Bekenntnisschulen: Keine Änderung?

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Schulkinder, Foto: Günter Havlena (pixelio.de)

DÜSSELDORF. (hpd) Mit einer baldigen Änderung des skandalösen Ärgernisses der öffentlichen Bekenntnisschulen in NRW ist offenbar nicht zu rechnen. Derzeit sieht alles danach aus, dass die rot-grüne Landesregierung - in engem Schulterschluss mit den beiden christlichen Großkirchen – den bisherigen Status aufrechterhalten will – und sämtliche Elterninitiativen ignoriert.

Bei den öffentlich gewordenen Konflikten war es darum gegangen, ob bekenntnisfremde Kinder gezwungen werden dürfen, am Bekenntnisreligionsunterricht und den kultischen Verrichtungen des Schulbekenntnisses teilzunehmen. Der hpd hatte über den Fall eines Sechsjährigen, Sohn muslimischer Eltern, berichtet, der in Paderborn nicht in eine katholische Schule aufgenommen wurde, weil seine Eltern es ablehnten, ihn am katholischen Religionsunterricht teilnehmen zu lassen.

Aufgrund des vehementen Protestes war Hoffnung aufgekommen, dass in NRW von einer Politik des Religionszwanges für Schulkinder Abstand genommen werden könnte. Diese Erwartungen sind (vorerst) enttäuscht worden.

Die öffentlichen Bekenntnisschulen werden zwar zu 100 Prozent aus allgemeinen Steuermitteln finanziert; trotzdem müssen sämtliche Lehrkräfte dem jeweiligen Schulbekenntnis (katholisch und in geringerem Umfang evangelisch) angehören. Es handelt sich nicht um einige wenige Schulen: landesweit sind ein Drittel der Grundschulen Bekenntnisschulen, in 75 Kommunen gibt es nur solche Schulen und in manchen Landesteilen haben die Bekenntnisschulen sogar eine Monopolstellung inne.

Reaktion des Schulministeriums NRW auf öffentliche Proteste

In einem vor kurzem veröffentlichten Runderlass des NRW-Schulministeriums lässt die grüne Schulministerin Löhrmann mitteilen, dass am restriktiven Kurs zugunsten der Katholischen und Evangelische Kirche festgehalten wird.

Im Zweifel, so formulieren die Schulbürokraten, kann von Eltern bei der Anmeldung ihres Kindes die schriftliche Erklärung abverlangt werden, dass ihr Kind am Schulbekenntnisunterricht teilnimmt. Lehnen sie dies ab oder bestehen sie sogar darauf, dass das Kind nicht an diesem Bekenntnisunterricht teilnehmen soll "ist eine Aufnahme in die Schule nicht möglich" heißt es in Ziffer 3 des Erlasses. Dasselbe gilt, wenn die Eltern – was verfassungs- und schulrechtlich verbürgt ist – darauf bestehen sollten, dass das Kind im eigenen Bekenntnis unterrichtet werden solle.

Für den Fall, dass bei der Anmeldung einmal "Pannen" vorkommen sollten, zum Beispiel dass die Erfassung der von den Kirchen gewünschten Elternerklärung unterbleiben sollte, hält der Runderlass die ultimative bürokratische Lösung bereit: Es wird fingiert, dass Eltern, die ihr bekenntnisfremdes Kind auf einer Bekenntnisschule anmelden, bereits durch die Anmeldung den "Wunsch" zum Ausdruck bringen, dass das Kind im Schulbekenntnis erzogen wird. Eine ausdrückliche Erklärung wird nicht einmal für erforderlich gehalten werden.

Einschränkung von Religions- und Weltanschauungsfreiheit in NRW

Die bereits vor allem an katholischen Schulen seit mehreren Jahren praktizierte Einschränkung der Religionsfreiheit für bekenntnisfremde Kinder wird jetzt ausdrücklich durch diesen Runderlass staatlicherseits unterstützt. Von einer CDU-Landesregierung hätte man kaum anderes erwartet, aber es ist die rot-grüne Koalition, die sich Seite an Seite mit den Großkirchen gegen Kinder, Eltern und Religionsfreiheit stellt.

NRW-Regierung, Bistümer und ev. Landeskirchen Seit an Seit

Im Runderlass wird genannt, worum es tatsächlich geht: "...die Landesregierung hat ebenso wie die katholischen (Erz-) Bistümer und die evangelischen Landeskirchen den Wunsch, dass die Aufnahme bekenntnisfremder Kinder in Bekenntnisgrundschulen nicht von Konflikten begleitet oder Gegenstand verwaltungsgerichtlicher Verfahren sein soll." Das ist mehr als deutlich. Konflikte sollen unter der Decke gehalten werden und Proteste verhindert werden, nichts soll mehr öffentlich werden. Ein Religionsfrieden nach Düsseldorfer Art?

Bislang hatten Kinder, die dem Schulbekenntnis angehörten, bei der Aufnahme in die Schule immer Vorrang vor Kindern, die diesem Bekenntnis nicht angehörten, unabhängig von der Entfernung von der Wohnung zur Schule. Das ist angesichts der Bekundungen der Landesregierung zum wohnortnahen Schulbesuch nicht mehr zeitgemäß. Jetzt ordnet der Runderlass an, dass diese Differenzierung nicht mehr gemacht werden darf. Ein Fortschritt? Auf den ersten Blick wohl. Der Preis jedoch: wohnortnahen Zugang zu Bekenntnisschulen haben nur diejenigen Kinder, deren Eltern die ausdrückliche Erklärung abgeben, auf das Recht auf Religionsfreiheit für die Kinder zu verzichten.

Kritische Reaktionen aus den Regierungsparteien ?

Aus der SPD, die vor Jahren noch die Abschaffung der Bekenntnisschulen verlangt hatte, sind bislang keinerlei kritische Stellungnahmen bekannt geworden; ob damit angesichts der bevorstehenden großen Koalition auf Bundesebene zu rechnen ist, kann derzeit nicht beurteilt werden. Bei den Grünen immerhin hat der nordrhein-westfälische "Arbeitskreis der Säkularen Grünen" diese Angelegenheit auf die Tagesordnung der Partei gesetzt. Auf der Sitzung des Parteirats Anfang Dezember wurde ein Antrag an den Parteivorstand übergeben, mit dem eine grundsätzliche Befassung mit den Bekenntnisschulen gefordert wird. Das Thema soll auf einem Landesparteitag im Juni 2014 diskutiert werden.

Ohne Druck aus der Gesellschaft – so viel steht fest - wird es bei dem Schulterschluss von Landesregierung und christlichen Großkirchen in dieser Angelegenheit wohl kaum eine Änderung geben.

Religions- und Weltanschauungsfreiheit – vor allem für Schülerinnen und Schülern - wird in Nordrhein-Westfalen staatlicherseits als kein besonders hohes Gut angesehen. Die Auseinandersetzung wird somit nicht leicht werden. Ansporn wird aber sein, dass auch Kinder Menschenrechte haben, auch in nordrhein-westfälischen Schulen.

Karl Albert

Dokumentation:
Eine Stellungnahme der NRW-Initiative "Kurze Beine – kurze Wege" zur aktuellen Situation der Bekenntnisschulen kritisiert, dass der Runderlass nichts daran ändert, dass in Nordrhein-Westfalen Grundrechte verletzt werden.