Papst Franz I. - wer und wie er wirklich ist

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Papst Franz beim ersten öffentlichen Auftritt nach seiner Wahl, 13. März 2013 / Foto: Tenan (CC BY-SA 3.0)

ODERNHEIM. (hpd) In Klerikerkreisen recht bekannt ist eine mittelalterliche Anekdote: Ein einfacher, naiver Mönch kommt voller Demut, Unterwürfigkeit und Ergebenheit zum Papst und sagt ihm, wie sehr er ihn bewundere, weil doch auf seinen Schultern die ganze Last der Weltregierung ruhe. Ach, antwortet der Papst, da machst du dir ganz falsche Vorstellungen und viel zu viel Sorgen. Die Machtausübung über die Welt ist gar nicht kompliziert, denn "die Welt will betrogen werden".

Ein Kommentar von Prof. Dr. Hubertus Mynarek

Es klingt angesichts der fast lückenlosen Lobeshymnen auf den neuen Papst in allen Print- und elektronischen Medien fast schon wie eine Blasphemie, wenn ich hier behaupte, dass es sich auch der neue Papst leicht macht, indem er einfach nur lächelt. In dieser Hinsicht hat es der Papst wirklich leichter als die gewöhnlichen Menschen. Wenn diese lächeln, ernten sie nur selten eine freundliche Reaktion oder sie werden für Narren gehalten. Das Lächeln des Papstes aber wirkt magisch, bewegt die Massen zu Begeisterungsstürmen, Nonnen zu Ekstasen mit anschließenden Ohnmachtsanfällen und alle zum Glauben, die Menschheit habe einen neuen Erlöser geschenkt bekommen.

Das päpstliche Lächeln wird auch schon als Tat hingenommen, als echt reformerische Aktion. In der Talkshow zur Affäre des Limburger Bischofs Tebartz-van Elst in der ARD-Sendung vom 13.10.2013 wurde eine katholische Journalistin von Günther Jauch gefragt, welche Reformen denn nun schon tatsächlich von Papst Franz I. durchgeführt worden seien. Die entwaffnende Antwort: Er lächelt nicht nur, er lacht aus ganzem Herzen. Und das sei doch schon eine echte Reform gegenüber dem griesgrämigen, gezwungenen Lächeln seines Vorgängers.

Kein Zweifel, Franz I. ist aktiv, äußerst aktiv. Er tätschelt mit Hingabe Kinder, küsst sie intensiv, lässt sich von Frauen abbusserln und wäscht Obdachlosen die Füße. Das alles wirkt ganz spontan, ursprünglich, herzlich, geboren aus reiner Freundlichkeit und Liebe, völlig ohne hintergründige Absichten oder Pläne. Trotzdem muss diesem Anschein widersprochen werden. Lächeln, Gestik, Küsse, Umarmungen, Streicheleinheiten des neuen Papstes sind Teil eines gut durchdachten, gründlichen Stategiewechsels in der Kirche, der allerdings nicht gänzlich neu ist, sondern immer wieder mal in der Geschichte der Päpste routiniert und raffiniert praktiziert wurde, nicht zuletzt, ja besonders in der Papstgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts.

Nach einem kühl oder kalt erscheinenden Papst, der auch die Gesamtkirche erstarren lässt, kommt ein warmherzig und liebenswürdig scheinender Papst, der das vom Vorgänger zerbrochene Porzellan wieder kitten muss. Nach dem gestrengen, distanzierten, fast unnahbaren, aristokratisch-majestätischen Pius XII. wählten die Kardinäle den gütig lächelnden, gemütlichen Pykniker Johannes XXIII., der die Massen seinerzeit ebenso faszinierte wie jetzt Franz I. Nach dem rigorosen, fast ununterbrochen mit Skrupeln kämpfenden, ängstlich-schüchternen Paul VI., der auch noch den letzten Rest seiner Popularität durch seine Anti-Pillen-Enzyklika verlor, kam (lediglich mit einer Unterbrechung von praktisch nur einem Monat durch den unter mysteriösen Umständen zu Tode gekommenen Johannes Paul I.) der Wojtyla-Papst Johannes Paul II., der mit seinem Charme wahre Begeisterungsstürme auslöste, und zwar selbst bei Nichtkatholiken und sogar manchen Atheisten. Seiner Charme-Offensive schadete nicht einmal, dass er in dogmaticis ein eiskalter Fundamentalist und in puncto Zölibatsgesetz hartherziger reagierte als alle seine Vorgänger, obwohl er doch aus seiner polnischen Heimat wissen musste, wie viele Priester dort - Zölibatsgesetz hin oder her - mit Frauen zusammenleben. Er selbst war übrigens in dieser Hinsicht auch kein Kind von Traurigkeit gewesen. Und nun erlebten wir gerade vor kurzem, wie nach dem steifen Ratzinger-Papst, der fast unaufhörlich alle Relativismen dieser Welt mit seinem freudlosen Pessimismus geißelte, der neue Sonnenschein auf dem Papstthron erschien: der Italo-Argentinier und Jesuit Bergoglio alias Franz oder Franziskus I.

Trotz seines bezaubernden Lächelns und der permanent durchgehaltenen Liebenswürdigkeit des neuen Papstes ist dieser natürlich auch mit einer gehörigen Prise jesuitischer Schläue ausgestattet. Dem altehrwürdigen Orden der Franziskaner, viel älter als der der Jesuiten, aber oft mit diesen in Rivalitätskämpfe verstrickt, verpasste der neue Papst gleich eine schmerzliche Ohrfeige, indem er sich den Namen des Ordensgründers der Franziskaner zulegte.

Ausgerechnet ein Jesuit nennt sich Franziskus

Außenstehende können kaum ermessen, was das für ein Schlag für die armen Brüder des hl. Franz von Assisi ist. Da haben sie Jahrhundertelang seit dem Mittelalter an der Kultfigur dieses Heiligen gearbeitet, haben ihn durch einen gewaltigen Aufwand in Tausenden von Predigten und Missionsschriften zu einem der größten Heiligen der katholischen Kirche hinaufkatapultiert, haben erreicht, dass er zum alles überstrahlenden Symbol und Patron fast aller Ökologiebewegungen des 20. und 21. Jahrhunderts wurde, dass er sogar von Theologen als starkes Argument benutzt wird, um zu zeigen, dass die Kirche trotz ihrer hochmütigen Lehre vom Menschen als der Tiere und Pflanzen ausbeuten dürfenden Krone der Schöpfung doch etwas für die Ökologie übrig habe und dass vom Glanz des Franz von Assisi zwangsläufig auch eine ganze Portion der Sympathie der gläubigen Massen auf Franziskaner und Kapuziner übergeht, denn auch letztere führen sich auf den Heiligen zurück. Und da kommt nun ausgerechnet ein Mitglied des Jesuitenordens, der seine Aufgabe fast nur der Bekehrung der Intelligenz, in der Mission für die höheren Schichten sah und dem Bettelorden der Franziskaner die Arbeit für die Schwachen und Kranken der Gesellschaft gern überließ, und macht sich zum Anwalt der Armen, der Flüchtlinge, der Obdachlosen, indem er den Franziskanern den Namen ihres Ordensgründers sowie dessen und ihren Ruhm stiehlt.

Das ist also schon ein Meisterstück jesuitischer Schläue und Taktik, aber die beherrschen ja die Jesuiten, die ein paar Jahrhunderte lang der einflussreichste Orden in der Kirche waren, Päpste, Kaiser und Könige berieten und deren Beichtväter stellten, wodurch sie nachgewiesenermaßen oft einen negativen Einfluss auf deren Politik ausübten. Das Wohlwollen der Päpste hatten sie sich ergattert, indem sie den drei Gelübden der Armut, Keuschheit und des Gehorsams, die für alle Orden gelten, noch ein spezielles viertes hinzufügten, nämlich das des absoluten, uneingeschränkten Gehorsams gegenüber dem Papst.

Kein Orden, keine Kongregation hat den Befehl des mittelalterlichen Papstes Innozenz III. („Jeder Kleriker muss dem Papst gehorchen, selbst wenn er Böses befiehlt; denn niemand kann über den Papst urteilen") derart in die Tat umgesetzt wie der Jesuitenorden auf Grund dieses vierten Gelübdes. Das begann gleich mit dem Ordensgründer Ignatius von Loyola, der nach der Devise lebte und handelte: „Um zu der Wahrheit in allen Dingen zu gelangen, sollten wir immer bereit sein zu glauben, das, was uns weiß scheint, sei schwarz, wenn die hierarchische Kirche es so definiert". Als die Generalkongregation der Jesuiten während des Pontifikats Pauls VI. dem Papst ein den modernen Zeiten angepassteres Konzept der Ordensform und -tätigkeit vorlegte und der Papst dieses Konzept kategorisch ablehnte, stellte man dem Obersten der Jesuiten, dem Jesuitengeneral Pedro Arrupe, die Frage, ob dieses Vorgehen des Papstes nicht doch falsch sein könnte. Seine Antwort: „Für uns ist der Papst die Wahrheit".

Der Jesuit Prof. Alighiero Tondi, ein hervorragender Kenner und Funktionär des Vatikans, berühmt geworden durch seinen Ausstieg aus dem Jesuitenorden und seine Flucht vor den Verfolgern in die damalige DDR, schrieb in seinem 1961 im Aufbau-Verlag Berlin herausgegebenen Buch „Die Jesuiten": „Beim Entwurf der Konstitution des Ordens war es das Ziel des Ignatius, dem Vatikan einen klerikalen Organismus zu schaffen, der militärisch aufgebaut und mit einheitlicher Befehlsgewalt, mit blindem, absolutem Gehorsam, mit Wendigkeit in den Bewegungen und starker Schlagkraft ausgestattet ist. Bis zu jener Zeit gab es in der Kirche nichts Derartiges... Deshalb nannte der Gründer diesen Organismus ,Kompanie Jesu'. Aber nach der Lehre des Katholizismus heißt Jesus dienen: dem Vatikan dienen; der Orden ist also eine Kompanie von Soldaten im Dienste des Vatikans". Von den Regeln des Jesuitenordens sagt Tondi, dass diese Regeln, die Art, sie zu interpretieren und zu leben, das alles spiegle „energisch diesen Geist wider, dessen wesentliche Merkmale die Ersetzung der natürlichen Persönlichkeit durch die Persönlichkeit eines Exaltierten, die völlige Einseitigkeit sowohl der Bedürfnisse als auch der Bestrebungen der Menschen, die Unbeugsamkeit und Strenge in der Auffassung und im praktischen Leben und der Fanatismus sind".