(hpd) Der Philosophiehistoriker Kurt Flasch legt in seinem Buch aus historischer, philosophischer, politischer und sprachlicher Sicht seine Gründe für den öffentlich bekundeten Abschied vom Christentum vor. Das Buch erhält durch die öffentliche Wertschätzung seines Autors besondere Bedeutung, wenngleich seine Darstellungen und Deutungen keineswegs als neu oder ungewöhnlich gelten können.
„Ich bin kein Christ mehr. Hier möchte ich erklären, warum“ (S. 10). Mit diesen Sätzen beginnt Kurt Flasch sein Buch „Warum ich kein Christ bin“. Der frühere langjährige Ordinarius an der Universität Bochum gehört zu den renommiertesten Philosophiehistorikern mit Schwerpunkt auf der Spätantike und dem Mittelalter.
Als mittlerweile Dreiundachtzigjähriger bricht Flasch öffentlich mit der Religion, der er Jahrzehnte lang wohl mit Skepsis, aber auch Überzeugung anhing. Die inhaltliche Linie für diesen Bruch skizziert der Autor mit folgenden Worten: „Mein Auszug hat wenig mit dem Zustand der Kirchen und viel mit ihrem Anspruch auf Wahrheit zu tun“ (S. 9). Demgemäß geht es Flasch nicht um eine Reaktion auf Reformverweigerung oder Skandale. Er meint, den Gültigkeitsanspruch des Christentums in Abrede stellen zu können. Dies geschieht entsprechend des Titels mit einer persönlichen Note, wobei aber die theoretisch Argumentation dominiert. Die autobiographischen Ausführungen beklagen demnach keine persönlichen Enttäuschungen.
Danach behandelt Flasch die unterschiedlichsten Aspekte des Themas in neun verschiedenen Kapiteln: Es geht um die Ergebnisse der historisch-kritischen Forschung und das Scheitern neuer Glaubensbegründungen, um den Anspruch auf Wahrheit der Religion und in diesem Kontext auch die Wundergeschichten, um die Beweisführungen für eine Existenz Gottes und die Vorstellungen von der Existenz des Bösen, um den Loskauf von Schuld durch Erlösung und die Ethik von Bergpredigt und zehn Geboten, um den Glauben an die Unsterblichkeit der Seele und die Rettungsversuche durch Anleihen bei der Philosophie.
Auch wenn Flasch nicht ständig in pauschalisierender Weise polemisiert, so hält er sich mit klaren Einschätzungen keineswegs zurück. Über die neuen Glaubensbegründungen heißt es etwa: „Soweit sie nicht offen irrationalistisch und fideistisch werden, schieben sie dem Einzelnen die Entscheidungslast zu ... Sie setzen als rationale Untersuchung an und brechen sie ab. Sie täuschen darüber hinweg, dass sie Zechpreller der Philosophie sind“ (S. 82).
Angesichts der erwähnten Felder für Flaschs Reflexionen hat man es mit einer multidimensionalen Perspektive bezogen auf eine historische und philosophische wie politische und sprachliche Sichtweise zu tun. Bilanzierend heißt es: „Mein Glaube verflog sich, nicht durch schlagartige Bekehrung, nicht durch ein Außenereignis, sondern durch jahrzehntelanges Anhören untauglicher Argumente, fauler Ausreden und Vertröstungen“ (S. 254) Und weiter schreibt Flasch: „Die Lehren des Christentums sind keineswegs in der Hauptsache tiefsinnige uralte Menschheitsweisheit oder ehrwürdige Mythen. Sie sind kein kostbares Schatzhaus ethischer Regeln jenseits aller Kritik. Es gibt dabei Unsinniges und ethisch Unhaltbares. Sie waren auch Instrumente zur Machtsicherung von Institutionen. Diese legten die Hand auf die Texte und sagten, was sie zu bedeuten haben. Das geschieht auch heute noch ...“ (S. 260). Im Kern geht der Autor als Konsequenz seiner Reflexionen von der „Unvernunft der Christentümer“ (S. 262) aus.
Flaschs Auffassungen sind für die Kenner der Religionskritik nicht neu. Mitunter greift er etwa die Ergebnisse der historisch-kritischen Methode des 18. und 19. Jahrhunderts auf, was aber keineswegs ein Argument gegen die Richtigkeit oder Überzeugungskraft seiner Ausführungen ist. Der Autor nimmt das Christentum aber auch stark über die grundlegenden klassischen Texte und deren konservative Deutung etwa im Sinne Joseph Ratzingers zur Kenntnis. Die darüber hinaus gehenden innovativen Prozesse und Tendenzen finden demgegenüber nur am Rande inhaltlich Aufmerksamkeit, indessen auch mit der oben zitierten Kommentierung neuerer Glaubensbegründungen.
Insgesamt handelt es sich um ein beachtenswertes Buch, das gerade durch die öffentliche Wertschätzung seines Autors sein besonderes Gewicht erhält. Der Titel lehnt sich an einen Aufsatz bzw. an eine Rede von Bertrand Russell an. Zwar ist Flasch mit seinem Buch ausführlicher und weitschweifiger, aber nicht eindeutiger und zugespitzter als der englische Philosoph.
Armin Pfahl-Traughber
Kurt Flasch, Warum ich kein Christ bin. Bericht und Argumentation, München 2013 (C. H. Beck-Verlag), 280 S., 19,95 €.
Das Buch ist auch im denkladen erhältlich.