SALZBURG. (hpd/gbs) Es war ein denkwürdiges Musikereignis: Zum Abschluss der Salzburger Festspiele wurde am vergangenen Samstag die „Passion Giordano Bruno“ von Gerhard Wimberger uraufgeführt. Das Werk hinterließ bei den Zuhörern im Großen Saal des Mozarteums starken Eindruck. Als gbs-Beirat Wimberger, der tags zuvor seinen 90. Geburtstag begangen hatte, die Bühne betrat, erhoben sich Publikum und Mitwirkende zu lang anhaltenden Ovationen.
Zeitgenössische klassische Musik gilt als schwierig und emotional kaum nachvollziehbar. Gerhard Wimbergers „Passion Giordano Bruno“ beweist jedoch, dass es sehr wohl möglich ist, anspruchsvolle und zugleich ergreifende Musik zu schreiben. Selbst die traditionellen Klassikhörer, die vornehmlich wegen der im ersten Teil des Konzerts dargebotenen Prager Sinfonie von Wolfgang Amadeus Mozart ins Mozarteum gekommen waren, zeigten sich von Wimbergers hochdramatischer, aber keineswegs effekthascherischer Komposition tief beeindruckt.
Das lag zum einen an der klugen Auswahl von Texten, die Gerhard Wimberger getroffen hatte, um die zentralen Ideen und das Schicksal des 1600 als Ketzer hingerichteten großen Naturphilosophen Giordano Bruno zu verdeutlichen, zum anderen an seiner unkonventionellen Art, die Mittel der zeitgenössischen Musik einzusetzen. Wie bei vielen zeitgenössischen Komponisten findet man auch bei Wimberger schrille Dissonanzen, aber im Unterschied zu den meisten seiner Kollegen scheut er sich nicht, einen reinen C-Dur-Akkord oder einen Palästrina-Chorsatz zu verwenden, wenn er es für angemessen hält. Und so besticht sein Werk durch einen ungewöhnlichen Reichtum an Klangfarben, die beim Zuhörer unterschiedlichste Stimmungen hervorrufen. Lyrische Passagen gehen unvermittelt in gewaltige Klang-Eruptionen über, bei denen der Komponist insbesondere die mit vier Spielern stark besetzte Schlagzeugabteilung des Orchesters zur Geltung kommen lässt. Auch das Ineinandergreifen von gesungener und gesprochener Sprache trägt dazu bei, dass die Spannung des Zuhörers über die 45minütige Dauer der Passion zu keinem Zeitpunkt nachlässt.
Selbstverständlich hängt der Erfolg eines Stücks nicht nur von seiner kompositorischen Anlage ab, sondern auch von der Qualität der musikalischen Darbietung – und hier kann man das Direktorium der Salzburger Festspiele zur gelungenen Auswahl der Protagonisten der Uraufführung nur beglückwünschen! Man spürte bei jeder Note, wie tief Star-Dirigent Hans Graf – nach erfolgreichem Engagement in Amerika für dieses Konzert erstmals seit zwei Jahrzehnten zu den Salzburger Festspielen zurückgekehrt – in Wimbergers Komposition eingedrungen ist. Unter seiner Leitung loteten das hervorragend aufgelegte Mozarteumorchester und der von Alois Glassner einstudierte Salzburger Bachchor alle Nuancen dieses vielschichtigen Werkes aus.
Herausragend besetzt waren auch die beiden Solistenrollen: Burgschauspieler Peter Simonischek, der nach Klaus Maria Brandauer und Ulrich Tukur viele Jahre den Jedermann gespielt hatte, trug die Textpassagen des Chronisten mit großem, aber niemals überzogenen Ausdruck vor. Bassbariton Roman Trekel bewies mit einer eindringlichen Interpretation der Partie des Giordano Bruno, warum er zu den Besten seines Fachs gehört. Formschöner, ergreifender lässt sich dieser Part nicht singen.
Da ich die Partitur der Passion seit Jahren kenne (ich hatte bei einem Besuch Anfang 2007 in Salzburg einen kleinen Beitrag dazu geleistet, dass Gerhard Wimberger die Komposition in Angriff nahm), wusste ich seit langem, dass die „Passion Giordano Bruno“ ein außergewöhnliches Stück zeitgenössischer Musik ist, doch die brillante Uraufführung in Salzburg hat meine Erwartungen übertroffen. Sie hat Maßstäbe gesetzt für künftige Darbietungen des Werkes, von dem ich meine, dass es hervorragende Chancen hat, zu einem festen Bestandteil des klassischen Repertoires der Zukunft zu werden.
In diesem Sinne war die Uraufführung der „Passion Giordano Bruno“, mit der die Salzburger Festspiele 2013 endeten, tatsächlich ein denkwürdiges, ja, ein historisches Ereignis: Es war das erste Mal, dass ein solches Werk mit einer solchen Aussage auf einem der bedeutendsten Klassik-Festivals der Welt erklungen ist – und es wird, da bin ich mir sicher, nicht das letzte Mal gewesen sein.
Michael Schmidt-Salomon
Am Sonntag, dem 1.9., wurde das Konzert noch einmal wiederholt und live im Hörfunkprogramm des ORF ausgestrahlt (mit einer interessanten Einführung des Ö1-Kommentators Hannes Eichmann, der explizit auch auf die Giordano-Bruno-Stiftung und ihre Anliegen einging). Für kurze Zeit kann die Sendung auch im Internet nachgehört werden.
Dreiteilige Serie von "DrehPunktKultur" zu Gerhard Wimberger, der "Passion Giordano Bruno" und der Uraufführung des Stücks im Mozarteum Salzburg.