber und Hintermänner waren plötzlich nicht mehr auffindbar. Berger meint dazu, dass die Betreiber, die man bis jetzt nicht gefasst hat, derzeit auf anderen Portalen wie „Gloria-TV” oder „kath.net” weiter arbeiten.
In seinem kurzen Einführungsvortrag brachte David Berger sogleich auch den aktuellen Bezug zu Frankreich an. Mit eindeutiger Mehrheit hatte dort in den letzten Tagen das französische Parlament die umstrittene Reform des Ehegesetzes auf den Weg gebracht. Nach einem langwierigen Prozess hatte die Nationalversammlung der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare und dem dazugehörigen Adoptionsrecht zugestimmt.
Die Gleichstellung der „Homo-Ehe” per Gesetz dort hat zu einer massiven Gegenwehr der Konservativen Kräfte und der Katholischen Kirche geführt. Homophobe Gewalt habe in kurzer Zeit um 30 Prozent zugenommen, wobei der Widerstand vor allem von der konservativen Partei UMP getragen wird.
Mitleid mit Homosexuellen
In seinem Vortrag erläuterte Berger die absurden Gedankenkonstellationen der katholischen Kirche, um den Spagat zwischen angeblicher „Nächstenliebe” und Verdammung von Menschen mit anderer sexueller Neigung hinzubekommen. Einerseits habe man Respekt vor dem Menschen und toleriere seine Neigung zum gleichen Geschlecht, aber man müsse Mitleid mit ihm haben, wie mit einem Kranken. Sobald diese Homosexualität aber auch gelebt wird, wird dieser Mensch verdammt und der Todsünde bezichtigt.
Berger machte deutlich, dass Homosexualität unter katholischen Priestern kein singuläres Phänomen ist und dass es nach mehreren Studien aus den 1990er Jahren in Amerika ca. 30-45 Prozent homosexuelle Priester gäbe, in den Niederlanden sogar bis zu 50 Prozent. Berger meinte, dass diese Größenordnung vermutlich auch auf Deutschland zuträfe. Studien und Zahlen gibt es aber dazu nicht.
Mittel zur Machterhaltung
Da die Homosexualität unter den Priestern intern oft bekannt ist, aber nach den eigens aufgestellten Dogmen nicht sein darf, führt dies zu Erpressungsmöglichkeiten. Erpressung funktioniere dabei nicht nur von oben nach unten, sondern in alle Richtungen. Mit Hilfe des Wissens um „Verfehlungen”, dem Erstellen von „Schwarzen Listen” und Denunziationen ist es möglich, Loyalität zu erzwingen und andere zu unterdrücken, um die eigene Macht zu erhalten. Viele halten diesen Druck nicht aus und es gibt etliche gescheiterte Persönlichkeiten, die in Alkohol, Drogen oder Depressionen „fliehen”.
Diese Zwiespältigkeit und Doppelmoral wird noch deutlicher, wenn Berger erzählt, dass er beispielsweise als „Wiedergutmachung” für seine Sünden besonders gehorsam und dienstbeflissen die Dogmen der katholischen Kirche vertrat. Es sei fast ein Merkmal von besonders konservativen Vertretern unter den Katholiken, dass sie damit eine begangene „Verfehlung” ausgleichen wollen. Die Oberen in der Hierarchie nutzen dieses Wissen ganz bewusst, um ihre Schäfchen bei der Stange zu halten und Papsttreue zu erzwingen. Das Schlimmste, was diesen Kreisen passieren kann, ist eine Veröffentlichung, da dieser Mensch dann nicht mehr angreifbar ist und sich den Fängen und Maßregelungen der katholischen Kirche entzieht.
Für die Heteros stellt sich die Frage, wie kann man, wenn man um seine Homosexualität weiß, katholischer Priester werden? Berger gab dazu in der sich anschließenden Diskussion Auskunft, dass der Priesterwunsch viel eher da war, als er sich über seine sexuellen Neigungen im Klaren war. Er hat sich dennoch gegen den Priesterberuf entschieden, weil er nicht gänzlich auf die Sexualität verzichten wollte. Sein Beichtvater in der Jugendzeit hatte ihn dazu noch ermutigt, dass diese „Ausrutscher” normal seien. Aber in vorauseilendem Gehorsam hat er zeitig begonnen, ein Doppelleben zu führen: hier privat – dort streng katholisch. Und umso mehr er seinen Makel kompensieren wollte, um so konservativer und unbeugsamer wurde er in seinen katholischen Ansichten. Daraufhin sind andere Kleriker auf ihn aufmerksam geworden und haben ihn gefördert, boten ihm Karrierechancen, die er natürlich nutzte. Dort war dann der Teufelskreis geschlossen. Er brauchte nur noch gehorsamer und „gottgefälliger” werden, dann war alles perfekt.
Im Laufe der Jahre wollte er diese Abhängigkeit von der Gunst der Oberen und die ständigen Erpressungen nicht mehr und „outete” sich öffentlich.
Zitat: „Die größte Schwulenfeindlichkeit geht in der katholischen Kirche von homophilen Geistlichen aus, die ihre Sexualität unterdrücken.“
David Berger kündigte an, dass er bereits an einem zweiten Buch arbeite.
Elke Schäfer