Säkulare Buskampagne 2019 - Tag 1: Berlin

Jetzt geht's los: Der erste Tag der Säkularen Buskampagne

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Der Kampagnen-Bus macht Station an der Deutschen Oper
Der Bus in Berlin

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Der Bus auf dem Potsdamer Platz. Er muss auf der Straße stehen bleiben und darf nicht auf das Pflaster in die Mitte.
Der Bus auf dem Potsdamer Platz

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Der Bus während einer Stadtrundfahrt durch Berlin, im Hintergrund das Rote Rathaus.
Der Bus während einer Stadtrundfahrt

Am Samstag war der rote Doppeldeckerbus mit dem Slogan "Kirchenstaat? Nein danke" zum ersten Mal öffentlich zu sehen: Am Potsdamer Platz in Berlin – auch wenn dieser Standort erst erkämpft werden musste. Abends diskutierten Philipp Möller, Michael Schmidt-Salomon und Tanja Baudson über die Frage der Evidenzbasiertheit deutscher Politik in der "Urania".

Säkulare Buskampagne 2019

Am Samstag ging es endlich los: Die Säkulare Buskampagne 2019 startete in Berlin. Erste Station war der Potsdamer Platz. Und da gab es auch gleich die ersten Probleme: Trotz angemeldeter und genehmigter Versammlung durfte der rote Doppeldecker-Bus nicht auf den Platz fahren. Dieser dürfe maximal nur mit Fahrzeugen von 2,8 Tonnen belastet werden, so die Polizei. Für alles andere brauche man eine Sondergenehmigung. Bearbeitungszeit: zwei Wochen. Von Argumenten, dass auf dem Potsdamer Platz regelmäßig Großdemonstrationen stattfinden – Michael Schmidt-Salomon, Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) erzählte den Polizisten, auch er selbst habe schon hier anlässlich der Demonstration gegen den Papst-Besuch im Bundestag 2011 auf eben diesem Potsdamer Platz von einem großen Truck gesprochen, der noch deutlich schwerer gewesen sei – oder dass das Pflaster auch die alljährlich stattfindende "Winterwelt" samt zwölf Meter hoher und 70 Meter langer "Rodelbahn" beziehungsweise einer 520 Quadratmeter großen Eislauffläche zu tragen vermag, ließen sich die Beamten nicht beeindrucken.

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Die Polizisten ließen den Doppeldecker-Bus nicht wie angemeldet auf den Potsdamer Platz. Foto: © Evelin Frerk

Nach einigem Hin und Her konnte der Kompromiss gefunden werden, dass zumindest Begleitfahrzeug und Infostand auf dem Platz aufgestellt werden dürfen, der Oldtimer-Bus sollte auf der angrenzenden Straße gegenüber des DB-Towers stehen. Dieser Bezug war entscheidend, schließlich hatte die Deutsche Bahn die Plakate der Säkularen Buskampagne nicht auf ihren Werbeflächen zeigen wollen, weil der Forderung nach einem weltanschaulich neutralen Staat nach Meinung des Staatskonzerns interessanterweise die Neutralität fehle.

Nachdem der Standort geklärt war, konnte wie geplant die Pressekonferenz zum Beginn der Kampagne stattfinden. Anschließend folgten zwei Stadtrundfahrten, auf denen Mitglieder der Evolutionären Humanisten Berlin-Brandenburg (EHBB) allen interessierten Gästen ihr Berlin zeigten, vorbei am Abgeordnetenhaus, dem Checkpoint Charlie, dem Gendarmenmarkt, dem bisher skandallos im Bau

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Auf der Stadtrundfahrt. Foto: © Gisa Bodenstein

befindlichen Berliner Stadtschloss, dem Roten Rathaus, dem Berliner Dom, dem Brandenburger Tor, dem Reichstag und Schloss Bellevue und dabei einiges zu historischen Begebenheiten und aktuellen Entwicklungen zu berichten wussten. Die zweite Fahrt endete an der "Urania", dem "kleinen Leuchtturm des Wissens und rationalen Denkens in Berlin", wie sie der EHBB-Stadtführer nannte. Dort fand die Abendveranstaltung "Isch geh Bundestag – wie rational und evidenzbasiert ist die deutsche Politik?" statt, ein Podiumsgespräch zwischen dem Bestseller-Autor Philipp Möller, dem Philosophen Michael Schmidt-Salomon und der Hochbegabungs- und Kreativitätsforscherin Tanja Baudson, die auch Mitinitiatorin des deutschen "March for Science" ist.

In der URANIA diskutierten Philipp Möller, Michael Schmidt-Salomon und Tanja Baudson (Foto: © David Farago)
In der "Urania" diskutierten Philipp Möller, Michael Schmidt-Salomon und Tanja Baudson (Foto: © David Farago)

Sie wollte für die Wissenschaftsfreiheit auf die Straße gehen, aufgehängt am Wert der Wahrheit, erzählt die Frau, die 2018 zur Hochschullehrerin des Jahres gewählt wurde. Wissenschaft solle auch zugunsten der Evidenzbasiertheit in die Politik hineinwirken. Aber auch im aktuellen Wissenschaftssystem selbst gebe es Verbesserungsbedarf: Es sei mit den Idealen der Wissenschaft nur sehr bedingt kompatibel. Das sei auch ein Grund, wie es zur heutigen Situation der allgegenwärtigen Fake News und dem Glauben daran gekommen sei. Als Nachwuchswissenschaftler habe man jedoch keine Motivation, sich in den politischen Diskurs einzubringen, erwidert Tanja Baudson darauf, es werde einem nicht gelohnt, es zähle lediglich die Quantität der Publikationen. Im Gegenteil müsse man sich in Berufungskommissionen für öffentliches Engagement rechtfertigen. Schmidt-Salomon, den jemand in einem Post kürzlich als "Wissenschaftsfundamentalist und Wahrheitsdogmatiker" bezeichnet hatte, fügte hinzu, er habe in Berufungskommissionen den Eindruck gewonnen, dass es an Universitäten eine "Selektion zum Mittelmaß" gebe. Man wolle die eigene Machtposition nicht durch besser Qualifizierte gefährden.

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Foto: © David Farago

Philipp Möller erzählte von seinen Erfahrungen im deutschen Politikgeschäft, die er für sein derzeit entstehendes Buch "Isch geh Bundestag" unter anderem in mehreren Praktika bei Parteien gesammelt hat. Das Alltagsgeschäft halte Abgeordnete durch seine Terminfülle davon ab, sich eingehender mit den Themen beschäftigen zu können. Deswegen wolle er die teilweise mangelnde Evidenzbasiertheit weniger den Politikern als dem politischen System zum Vorwurf machen. Auch sei ihm in Ausschusssitzungen aufgefallen, dass bestimmte Abgeordnete immer wieder die gleichen Experten befragten – um damit ihre Parteisicht in der Debatte zu untermalen.

Möller habe in seiner Zeit im Bundestag getestet, inwieweit Politiker über Fakten informiert seien. Dabei habe er festgestellt, dass es bisweilen auch einer Verweigerung der Anerkennung gegenüber Fakten gebe. Michael Schmidt-Salomon und Philipp Möller betonten beide, dass die Fakten oft der herrschenden Meinung gegenüberstünden. So habe sich Vieles in der Welt in den letzten Jahren verbessert und nicht verschlechtert, wie beispielsweise die absolute Armut, die sich in den vergangenen 20 Jahren halbiert habe. Dies werde aber nicht wahrgenommen. Man müsse der Angst, mit der auch Politik gemacht werde, mit Rationalität begegnen. Dabei müsse man auch anerkennen, dass "nicht immer nur die sympathischen Parteien Recht haben", meint Möller. Man müsse den Populisten da Recht geben, wo sie Recht hätten. Die AfD sei sich des Umstands bewusst, dass sie nur stärker werde, solange man sie ignoriere.


Der hpd ist Medienpartner der Säkularen Buskampagne 2019 und berichtet über alle Tage der Tour des Busses durch Deutschland.