WIEN. (hpd) „Willkommen Zukunft“ lautet der Wahlkampfslogan der christsozialen ÖVP für die Nationalratswahl am kommenden Sonntag. Ein Slogan, den die Partei selbst nach Kräften konterkariert. Mit einer Vielzahl von Signalen versucht sie, die klerikal-konservative Kernwählerschaft zu mobilisieren. Inklusive Kandidatur einer katholisch-fundamentalistischen Netzwerkerin, wie der hpd exklusiv berichtet.
Gudrun Kugler-Lang ist eine Frau für den Hintergrund. Man wird sie nicht sehen, wie sie vor Kliniken für Schwangerschaftsabbrüche steht und Frauen terrorisiert, die dort hineingehen. Man wird sie auch nicht sehen, wie sie bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit Plastikföten vor sich schwenkt. Man wird vermutlich auch nicht hören, dass sie öffentlich von einem „Babycaust“ spricht. Derart laute Töne liegen ihr nicht.
Und doch ist sie die wahrscheinlich entschiedendste Gegnerin des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch in Österreich. Sie umschreibt, ganz NLP und Mode in christlichen Fundi-Kreisen, mit dem Wort „Lebensschutz“. Ein Wort, im Zentrum ihrer politischen Vorstellungen seit Beginn ihrer politischen Karriere in katholischen Jugendorganisationen steht. So wie im aktuellen Nationalratswahlkampf.
Kugler-Lang auf Platz 20 der Wiener Landesliste
Kugler-Lang kandidiert auf Platz 20 der Wiener Landesliste der christsozialen ÖVP. Als Dr. Gudrun Kugler. Den Mädchennamen hat sie mittlerweile weggelassen. Via Facebook führt sie eine Vorzugsstimmenkampagne, wo das Thema Fristenlösung so oft vorkommt wie kaum ein anderes. Für eine ÖVP-Kandidatin spricht sie das ungewöhnlich offensiv an. Die Partei hat – zumindest nach außen hin – die Fristenlösung als Realität akzeptiert. Offene Debatten um den Schwangerschaftsabbruch versucht man, nach Kräften zu vermeiden. Gegen diskrete Debatten innerhalb der Kernwählerschaft und sympathisierenden erzkatholischen Kreisen scheint man hingegen wenig zu haben.
Diffamierungen, Halb- und Viertelwahrheiten
Wie überhaupt Kugler-Langs Kandidatur ein Signal an den klerikal-konservativen bis -reaktionären Teil der Kernwählerschaft zu sein scheint. Die Unternehmensberaterin befördert deren Agenda auf mehr oder weniger diskrete Art und Weise: Den konservativen Rollback gesellschaftsfähig zu machen. Mit hartnäckiger Lobbyingarbeit versucht sie, das zarte Pflänzchen des Säkularismus in Europa mittels Diffamierungen und Halb- und Viertelwahrheiten gekleidet in eine vorgebliche Sorge um die Menschenrechte zu ersticken. Alles, was sich nicht widerspruchlos einer christlichen Meinungshoheit beugt, wird in Berichten an UNO, OSCE und Co beschuldigt, Religions- und Gewissensfreiheit abschaffen zu wollen.
Gewissensfreiheit gilt nur für Christen
In Kugler-Langs durchaus ausgeklügelten Sprachmanipulationen wird sogar die gesetzliche Verpflichtung eines Apothekers, alle verschreibungspflichtigen Medikamente vorrätig zu haben, zur unsäglichen Menschenrechtsverletzung. Freilich nur, so lang der Apotheker katholisch ist und das Medikament in Deutschland die „Pille“ danach. Und Homosexuellen-Organisationen tun besser daran, es kritiklos hinzunehmen, wenn ihnen ein Verband katholischer Ärzte nahelegt sich mit homöopathischen Arzneien (!) heilen zu lassen, wollen sie nicht in Kugler-Langs Berichten an die UNO als Kämpfer gegen die Gewissensfreiheit dargestellt werden.
Das Netzwerk der Gudrun Kugler-Lang
Unterstützt wird sie von einflussreichen Persönlichkeiten, die in der einen oder anderen Weise ihrem diskreten Netzwerk angehören. Als da wären die Familie Noe, die hinter der ausgesprochen konservativen Seite kath.net steht. Oder Stephanie Merckens, selbst „Lebensschutzbeauftragte“ der Erzdiözese Wien und von selbiger in die Bioethikkommission des Bundeskanzlers entsandt.
Merckens unterstützte Kugler-Lang, als sie im Vorjahr einen Skandal um eine Aufklärungsbroschüre für Lehrerinnen und Lehrer inszenierte. Kugler-Lang trat damals bezeichnenderweise nicht als fundamentalistische Lobbyistin auf sondern als „besorgte Mutter“, die mehr oder weniger zufällig über die Broschüre gestolpert sei. Merckens zählt wie Kugler-Lang zu den entschiedenen Gegnern von Adoptionsrechten für Homosexuelle. Zu den Förderern Kugler-Langs gehört seit dem Beginn ihrer Karriere Christoph Schönborn, seines Zeichens auch Onkel von Stephanie Merckens. Um nur einige ihrer Unterstützer zu nennen.
Ob die Kandidatur der fundamentalistischen Lobbyistin auf dieses Netzwerk zurückgeht oder eine strategische Entscheidung der ÖVP-Spitze ist, die letzten Kernwähler zu mobilisieren, wird sich vermutlich nicht klären lassen. Das eine schließt das andere auch nicht aus. Ist Michael Spindelegger, Obmann der ÖVP und Vizekanzler, immerhin auch Mitglied des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem. Das dürfte ihn diversen klerikalen Einflüsterungen gegenüber nicht unempfänglich machen.
Akt der Verzweiflung oder Strategie?
Kugler-Langs Kandidatur ist eines von vielen Signalen, das die ÖVP in diesem Wahlkampf an ihren rechten Flügel und dessen Sympathisanten sendet. Die Umfragen sagen der Partei seit Monaten das schlechteste Wahlergebnis ihrer Geschichte voraus. Es ist auch nicht auszuschließen, dass die ÖVP zum zweiten Mal nur drittstärkste Partei wird. Wenn auch auf ungleich niedrigerem Niveau als 1999, als das das erste Mal passierte. Man ist so dringend auf die Kernwählerschaft angewiesen wie nie zuvor. Jeder Prozentpunkt, den man verliert, muss aus Parteisicht vermieden werden.
Hatte man den klerikal-konservativen Flügel in der Vergangenheit sicher in der Tasche, versucht sich mittlerweile die „Christliche Partei Österreichs“ als ideologisch glaubhaftere Alternative zu positionieren. Die „CPÖ“, eine Abspaltung von der noch radikaleren und mittlerweile offenbar inaktiven Partei „Die Christen“, wird wohl bestenfalls ein Prozent der Stimmen bekommen. Dieses Prozent kann entscheiden, ob die ÖVP am zweit- oder drittstärkste Partei wird.
Religionsgemeinschaften mischen sich in Wahlkampf ein
Eines der Signale der vergangenen Wochen war ein gemeinsames Positionspapier des ÖVP-Jungpolitikers und Integrationsstaatssekretärs Sebastian Kurz und der anerkannten Religionsgemeinschaften. In dem wurde gefordert, dass alle Kinder, die keinen konfessionellen Religionsunterricht besuchen, mehr oder weniger strafweise zum Ethikunterricht verdonnert werden sollen. Das Positionspapier wurde bezeichnenderweise bisher nur auf der Seite der katholischen Nachrichtenagentur Kathpress veröffentlicht. Anfragen des Zentralrats der Konfessionsfreien (www.konfessionsfrei.at) an das Integrationsstaatssekretariat, das Dokument zu bekommen, blieben bislang erfolglos.
ÖVP will Christen bevorzugen
In die Reihe der Signale an die besonders christliche Kernwählerschaft reihen sich auch Absichten von Kurzens Vorgesetzer ein, Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Sie will 500 Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen. Vorzugsweise Christen. Kritik an dieser religiösen Bevorzugung stieß auf ausgesprochenes Unverständnis. Nicht das erste Mal. Die ÖVP will nicht zur Kenntnis nehmen, dass Einsatz für Religionsfreiheit nicht darin bestehen kann, nur religiös verfolgte Christen zu schützen. Auf entsprechende Kritik wird mit Empörung reagiert – und mit Phrasen, die aus der Feder von Lobbyorganisationen wie „Open Doors“ stammen.
Letzte Kandidatur führte zu heftigen Protesten
Was den Kreis zu Gudrun Kugler-Lang schließt. Fabuliert sie doch gar eine Christenverfolgung in Europa herbei. Interessanterweise ist ihre Kandidatur bisher unbemerkt geblieben. Im Gegensatz zu 2005, wo sie – ebenfalls für die ÖVP – bei den Wiener Gemeinderatswahlen kandidierte. Das letzte Mal hatte ihr Antreten heftige Proteste ausgelöst. Das können sich weder ÖVP noch Kugler-Lang ein zweites Mal leisten.
Kugler-Lang ist so lange nützlich, als sie einigermaßen diskret konservative Kernwähler mobilisiert. Sobald das zu öffentlich wird, kann das liberalere Wähler verschrecken. Die versucht man, mit dem Slogan „Willkommen Zukunft“ bei der Stange zu halten. Was sich möglicherweise etwas mit ausgesprochen konservativen Kandidatinnen wie Kugler-Lang und ihren Botschaften schlägt. Es sei denn, man sucht die Zukunft in der Vergangenheit.
Kugler-Lang selbst betreibt ihre fundamentalistisch-katholische Wühlarbeit auch lieber im Verborgenen. Nichts kann ihren Netzwerken so sehr schaden, als wenn sie öffentlich werden. Das könnte ihre Botschaften in der Öffentlichkeit unglaubwürdig machen. Das wäre ein hoher Preis für eine Kandidatur, die letztlich nur symbolisch gemeint sein kann. Damit Kugler-Lang auf Anhieb in den Nationalrat kommt, bräuchte die ÖVP vermutlich jenseits der 100 Prozent der Stimmen in Wien. Oder Kugler-Lang gut 30.000 Vorzugsstimmen. Beides wird eher nicht passieren.
Christoph Baumgarten