Wenig Neues im Fall Abdel-Samad

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Hamed Abdel-Samad, Foto: © Evelin Frerk

BERLIN. (hpd) In den letzten 24 Stunden hat sich nicht sehr viel Neues im Fall des vermutlich entführten Publizisten Hamed Abdel-Samad ergeben. Es darf darüber diskutiert werden, ob das gute oder schlechte Nachrichten sind.

Wie zuerst die arabisch-sprachige Webseite youm7 meldete, könnte es - neben dem bisher vermuteten islamistischen - auch einen völlig anderen Grund für die Entführung des Autors geben. Möglicherweise geht es auch darum, dass Abdel-Samad einigen Geschäftsleuten mehr als (umgerechnet) 240.000 Euro geliehen hat und das Geld zurückfordert. Das war - nach Aussage seines Bruders - der Grund, weshalb Hamed Abdel-Samad "extra nach Kairo geflogen" sei, "um an sein Geld zu kommen. Aber dann wurde der Schuldner angeblich überfallen und der Scheck gestohlen. Es gab Streit - vielleicht hat auch das mit der Entführung zu tun" zitiert ihn die Tagesschau.

Der Streitfall beschäftigt Angaben des Bruders zufolge bereits ein Gericht in dem Kairoer Vorort Al-Chanka.

Es ist fast zu hoffen, dass dies der Grund für die mögliche Entführung ist. Wenn es um Geld geht, ist meist noch ein bisschen Vernunft dabei. Das lässt sich guten Gewissens nicht von islamistischen Geiselnehmern sagen.

Die Tagesschau weist im Weiteren darauf hin, dass es in den vergangenen Jahren in Ägypten verstärkt zu Entführungen gekommen ist, meist handelt es sich dabei um Erpressungen mit hohem Lösegeld. Auch wenn eine knappe Viertelmillion viel Geld ist; das Leben von Hamed Abdel-Samad ist weit mehr wert.

Caroline Fetscher schreibt im Tagesspiegel, dass zu hoffen sei, der Bekannt­heits­grad des Autoren schütze ihn vor einer Hin­richtung. "Hamed Abdel-Samad redet so offen und couragiert, dass man um ihn Angst haben kann. Zugleich wirken seine weichen Züge, sein Humor, sein reflektiertes Sprechen so entwaffnend, dass er irgendwie unangreifbar scheint. In Ägypten sehen einige das ganz anders" schreibt die Kollegin in der Zeitung, die seinen ersten deutschen Artikel abdruckte. "Die Bundes­regierung, ihre Krisen­stäbe und Lage­zentren dürfen nichts unversucht lassen, auf Ägyptens Ermittler einzuwirken, um den Mann zu retten, der vom Innen­ministerium in die Islam­konferenz geholt wurde und dessen Stimme nicht fehlen darf. Und der vor allem einfach sein Recht auf Leben hat."

Frau Fetscher verweist am Ende ihren Artikel auch noch einmal auf die Petition hin, die zum derzeitigen Zeitpunkt fast 15.000 Menschen unterzeichnet haben.

Bei Telepolis weist Thomas Pany auf kleine Unstimmig­keiten in der Berichterstattung hin: "Im Bericht von Joseph Croitoru ist Abdel-Samads Mobiltelefon nach dem letzten Gespräch mit seinem Bruder abgeschaltet. Im Bericht der Welt klingelt das Telefon nach wie vor, aber keiner meldet sich." Ob dieses Detail jedoch für das Auffinden des vermissten Autoren eine Rolle spielt? Ja, es könnte eine spielen: Wenn das Handy noch in Betrieb ist, kann es von der Polizei geortet werden.

In der Berliner Zeitung findet Karl-Heinz Karisch bittere Worte, wenn er in Anspielung auf die gegen Abdel-Samad ergangene Fatwa Heinrich Heine zitiert: "Die Verfolgung der Anders­denkenden ist überall das Monopol der Geist­lich­keit."

Und richtig wirft er den deutschen Intellek­tuellen - wieder einmal - Ver­sagen vor: "Hat Günter Grass keine Tinte mehr, ist Richard David Precht auf Dienst­reise, sind die Grünen mit dem Höchst­steuer­satz politisch ausge­lastet?" und fährt fort: "Es gibt für jeden Baum, der gefällt werden soll, Unter­schriften­listen dagegen, für jeden neuen Kinder­garten Petitionen dafür, für die Erhaltung eines Bahnhofs lange Menschen­ketten. Aber wenn ein Bürger aus unserer Mitte sich vor seinen Mördern ver­kriechen muss, weil er seinen Mund aufmacht, halten wir denselben."

F.N.